Neulich war ich ein paar Tage in den Bergen zum Wandern. Da ich allein war, ergab es sich zwangsläufig, dass ich bei verschiedenen Gelegenheiten die Gespräche anderer Menschen mitbekam.
• Ein Ehepaar mittleren Alters betritt gemeinsam den Früstücksraum, der aus einem halben Dutzend Tischen besteht, alle an der grossen Fensterfront, keiner besser als der andere. Er holt zwei Gläser Saft und stellt sie auf einen Tisch, dann füllt er verschiedene Brötchen und Brotscheiben ins Brotkörbchen und geht ebenfalls zum Tisch. In dieser Zeit hat sie am Buffet ihren Teller gefüllt und will gerade einen Tisch ansteuern, als sie realisiert, dass er bereits Sachen auf einen anderen Tisch gestellt hat. „Komm rüber an diesen Tisch, der ist schöner“, ruft sie ihm zu. „Aber… ich habe doch schon…“, erwidert er. Sie fällt ihm ins Wort: „Nein, bring die Sachen hierher, der ist schöner.“
• Am nächsten Tag im Frühstücksraum. Ein anderes Ehepaar, etwas älter, steht am Buffet und füllt die Teller. Da greift er in seine grosse Westentasche. Sie bemerkt es augenblicklich und fragt: „Was suchst du?“ Er antwortet nicht, wühlt in der anderen Westentasche. „Was suchst du denn?“, wiederholt sie leicht ungehalten. „Nichts“, antwortet er schliesslich, während er die Hand aus der Tasche zieht und sich zum Tisch begibt. Sie lässt nicht locker: „Doch, du hast doch etwas gesucht!“ Er schüttelt den Kopf und schweigt.
• Später Nachmittag, auf einer Bank am Wanderweg, ein Paar mittleren Alters setzt sich neben mich. Sie zu ihm: „Du kannst die Mütze jetzt ausziehen, die Sonne ist nicht mehr so stark.“ Er reagiert nicht und behält die Mütze auf dem Kopf.
• Am Seeufer, traumhaft schöne Landschaft. Er holt den Fotoapparat aus dem Rucksack und richtet ihn zum See, drückt ab. Sie: „Hast du den Objektivdeckel abgenommen?“ Er schaut sie nur an.
Solche Szenen beobachte ich seit vielen Jahren. Warum müssen Frauen ihre Partner ständig kontrollieren, ihnen sagen, was sie zu tun und was sie zu lassen haben? Hie und da gibt es zwar auch Männer, die sich so verhalten, aber mehrheitlich erlebe ich es als eine typisch weibliche Eigenschaft, und die armen Männer dann als resigniert und frustriert.
Jaaaa, ich weiss, wir sind Glucken und wir müssen dafür sorgen, dass es unseren Männern gut geht, sie selbst achten zu wenig auf sich. Aber geht es nicht mit etwas mehr Feingefühl, diplomatischer, so dass sie es nicht merken? Und nur bei wirklich wichtigen Dingen?
Ich weiss, wovon ich rede, denn ich selbst war auch so. Bis mein damaliger Lebenspartner, nachdem er als Folge eines Herzinfarkts in einer Selbsterfahrungsgruppe mitgemacht hatte, bei einer dieser Gelegenheiten ruhig und gefasst zu mir sagte: „Du lässt ab sofort diese Fremdbestimmung bleiben. Sie tut mir nicht gut.“
Ich habe verstanden und es bleiben lassen. Und das will ich auch euch, Frauen (und Männern), ans Herz legen: Lasst euren Partner leben! Vermeidet es, ständig zu kontrollieren, etwas anmerken zu müssen bei den alltäglichen Banalitäten! Seid grosszügig und nachgiebig – so vieles, was wir wichtig nehmen, ist es nicht.
• Ob wir an diesem oder jenem Tisch sitzen…
• Und wenn er etwas sucht, was geht mich das an? Findet er es nicht, wird er mich schon danach fragen.
• Vielleicht mag er die Mütze einfach anbehalten…
• Sollte er tatsächlich den Deckel nicht vom Objektiv genommen haben, naja, dann fehlt dieses Foto halt später… kein Weltuntergang.
Es gibt in Paarbeziehungen genügend echte Herausforderungen, schaffen wir uns nicht noch unbedeutende, unnötige dazu. Und es ist eine gute Schule für uns selbst, uns von solchen Verhaltensmustern – denn nichts anderes sind sie – zu lösen.Artikel teilen auf: