Konkurrenzdenken und Wettkampf

Vor einigen Tagen habe ich mich mit einer Freundin über diejenigen Männer unterhalten, die alles im Leben als einen Wettkampf empfinden. Gegen andere oder gegen sich selbst. Angefangen beim Sporttraining, egal ob im Fitnessstudio allein an den Maschinen oder in einer Gruppe beim Jogging, über Berufliches, wo sie immer die besten sein müssen, jeden als Konkurrenten betrachten und gereizt bis aggressiv reagieren, wenn man ihre Kompetenz oder Leistung einmal auch nur im Leisesten in Frage zu stellen wagt, bis zu ihrer Position innerhalb der Familie, die sie gegenüber der Frau und den Kindern in einem Machtkampf verteidigen.
In beinahe jeder Lebenssituation finden sie Konkurrenten, jemanden an dem sie sich messen, und beinahe jede Situation wird zu einem Wettkampf – zu einem ernsten, bei dem es immer um alles zu gehen scheint. Darum sind sie auch schlechte Verlierer, sogar bei einem harmlosen Brettspiel wie „Mensch ärgere dich nicht“, und ertragen es nicht, wenn die anderen mehr Würfelglück haben oder cleverer spielen.
Ich habe von Männern gesprochen, weil ich selbst nur Männer mit dieser Eigenschaft kenne, es betraf auch meinen eigenen früheren Partner. Aber ich bin davon überzeugt, dass es auch solche Frauen gibt.

Meine Freundin meinte, das liege halt in den Genen: Die Männer waren diejenigen, welche die Höhle und die Frauen und Kinder verteidigen mussten, gegen wilde Tiere und feindliche Stämme kämpften, und deshalb zuerst einmal in allem und jedem einen Feind vermuteten – vermuten mussten, denn diese Möglichkeit ausser Acht zu lassen, konnte tödlich enden. Während die Frauen diesen Kampfgeist nicht entwickeln mussten.

Das trifft bestimmt zu, zumindest teilweise, weiss man heute doch, dass mehr auf genetischem Weg weitergegeben wird, als man noch vor ein, zwei Jahrzehnten dachte. Dennoch halte ich – in unserer heutigen Kultur und Gesellschaft – dieses Konkurrenzdenken und diese Kampfbereitschaft für einen Ausdruck mangelnden Selbstwertgefühls, sowohl bei Männern als auch bei Frauen.
Sie müssen, anderen aber auch sich selbst, laufend ihren Wert beweisen. Sie fürchten einerseits das (entwertende) Urteil von Mitmenschen, weshalb sie sich ständig an ihnen und foglich mit ihnen messen, und ausschliesslich als Sieger aus der „Konfrontation“ herausgehen wollen. Andrerseits fühlen sie sich so unsicher, was ihren Wert betrifft, dass sie sich selbst immer wieder beweisen müssen, dass sie wertvoll sind, sei es beim Sport, im Beruf oder in der Partnerschaft und Familie.
Bei Frauen äussert sich diese Art mangelnden Selbstwertgefühls eher in einem Vergleich der Schönheit, schlanken Figur, modischen Bekleidung – das Leiden des Weniger-gut-sein-als-andere ist jedoch das Gleiche. Und der Kampf um glänzendes Haar und ein faltenloses Gesicht nicht minder aufreibend.

Deshalb will ich abschliessend nur sagen: Hört auf, euch mit anderen zu vergleichen und euch an ihnen zu messen – egal, welche Eigenschaften es betrifft. Jeder Mensch ist einzigartig und unabhängig von seinem Äusseren, seinen Eigenschaften, seiner Leistung immer gleich viel wert. Und unabhängig davon, was er tut. Bewahrt euch eure Selbstachtung und Würde, indem ihr euch nicht auf Konkurrenzkämpfe einlässt.

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Der Fluss in der Wüste

Zu Ostern erzähle ich euch eine Geschichte aus dem Sufismus, die auch etwas mit Auferstehung zu tun hat.

Ein Fluss entsprang einer Quelle im Gebirge und strömte hinab ins Tal, durch Wälder und Wiesen, bis er schließlich die Wüste erreichte. Er hatte alle bisherigen Hindernisse überwunden und sich seinen Weg sogar durch harten Fels erkämpft. Doch so sehr er sich auch bemühte, die Wüste zu durchqueren, sein Wasser versickerte im Sand. Er spürte aber, dass seine Bestimmung jenseits der Wüste lag, nur wusste er nicht, wie er sein Ziel erreichen könnte.
Der Sand sagte zu ihm: „Der Wind überquert die Wüste ­– vertrau dich ihm an, er wird dich hinübertragen.“
Der mächtige Strom, der seinen Weg bisher immer selbst gefunden hatte, war nicht angetan von der Idee, sich dem Wind zu ergeben. Und ein bisschen Angst hatte er auch, denn er konnte es sich nicht vorstellen.
Der Sand schien seine Gedanken zu erraten und erklärte ihm: „Der Wind nimmt dein Wasser auf, weht es über die Wüste und lässt es als Regen fallen, sodass es wieder zu einem Fluss werden kann.“
Der Strom zögerte, er wollte sich nicht verändern und seine Eigenart nicht aufgeben. „Du kannst in keinem Fall bleiben, was du bist“, ermahnte ihn der Sand. „Du musst dich wandeln. Gibst du dich nicht dem Wind hin, stirbst du in der Wüste. Doch glaube mir: Das Wesentliche an dir wird bestehen bleiben, das, was du in Wahrheit bist.“
So ließ der Fluss seinen Dunst aufsteigen, der Wind trug ihn immer höher und wehte ihn über die Wüste hinweg bis zu einem Gebirge. Dort regnete er sanft herab. Der Strom erkannte, dass er sich zwar verändert hatte, aber freudig weiterfließen konnte.

(Aus meinem Buch: Der Sinn des Lebens und die Lebensschule)

Eine weitere Auferstehungsgeschichte findet ihr auf meiner Website Karma Yoga.

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Schuldzuweisungen und Selbstvergebung

Den Dingen auf den Grund gehen, nach den Ursachen suchen, um daraus Einsichten zu gewinnen, dagegen ist nichts einzuwenden. Doch kennt ihr nicht auch Menschen, die immer sofort einen Schuldigen suchen und finden? Haben sie einen Schnupfen, so müssen sie jemanden für die Ansteckung verantwortlich machen; geht eine Pflanze im Garten ein, so liegt es an Nachbars Hund, der sein Geschäft dort verrichtet; bekommen sie keine Karten mehr für das gewünschte Konzert, so hätte die Ankündigung in der Zeitung ein paar Tage früher erscheinen sollen; rutscht ihnen eine Tasse aus den Händen, dann hatte der Partner sie nicht sauber gespült, sodass der Henkel noch fettig und deshalb glitschig war.

Diese Neigung, die Verantwortung, ja die Schuld auf jemanden oder auf die Umstände zu schieben, kann unter anderem auf einen Mangel an Selbstwertgefühl zurückzuführen sein. Wir wollen auf keinen Fall riskieren, von unseren Mitmenschen schlecht bewertet zu werden, weshalb wir – nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ – die Schuld von uns weisen, bevor jemand überhaupt auf die Idee kommt, uns zu bezichtigen. Die Argumente unserer Selbstverteidigung sind zuweilen völlig an den Haaren herbeigezogen.
Durch ein solches Verhalten schützen wir uns nicht zuletzt auch vor unserer eigenen Selbstentwertung. Müssten wir uns nämlich eingestehen, dass wir etwas falsch gemacht haben, und sei es nur ein harmoser Fehltritt, eine Unachtsamkeit, Nachlässigkeit, so kämen Selbstvorwürfe und Schuldgefühle auf. Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl leiden oft beträchtlich darunter und werden dann ihre herabwürdigenden Gedanken kaum mehr los: „Schon wieder habe ich etwas falsch gemacht. Nicht einmal das kann ich. Es geschieht mir ganz recht…“

Das umgekehrte Phänomen lässt sich, wie mir scheint, bei Menschen mit einem schwachen Selbstwertgefühl noch häufiger beobachten: Sie übernehmen immer für alles die Verantwortung. Und fühlen sich tatsächlich schuldig.
Sie trauen sich selbst nicht zu, etwas zu können, etwas richtig zu machen, sodass sie die Schuld augenblicklich bei sich suchen, wenn etwas schief läuft. Wenn ich die obigen Beispiele wieder aufgreife: bei einem Schnupfen sind sie davon überzeugt, sich zu wenig warm angezogen zu haben; beim Absterben der Pflanze haben sie ihr den falschen Dünger gegeben; die Konzertkarten sind ausverkauft wegen ihres zu langen Zögerns; und die Tasse ist kaputtgegangen, weil sie immer so schusselig sind.

Muss es denn immer einen Schuldigen geben? Ist es nötig, ihn immer zu suchen und als solchen zu bezeichenen? Wieso können wir eine Situation nicht einfach zur Kenntnis nehmen und so stehen lassen?
Selbst wenn wir objektiv einen Fehler gemacht haben: Es genügt, ihn zu erkennen und daraus zu lernen. Ohne Selbstvorwürfe und Schuldgefühle, ohne uns als entwertet oder Versager zu empfinden. Niemand ist vollkommen, wir alle machen Fehler. Diese vor uns selbst und vor anderen einzugestehen, ist ein Zeichen eines gesunden Selbstwertgefühls. Und es ist ein Zeichen von Weisheit, daraus zu lernen. Alles andere ist überflüssig und schädlich.

Seid also achtsam für die Situationen, in denen ihr nach Schuldigen sucht oder leichthin jemanden (euch selbst!) oder etwas für einen Fehltritt, eine Unannehmlichkeit, ein Versagen verantwotlich macht, und überlegt euch gut, ob es tatsächlich einen Schuldigen gibt. Falls ja, vergebt ihr ihm – oder euch selbst –, nachdem die Schuldfrage geklärt ist.
Und verzeiht euch generell alles, wirklich alles und immer. Egal was ihr falsch gemacht habt, sogar wenn ihr jemanden verletzt, betrogen, schlecht behandelt habt, erkennt ihr schlicht eure Unzulänglichkeit und sagt euch: „Ich bin nicht vollkommen, ich habe einen Fehler gemacht. Nun habe ich daraus gelernt und ich vergebe mir selbst. Ich vergebe mir. Ich vergebe mir alles.“

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Wie Gefühle unsere Wahrnehmung beeinflussen

In den vergangenen Wochen habe ich mehrere Vorlesungen zum Thema Wahrnehmung und Wirklichkeit besucht. Über eine davon, mit dem Titel „Gefühl und Wahrnehmung“ von Guido Gendolla, Professor für Psychologie an der Universität Genf, will ich berichten. Er sagte gleich zu Beginn: „Unsere Wahrnehmung ist nicht wie ein Fotoapparat, der alles exakt abbildet – bestenfalls wie einer mit Filtern und Effekten.“

Wie diese beiden optischen Täuschungen beweisen:

Optische Täuschung

Linker Bildteil: Wir halten die obere waagrechte Linie für länger als die untere – beide sind jedoch absolut identisch.
Rechter Bildteil: Wir empfinden den linken roten Kreis als kleiner – auch das ist nur eine Illusion, beide sind gleich.

Getäuscht werden wir, weil die Umgebung sich auf unsere Wahrnehmung auswirkt. Und zwar nicht nur bei solchen Bildspielereien, sondern auch im „richtigen“ Leben.
Professor Gendolla erzählte von einem Experiment, bei dem Menschen gebeten wurden, ihre globale Lebenszufriedenheit zu bewerten, die einen Testpersonen an einem Tag mit gutem Wetter, die anderen an einem mit schlechtem. Die Beurteilung fiel entsprechend dem Wetter besser oder schlechter aus, denn dieser äussere Faktor beeinflusste die Stimmung der Versuchsteilnehmer und wirkte unbewusst mit.
Wurden die Testpersonen jedoch vorher auf die Wettersituation aufmerksam gemacht, so wirkte sie sich nicht auf die Bewertung aus. Sie erkannten dann nämlich, dass das Wetter ihre Stimmung beeinflusste, und konnten ihre Lebenszufriedenheit objektiver beurteilen, ohne diesen Faktor mit einzubeziehen.

Was können wir daraus lernen in Bezug auf unser Selbstwertgefühl und unsere Selbstliebe? Dass unsere Wahrnehmung dieser Eigenschaften nicht objektiv ist, sondern je nach der Umgebung und der Stimmung, in denen wir uns gerade befinden, variiert. Aber auch, und das ist der springende Punkt, dass wir uns dieser äusseren Beeinflussung entziehen können, falls wir uns ihrer bewusst sind.
Wenn wir uns also einmal wertlos fühlen oder spüren, dass uns das Selbstbewusstsein, die Selbstsicherheit, das Selbstvertrauen fehlen:
• Schauen wir uns um, nehmen wir die Umgebung und unsere Stimmung wahr. Suchen wir nach einem Grund, warum unser Selbstwertgefühl gerade geschwächt sein könnte, und machen wir uns dann bewusst, dass diese äussere Ursache nichts mit unserem wahren Selbstwertgefühl zu tun hat.
• Wirken wir auf die äusseren Umstände so ein, dass sie unsere Stimmung und somit unser Selbstwertgefühl verbessern – schauen wir schöne Bilder an, hören wir liebliche Musik, tun wir uns etwas Gutes. Professor Gendolla gibt dazu noch einen ganz einfachen Tipp: mit der rechten Hand einen kleinen Gummiball kneten; dadurch wird der linke Bereich an der Stirnseite des Gehirns stimuliert, der präfrontale Cortex, der für das emotionale Erleben relevant ist, was zu positiven Gefühlen führt (bei Linkshändern umgekehrt).

Nun zu einem anderen Teil der Vorlesung, den ich ebenfalls besonders interessant finde: Stark beeinflusst wird unsere Wahrnehmung auch durch Angst und Bedrohung. Der Referent erläuterte dies ausführlich und belegte es mit Studien, was ich hier nicht im Detail wiedergeben will. Seine Kernaussagen dazu: Die Wahrnehmung von Bedrohungen, beispielsweise von gefährlichen Tieren, wie Spinnen und Schlangen, aber auch von Menschen, die uns nicht wohlgesinnt sind, ist wichtig für das Überleben. Deshalb hat die Evolution uns in dieser Hinsicht geprägt. Dinge, die wir fürchten, nehmen wir schneller und intensiver wahr. Beispielsweise fällt uns in einer Menschenmenge derjenige mit einem grimmigen, bösen Gesicht sofort auf, denn er stellt eine potentielle Bedrohung dar. Solche Gefahrenreize wirken auch auf der unbewussten Ebene auf uns, das heisst, wenn wir unsere Aufmerksamkeit gar nicht darauf richten oder die Gefahr nicht einmal bewusst sehen.

Angst spielt im Zusammenhang mit der Selbstliebe insofern eine Rolle, als wir einen Mangel an Selbstliebe durch Liebe von aussen zu kompensieren versuchen. Keine Liebe zu bekommen oder sie wieder zu verlieren, ist deshalb eine unserer grossen Ängste. Also bemühen wir uns stets darum, geliebt zu werden – durchaus sinnvoll aus dem Blickwinkel der Evolution, denn wenn uns jemand liebt, oder zumindest mag, dann ist er keine Bedrohung.
Aber in unserer Kultur ist jemand, der uns nicht wertschätzt, uns gar feindlich gesinnt ist, nicht gefährlich, er bringt uns nicht gleich um. Hingegen schadet es uns, wenn wir uns aus Angst, nicht geliebt zu werden, verbiegen: Wir tun Dinge, die wir nicht tun möchten, und wir tun Dinge nicht, die wir tun möchten, dabei werden wir uns selbst untreu, weshalb wir unsere Selbstachtung verlieren und unser Selbstwertgefühl schwindet, sodass wir uns noch stärker um Anerkennung bemühen und wiederum Dinge tun… ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.
Ich habe es schon so oft gesagt und geschrieben: Unser Wert beruht niemals auf der Wertschätzung anderer – wir sind wertvoll an sich, einfach weil wir menschliche Wesen sind, egal wie wir sind und was wir tun. Und als diese wertvollen Wesen haben wir das Recht, uns selbst zu lieben.

Ein weiterer Aspekt. Die Evolution hat uns nicht nur dahin gebracht, Bedrohliches wachsamer wahrzunehmen als Angenehmes, sondern auch dazu, es besser im Gedächtnis zu speichern. Denn uns nicht zu erinnern, wo genau im Wald ein gefährliches Raubtier lauert oder wo die Siedlung des Feindes liegt, kann lebensgefährlich sein, während wir in der Regel nicht daran sterben, falls wir einmal eine gute Gelegenheit verpassen.
Kritik, Erniedrigung, Tadel können unser Selbstwertgefühl schwächen, das wissen wir alle. Natürlich steigt es dann wieder mit jedem Zuspruch, den wir bekommen, aber leider nicht im gleichen Verhältnis: Kritik und Tadel schwächen unser Selbstwertgefühl stärker und nachhaltiger, als Anerkennung und Lob es aufbauen. Wie gesagt, weil wir einerseits die Aufmerksamkeit eher auf das Negative fokussieren und ihm mehr Bedeutung zumessen, andrerseits weil es stärker und länger im Gedächtnis haften bleibt.
Diese Tatsache sollte uns ebenfalls in der Einsicht bestärken, dass die Wahrnehmung unseres Selbstwerts nicht objektiv ist, und uns dabei helfen, uns generell nicht von Fremdurteilen beeinflussen zu lassen.

Abschliessend zitiere ich Professor Gendollas Zusammenfassung der Vorlesung wörtlich (mit seiner freundlichen Genehmigung), treffender kann man es in wenigen Sätzen nicht formulieren:

• Wahrnehmung ist ein aktiver, konstruktiver Prozess, der durch Gefühle vielfältig beeinflusst wird.
• Gefühle haben einen systematischen Einfluss auf die Aufmerksamkeitsorientierung.
• Insbesondere Furcht beeinflusst die automatische Aufmerksamkeit auf potentiell bedrohliche Reize – auch bei unbewusster Wahrnehmung.
• Gefühle haben einen systematischen Einfluss auf die Urteilsbildung.
• Auch sogenannte „unbewusste Gefühle“ beeinflussen die Urteilsbildung.

Ich denke, es ist ein wichtiger Schritt, wenn wir uns all dessen schon nur einmal bewusst sind. Mit etwas Achtsamkeit gelingt es uns dann, unsere momentanen Gefühle wahrzunehmen und zu relativieren und so zu verhindern, dass sie unsere Entscheidungen und unser Verhalten allzu sehr beeinflussen.

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Ist unser Gehirn verantwortlich für unsere Gefühle?

Nein – das will ich gleich vorwegnehmen – nein, das glaube ich nicht!
Im letzten Jahrzehnt sind mir in Fachzeitschriften immer wieder einmal Artikel begegnet, die unsere Gefühle auf Vorgänge im Gehirn reduzierten. Die Thematik erstreckte sich oft auch auf die Frage nach unserem freien Willen: Besitzen wir tatsächlich die Freiheit, Entscheidungen zu treffen, oder werden wir gewissermassen fremdgesteuert von einem Organ, das durch die Aussendung von chemischen Stoffen und durch elektrische Impulse unser Handeln bestimmt?
Artikel* wie „Die Dirigenten unseres Lebens“, „Wie sie [die Hormone] gute Laune machen“, „Wie sie die Liebe bestimmen“ und Aussagen wie „Ein Anfall von weiblicher Zickigkeit. Aus einem geschlechtslosen Embryo entwickelt sich ein Junge. Verliebte spüren Schmetterlinge im Bauch. Ganz unterschiedliche Lebenssituationen, die alle eins gemeinsam haben: Immer sind Hormone die Auslöser“ suggerieren, dass wir nichts als Marionetten eines Supergehirns sind, das über uns herrscht und uns nicht nur die Willensfreiheit nimmt, sondern auch die Verantwortung. Und fördern die bereits weit verbreitete Tendenz, bei psychischen Problemen, auch bei vermeintlichen, Medikamente zu verschreiben, die in diesen Prozess eingreifen, vor allem bei Depressionen, Angstzuständen und kindlicher (Über?-)Aktivität. Anstatt das Problem, sofern es tatsächlich eines ist und nicht ein normaler Bestandteil des menschlichen Lebens, dort anzugehen, wo es wirklich und nachhaltig behoben werden kann, nämlich in der Psyche. (Zu diesem Thema kann ich euch eine ausgezeichnete Sendung des SWR empfehlen: Das Milliardengeschäft mit der Psyche.)

Für mich stellt sich hingegen immer die Frage: Was war zuerst, das Huhn oder das Ei? Dass gewisse Stoffe in uns zirkulieren, wenn wir bestimmte Empfindungen haben, ist unbestritten. Aber: Veranlasst das Gehirn die Ausschüttung von Hormonen und dann empfinden wir Verliebtheit, Depression oder Angst? Oder empfinden wir Verliebtheit, Depression, Angst und dies führt zu Vorgängen im Gehirn?

Nun sind mir in letzter Zeit mehrmals Aussagen begegnet, die eine entgegengesetzte Ansicht zu solchen „gehirnbestimmten“ Theorien stützen. Nämlich beispielsweise dass eine Psychotherapie die Gehirnstruktur nachweislich verändert: Bei depressiven Patienten zeigte die MRT nach der Therapie neuronale Veränderungen in den Gehirnarealen, die mit der Depression in Verbindung gebracht werden. Oder allgemeiner, dass Gefühle die Biologie des Gehirns beeinflussen und umbauen: Erhält etwa ein Mensch ständig schlechte Kritik, verändert sich sein Gehirn. Und noch weitergehend bewies eine Studie, dass bei Menschen, die ihre Meinung frei äussern dürfen, das Motivationszentrum im Gehirn aktiviert wird und dadurch sogenannte Glücksbotenstoffe wie körpereigene Opiate ausgeschüttet werden.

Was bedeutet das nun konkret für unser Bemühen, unsere Selbstliebe und unser Selbstwertgefühl aufzubauen und zu stärken? Dass gute Gespräche mit Fachleuten tatsächlich helfen, ebenso dass Imaginationen und Affirmationen wirken. Aber auch allgemein positive Gedanken und das Einüben von Verhaltensweisen, die von Selbstliebe und Selbstwertgefühl zeugen.
Wie ich in meinem Buch „Ich liebe mich selbst und mache mich glücklich“ schreibe, funktioniert es tatsächlich, uns die Selbstliebe „einzureden“, auch wenn wir sie noch nicht besitzen. Meine Methode beruht ja auf zwei Pfeilern, die dann am besten funktionieren, wenn wir mit beiden gleichzeitig an uns arbeiten: Einerseits uns selbst durch Affirmationen und positiver Selbstbeeinflussung davon zu überzeugen, dass wir es wert sind, uns selbst zu lieben, und dies auch können; andrerseits indem wir die Verhaltensweisen verändern, die von unserer schwachen Selbstliebe und unserem Mangel an Selbstwertgefühl zeugen. Dabei entsteht eine positive Wechselwirkung: Indem wir mehr und mehr daran glauben, dass wir uns selbst lieben, finden wir den Mut, uns tatsächlich selbstbewusster zu verhalten, und durch unser Verhalten, das mehr und mehr auf Selbstvertrauen und Selbstachtung beruht, stärken wir unseren Glauben an unsere Selbstliebe.
In jedem Fall will ich euch wieder einmal dazu ermuntern, an euch zu arbeiten – wie die Wissenschaft beweist: Es lohnt sich! Vielleicht euer guter Vorsatz fürs Neue Jahr…

*Alle von mir verlinkten Artikel und Fernsehsendungen sind beispielhaft ausgewählt; es gibt unzählige davon, die ihr findet, wenn ihr etwa nach Gehirn Veränderung Gefühle oder nach Gehirn Veränderung Psychotherapie googlet. Oder für die ersten von mir erwähnten Aussagen nach Hormone steuern Gefühle.

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Mein neues „Sonnwandeln“

Vor gut zehn Jahren begann ich, Sonnwandeln zu schreiben, eine Schriftenreihe für spirituelle Entwicklung im Alltag. Es entstanden schliesslich dreissig thematische Ausgaben, insgesamt über 600 Seiten. Den Namen Sonnwandeln wählte ich in der dop­pelten Be­deutung von „auf dem sonnigen Lebensweg wandeln“ und „sich zu einem sonnigen Gemüt wandeln“. Diese Schriftenreihe, die es nur in elektronischer Form gab, habe ich jetzt in gedruckte Bücher umgeformt und bei dieser Gelegenheit gründlich überarbeitet. Der erste Band mit dem Titel „Der Sinn des Lebens und die Lebensschule“ ist soeben erschienen, die übrigen vier erscheinen nach und nach.
Jedes Kapitel entspricht einer Ausgabe der früheren Schriftenreihe und weist die gleiche Struktur auf: „Einführende Gedanken“ stellt eine Einleitung ins Thema dar und wirft auch Fragen auf, die ich dann in den weiteren Rubriken „Vertiefende Aspekte“ und „Fragen & Antworten“ konkret und alltagsbezogen be­handle, wie es meine Art ist.
Zu jedem Thema gibt es eine Aufgabe für die innere Entwicklung, ergänzt durch Vorschläge für Affirmationen, eine Ima­gination oder Meditation und unterstützende Heilsteine und Bach-Blüten.

Das Konzept von Sonnwandeln ist einzigartig in seiner Ganzheitlichkeit und seinem Alltagsbezug.
Dabei geht Sonnwandeln einen Schritt weiter als die meisten Ratgeber-Bücher und die spirituelle Literatur, indem es die behandelten Themen nicht nur in einen konkreten Alltagsbezug stellt, vielmehr auch Entwicklungsziele Schritt für Schritt klar definiert und die entsprechenden Aufgaben dazu stellt.

Gebet und Meditation sind eine Seite der Spiritualität, eine wichtige – doch darüber gibt es schon viel Literatur und manche Website.
Deshalb konzentriert sich Sonnwandeln darauf zu zeigen, wie wir die spirituelle Ebene in unseren Alltag einbringen können, im Beruf, in Partnerschaft und Familie, bei Freizeitaktivitäten, mit Freunden und all unseren Mitmenschen, in unseren täglichen Entscheidungen und Taten, durch Krisen und Herausforderungen: Wir lernen Ängste und Wünsche abzubauen, Selbstwert, Urvertrauen und Gleichmut zu stärken – dadurch wachsen wir innerlich und kommen dem Göttlichen näher.

Sonnwandeln steht keiner Religion, Lehre, Kirche, Sekte oder Organisation nahe, ist völlig unabhängig und keiner bestimmten Ideologie verpflichtet. Ich schöpfe aus weltweiter spiritueller, philosophischer und psychologischer Weisheit. Eine Gottfigur der Gebote und Verbote, mit Belohnung und Strafe, findet darin keinen Platz, wohl aber das Göttliche als Absolutes, Einheit, Allheit.

Buchtitel_Der_Sinn_des_LebensDer Sinn des Lebens und die Lebensschule
von Karin Jundt
nada-Verlag
ISBN 978-3-907091-05-0
Paperback, 220 Seiten
EUR 19.00 / ca. CHF 25.00

Erhältlich:
• im Buchhandel und in den Online-Shops

Die Kapitel:
1. Der Sinn des Lebens und unsere Lebensaufgabe
2. Lebensphasen und Lebenskrisen
3. Zufall und Schicksal
4. Freier Wille oder Vorbestimmung?
5. Wille und Wollen
6. Unsere Innere Stimme

Sonnwandeln zeigt Wege auf
• wie wir mit weniger Angst und Sorgen gleichmütiger und zufriedener durch das Leben wandern,
• und im alltäglichen Handeln spirituell wachsen können,
• mit beiden Füssen fest in dieser Welt verankert, ohne asketische Praktiken und Entsagung.

Leseprobe herunterladen

Noch eine Bitte: Falls euch das Buch gefällt und euch auf eurem spirituellen Weg unterstützt, wäre es für mich sehr hilfreich, wenn ihr eine Bewertung/Rezension in einem oder mehreren Online-Shops abgebt. Vielen Dank!

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Das bin nicht ich!

Ein junger Mann, ich nenne ihn Florian*, erzählte mir neulich die Geschichte seiner Liebesbeziehung, die vor einer Weile zu Ende gegangen war. Beiderseits eine Reihe von Erwartungen, die nicht erfüllt wurden, von Fehlinterpretationen und Missverständnissen, die auf zu wenig Offenheit beruhten, von Beschuldigungen und Vorwürfen, von empfundener Ablehnung und gegenseitigem Sichbrauchen, vom Projizieren der eigenen Probleme auf den Anderen – vor allem aber der verzweifelte Versuch zweier Menschen mit zu wenig Selbstwertgefühl im Partner den Rettungsanker zu sehen.
Florian hat seine Beziehung sehr gründlich und bemerkenswert realistisch analysiert und viel daraus gelernt. Ich stimmte ihm in vielem zu, was er erkannt hat.
Eine sich wiederholende Aussage von ihm hat mich aber aufhorchen lassen. Wenn er jeweils erzählte, wie ungerecht er seine Partnerin behandelte, wie er ihr eine Eifersuchtsszene machte, ständig an ihr herummäkelte, sich mit gemeinen Sprüchen dafür rächte, wenn er sich verletzt fühlte, ergänzte er: „Aber so bin ich nicht. Das ist nicht der wahre Florian.“ Oder: „Ich war nicht ich selbst, als ich das gesagt habe.“ Oder: „Das fühlte sich nicht nach meinem wahren Ich an.“

Doch. Alles war Florian. Der wahre Florian besteht aus den guten und den schlechten Eigenschaften, wie wir alle. Sonst könnten wir nicht einmal so und einmal so sein. Wir können es Seele und Ego nennen oder höheres und niederes Selbst, aber beide gehören zu uns.

Solange wir einen Teil von uns, den wir für den „schlechten“ halten, nicht akzeptieren, können wir ihn auch nicht verändern und nach und nach loslassen. Zuerst geht es nämlich immer darum, uns zu lieben, wie wir sind.
Dann können wir anfangen, die Eigenschaften an uns, die wir als negativ betrachten, in die positiven zu verwandeln. Dabei brauchen wir es uns niemals vorzuwerfen, wenn der „böse“ Teil gerade im Vordergrund steht: Schauen wir ihn an, nehmen ihn zur Kenntnis, akzeptieren ihn. Dagegen anzukämpfen, ist hoffnungslos. Vielmehr müssen wir einfach die guten Eigenschaften in uns fördern und versuchen, uns neue gute Eigenschaften anzueignen. So überlagern diese nach und nach die schlechten.
Dabei ist es nützlich zu erkennen, wie viele unserer Verhaltensweisen mit mangelnder Selbstliebe zusammenhängen. Arbeiten wir konsequent und beharrlich am Aufbau oder an der Stärkung unseres Selbstwertgefühls und unserer Selbstliebe, so verschwinden mit der Zeit die schlechten Eigenschaften. Es kommt nicht so sehr darauf an, welches „Symtpom“ mangelnder Selbstliebe wir gerade ins Visier nehmen und uns dabei um eine Veränderung bemühen, denn alle hängen zusammen: Ändern wir eine Eigenschaft, so verändern sich andere mit. Diese Methode, an uns zu arbeiten, habe ich ausführlich in meinem Buch „Ich liebe mich selbst und mache mich glücklich beschrieben.“

* Name aus Diskretionsgründen geändert.

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Was Frauen (und Männer) sich antun

„Ich hätte nie geglaubt, dass Karl mich schlagen könnte. Ich hätte auch nie geglaubt, dass der Ätna nochmal ausbricht. Ich hätte nie geglaubt, dass mir so was passieren könnte. Ich hätte nie geglaubt, dass jemand auf den Papst schiesst. Ich glaubte es selbst dann noch nicht, als ich mein Blut schmeckte.
Es gab keinen Anlass. Wir waren auf einer Party gewesen. Ich hatte jede Menge Spass, und als wir draussen auf der Strasse waren, langte er mir eine. Ich hab nicht mal gesehen, wie er ausholte, nur dass plötzlich seine Faust in meinem Gesicht war.
Der Schmerz spielt keine Rolle. Im Moment, da er dich schlägt, vergisst du, es schmerzhaft zu finden. Ich stand da, wir standen da, ich neben mir, betrachtete den Schlamassel und versuchte zu ergründen, was vorgefallen war.
Ein Irrtum, das war schon mal klar. Dieses Vorkommnis war für jemand anderen gedacht, für ein anderes Paar, nicht für uns. Ich konnte nicht begreifen, dass eine dieser Hände, dass dieser Mann mich geschlagen hatte, das gehörte nicht in meine Ehe.
Zu Anfang verdrängst du schnell. Ich steckte diesen Schlag ein und leugnete ihn sofort, ein Ausrutscher, ach was, ein schlimmer Traum. Er würde so was niemals tun, das ist überhaupt nicht passiert. Lass uns nach Hause gehen und so tun, als sei nichts gewesen.
Am nächsten Tag entschuldigte er sich. Er grämte sich so sehr, dass er mir schon wieder leid tat. Das machen sie immer, die Schläger: Sie entschuldigen sich, um ihre eigene Welt in Ordnung zu bringen, nicht die des Opfers.
Entweder geht man nach dem ersten Schlag – oder nie. Aber den Rat kann dir keiner geben, weil du dich schämst und schweigst.
[…]
Du denkst, der Ätna ist einmal ausgebrochen, jetzt wird er Ruhe geben. Auf den Papst schiesst keiner ein zweites Mal. Dein Mann wird eines Tages voller Zerknirschung daran denken, wie er ein einziges Mal im Leben die Kontrolle verloren hat.
So stellst du dir das vor und versuchst, es ihm recht zu machen. Bis die zweite Überraschung ranfliegt, mitten in die Fresse.
[…]
Das Schlimme ist, dass du irgendwann den Horizont verlierst. Er prügelt, aber er bringt dich dazu zu glauben, er sei im Recht und es sei deine Schuld, dass es eine Scheissehe ist. Er sagt, du musst dich ändern, dann wird alles wieder gut.
Wenn ich glaubte, erkannt zu haben, was Karl störte, stellte ich es ab. Ich traf mich nicht mehr mit den Freunden, die er hasste, ging kaum noch alleine weg, äusserte bestimmte Meinungen so lange nicht mehr, bis ich selber davon überzeugt war, sie seien falsch.
Irgendwann hatte er mich so weit, dass ich es nicht wagte, im Restaurant zu bestellen, aus Angst der Kellner könnte mich anlächeln. Ich schminkte mich nicht mehr, ich lief in Sack und Asche durch die Gegend.
[…]
Alles bist du bereit zu tun oder zu lassen, je nachdem wie er es will, um nicht öffentlich bekennen zu müssen, wie dein Leben aussieht.
Ich dachte, ich kann ihn ändern, wenn ich mich selber ändere. Ich machte mich für alles verantwortlich und fühlte mich für alles schuldig.
Wenn er Ärger im Job hatte, fühlte ich mich schuldig.
Wenn er vergass, mir zum Geburtstag zu gratulieren, fühlte ich mich schuldig.
Wenn er mich anschrie, ich triebe es hinter seinem Rücken mit Türken und Farbigen, fühlte ich mich schuldig.
Wenn ich das Rohypnol entdeckte, das er angeblich nicht mehr nahm, fühlte ich mich schuldig.
Er hatte es als Kind nicht leicht gehabt: Ich fühlte mich schuldig.
Wegen Eva musste Adam aus dem Paradies: Ich fühlte mich schuldig.
Schuldig und wert, bestraft zu werden.
Ich schrumpfte auf einen Punkt.“

Diese treffende Schilderung einer Frau stammt aus dem Roman „Die dunkle Seite“ von Frank Schätzing.

Prügelnde Männer gibt es, auch wenn sie ganz bestimmt nicht in der Mehrheit sind.
Menschen, Männer und Frauen, die uns stets glauben machen wollen, wir seien Schuld an allem, was ihnen zustösst oder nicht passt, gibt es schon wesentlich mehr.
Und noch mehr Menschen, Männer wie Frauen, gibt es, die sich selber stets für alles verantwortlich und schuldig fühlen.
Der Chef hat schlechte Laune? – Bestimmt habe ich etwas falsch gemacht.
Die Verkäuferin ist unfreundlich? – Sie mag mich nicht, weil ich so dick bin.
Die Bedienung im Restaurant übersieht mich? – Weil ich so unbedeutend und unscheinbar bin.

Nein! Wenn der Chef schlechte Laune hat, die Verkäuferin unfreundlich ist, die Bedienung im Restaurant unaufmerksam: Was auch immer der Grund dafür ist, mit mir hat es nichts zu tun.
Selbst dann, wenn ich in den Augen dieser Menschen die Ursache bin, so brauche ich mich nicht schuldig zu fühlen. Sie messen nämlich immer mit ihren eigenen Massstäben, bewerten nach ihren eigenen Kriterien – das ist jedoch nicht die absolute Wahrheit!

Sich selbst lieben bedeutet auch: Sich niemals etwas vorwerfen.
Aufrichtig hinschauen: ja. Erkennen, dass wir etwas nicht so gut gemacht haben: ja. Uns vornehmen, es das nächste Mal besser zu machen: ja.
Aber immer ohne Selbstvorwürfe und Schuldgefühle.

Denkt daran, dass ihr niemals die Verantwortung trägt für mündige, erwachsene Menschen. Auch wenn sie euch vorwerfen: „Wegen dir geht es mir schlecht.“ – „Weil du das und das getan hast, bin ich ins Elend gestürzt.“

Nehmt euch jetzt gleich vor: Ich fühle mich nie wieder schuldig.

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Alles hat einen Sinn

Vor einigen Wochen erzählte mir Marisa*, sie stecke in ihrem Leben gerade fest und wisse nicht weiter. „Ich arbeite in Zürich, mein Freund wohnt in Trieste und ich habe eine Wohnung in Firenze gekauft, meiner Heimatstadt, wohin ich wieder ziehen möchte. Mein Freund will dann mitkommen, sobald er seine Wohnung verkaufen kann. Im Moment pendle ich wöchentlich in diesem Städtedreieck von über 1000 Kilometern, ein unhaltbarer Zustand. Aber… in Zürich habe ich einen guten Job, in Firenze werde ich kaum einen finden, in meinem Alter sowieso nicht mehr. Und die Wohnung in Firenze ist seit Monaten nicht bezugsbereit, der Umbau verzögert sich, immer werde ich mit Ausreden vertröstet; ich reise ständig dahin, um denen Beine zu machen, aber es nützt alles nichts. Ich weiss nicht mehr, was ich machen soll. Vielleicht sind meine Pläne doch falsch… ich bin ziemlich verunsichert.“

Vor ein paar Tagen traf ich Marisa wieder. Sie strahlte. „Stell dir vor“, erzählte sie mir, „ich war letzte Woche in Firenze. Vom Wohnungskauf bin ich zurückgetreten und habe ein unglaublich schönes Haus gekauft! Es ging alles ganz schnell, sogar den Notartermin haben wir in dieser kurzen Zeit hinbekommen. Und es geht noch weiter: Mein Freund hat einen Käufer für seine Wohnung gefunden. Und das Allerbeste: Ich hatte in Firenze ein Bewerbungsgespräch für einen total spannenden Job!“
Ich kam nicht dazu, mein Staunen auszudrücken, da fuhr sie schon fort: „Natürlich ging nichts von alleine, ich habe mich schon bemüht. Aber es schien irgendwie schon alles aufgegleist, und als der erste Dominostein fiel, folgte die ganze Reihe! Wahnsinn, was? Ich hätte es wissen sollen, dass die baulichen Verzögerungen einen Sinn hatten!“

Ja, alles hat immer einen Sinn. Wie oft werden uns doch Hindernisse in den Weg gelegt, nur damit wir vom „falschen“ Weg endlich absehen und einen besseren einschlagen. Ich weiss, solange wir in den Schwierigkeiten drin stecken, ist es schwer, das zu erkennen und gelassen abzuwarten. Aber Urvertrauen bewährt sich immer. Wie eine chronisch schwerkranke Freundin von mir immer sagt: Es chunnt eso wie’s chunnt, und so wie’s chunnt, chunnt’s ebe guet (Es kommt so wie es kommt, und so wie es kommt, kommt’s eben gut).

* Name aus Diskretionsgründen geändert

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Jeder Schritt zählt

Ein Mann, ich nenne ihn Lorenz*, fragte mich, ob es mein neues Buch „Ich liebe mich selbst und mache mich glücklich“ auch als E-Book gebe.
Ich verneinte und begründete es damit, das Buch sei wie ein Kurs aufgebaut und enthalte auch mehrere Seiten, die der Leser selbst ausfüllen könne und auf die er im Lauf der Lektüre wieder zurückgreifen sollte. Es ist ja mein wichtigstes Anliegen, wenn ich solche Wegweiser-Bücher schreibe, konkrete Übungsaufgaben vorzuschlagen und den Leser zu ermutigen, damit zu arbeiten.

Daraufhin erklärte mir Lorenz: „Ich lese hauptsächlich auf meinem langen Arbeitsweg im Zug. Und da möchte ich nicht, dass jeder sieht, was für ein Buch ich lese – auf dem E-Book-Reader wäre das gewährleistet.“

Es hat mich ein bisschen traurig gestimmt, wie immer wenn ich miterlebe, wie viel Angst die Menschen vor dem Urteil anderer haben und deshalb nicht tun, was sie eigentlich möchten – selbst bei unwichtigeren Dingen.

Uns nicht darum zu kümmern, was andere von uns denken und was sie von uns halten, ist eine der Übungen, um unser Selbstwertgefühl und damit die Selbstliebe zu stärken.
An welcher unserer Verhaltensweisen wir auch arbeiten, es wirkt sich immer gesamthaft auf die Festigung unserer Selbstliebe aus und verhilft uns dazu, auch in anderen Situationen, beruflichen und persönlichen, selbstbewusster und mit mehr Selbstachtung aufzutreten.
In diesem Sinne, zählt jeder Schritt, den wir in diese Richtung tun, und scheint er noch so banal – wie dazu zu stehen, was wir gerne lesen.

*Name aus Diskretionsgründen geändert

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