Ich brauche dich!

Unser Partner mag es als Liebesbezeugung verstehen, wenn wir zu ihm sagen: „Ich brauche dich!“ Es kann zudem sein Selbstwertgefühl steigern, er empfindet sich als wichtig – und es vermittelt ihm vielleicht nicht zuletzt auch das Gefühl einer gewissen Macht.

In Wahrheit ist es keine Bezeugung von Liebe, sondern von Bedürftigkeit. Diese stammt von einem Mangel an Liebe, sei es, dass wir in der Kindheit nicht genug davon bekommen haben, sei es, dass sie uns als Erwachsener versagt geblieben ist.
Vor allem zeugt Liebesbedürftigkeit von einem Mangel an Selbstliebe und verhindert ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben. Sind wir nämlich auf die Liebe des anderen angewiesen, werden wir stets alles tun, um diese Liebe zu bekommen und nicht zu verlieren, bis dahin, uns selbst untreu zu werden. Und falls unser Partner unser Dürsten nach Zuwendung erkennt und unsere Abhängigkeit ausnutzt, wird er uns erst recht in allerlei Situationen und Handlungen treiben, die wir in unserem Innersten überhaupt nicht wollen. Glücklich werden wir dabei bestimmt nicht.

Ich weiss, es ist sehr schwierig, diese Abhängigkeit unseres Herzens zu überwinden. Aber glaubt mir, dass es wichtig ist und es sich lohnt, daran zu arbeiten, denn Bedürftigkeit des einen oder gar beider Partner, mit ihren Verlustängsten, ihrer Eifersucht, Abhängigkeit und ihren Machtspielen, ist keine Basis für eine gute, dauerhafte Liebesbeziehung.

Auch wenn wir meinen, nur ein Mensch – nämlich unser gegenwärtiger Partner – könne unseren Liebeshunger stillen, so ist es dennoch einzig die Selbstliebe, die uns wirklich sättigen kann und die auch nie versiegt. Setzt eure Willenskraft und all euren Mut dafür ein, eure Selbstliebe aufzubauen und zu stärken. Auf dieser Website und in meinem Buch zu diesem Thema findet ihr Anregungen und Hinweise, wie ihr das schaffen könnt.

Und wie glücklich werdet ihr sein, wenn ihr eines Tages eurem Partner sagen könnt:
„Ich brauche dich nicht. Aber es ist schön, dass es dich gibt, und ich geniesse jeden Moment, in dem wir zusammen sind.“
Und dazu noch denkt: „Auch jeden, in dem wir nicht zusammen sind.“

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Mein neues Buch über Selbstliebe ist erschienen!

Nachdem ich vor über 20 Jahren zur Erkenntnis gekommen war, dass mir die Selbstliebe und das Selbstwertgefühl fast vollständig fehlten und dies die Ursache für viele meiner Probleme mit den Mitmenschen und für meine perio­disch auftretende, nicht näher definierbare Unzufriedenheit war, begann ich am Aufbau meiner Selbstliebe zu arbeiten.
Selbst einmal darin gefestigt, entwickelte ich auf der Basis meiner eigenen Er­fah­rungen eine Methode zum Aufbau und zur Stärkung der Selbst­liebe, die ich viele Jahre lang in Seminaren und Kursen lehrte. Diese Methode gebe ich nun auch mit diesem Buch weiter.

Buchtitel_Ich_liebe_mich_selbstIch liebe mich selbst und mache mich glücklich
von Karin Jundt
nada-Verlag
ISBN 978-3-907091-04-3
Paperback, 136 Seiten
EUR 17.00 / ca. CHF 23.00

Erhältlich:
• im Buchhandel und in den Online-Shops

Bei diesem Buch handelt es sich um einen übersichtlichen und struk­turierten Leitfaden; er ist wie ein Kurs mit Aufgaben und Übungen aufgebaut, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen. Und entsprechend leicht und locker ist auch die Sprache gehalten.
Darin sind auch mehrere Seiten enthalten, die der Leser wie Kursunterlagen selbst ausfüllen kann und auf die er im Lauf der Lektüre wieder zurückgreifen sollte; deshalb ist dieses Buch auch nicht als E-Book erhältlich, sondern nur in einer Druckversion.

In den ersten Kapiteln habe ich die Grundlagen des Selbstwertgefühls und der Selbst­liebe dargelegt. Der Hauptteil befasst sich mit der Selbstanalyse und der Betrachtung der Verhaltens­muster, die auf ein zu niederes Selbstwertgefühl und eine zu schwache Selbstliebe hinweisen, und zeigt dann den Weg auf, um neue Verhaltensweisen Schritt für Schritt einzuüben und alte hinderliche Muster abzulegen. Wie immer schreibe ich nur über Erkenntnisse und Methoden, die ich selbst erfahren habe und in meinem Alltag praktiziere.
Auch werdet ihr darin viele ermutigende Worte finden, eure Schritte auf diesem Weg der Selbst­bestimmung und Selbst­verwirklichung zu wagen.

Vertiefende Erläuterungen und auflockernde Ge­schichten stehen in separaten Kästen am Ende jedes Kapitels, um den Textfluss nicht zu unterbrechen. Verweise am Seitenrand erleichtern das Auffin­den von verwandten oder ergänzenden Aussagen.

Dieser Wegweiser ist konsequent praxisbezogen. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass gerade im Fall mangelnder Selbstliebe das theoretische Wissen nicht hilft, wenn es nicht mit konkreten, anwend­baren Anleitungen zur Selbstveränderung ergänzt wird. Wir entwickeln uns schliesslich nicht allein dadurch, dass wir etwas wissen, sondern erst wenn wir dieses Wissen auch nutzen und umsetzen. Das ist Bildung im wahren Sinn des Wortes: Wir bilden unsere Persönlichkeit und unseren Charakter, wir gestalten unser Leben und unser Schicksal.
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Noch eine Bitte: Falls euch das Buch gefällt und euch auf eurem Weg zu mehr Selbstliebe unterstützt, wäre es für mich sehr hilfreich, wenn ihr eine Bewertung/Rezension in einem oder mehreren Online-Shops abgebt. Vielen Dank!

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Lebensmüde

„Fast immer weiss man innerhalb der ersten zwei Wochen, ob eine Ehe funktionieren wird. Es ist erstaunlich, wie viele Leute über Jahre, gar Jahrzehnte, in einem sich hinziehenden gegenseitigen Zustand der Selbsttäuschung und falscher Hoffnung gefangen bleiben…“, sagt eine Frau im Roman „And the Mountains Echoed“ von Khaled Hosseini (deutsche übersetzung dieser Textpassage aus dem Englischen von mir).

Tatsächlich verharren manche Menschen in einer unglücklichen Liebesbeziehung oder in einer anderen bedrückenden Lebenssituation, obwohl sie im Grunde wissen, dass es keine Hoffnung auf eine Verbesserung gibt. Aber sie finden den Mut nicht, sich daraus zu befreien.

In dieser Lage, in der sich Menschen hoffnungslos und ohnmächtig zugleich fühlen, verlieren sie die Lebensfreude – sie werden im wahren Sinne des Wortes lebensmüde. In den letzten Jahren konnte ich dies bei mehreren Menschen in meinem Umfeld beobachten und davon erzähle ich euch heute.
Ich will vorausschicken, dass es nie um objektive Gründe geht. Eine Situation, in welcher der eine absolut unglücklich ist, kann für einen anderen durchaus erträglich oder sogar angenehm sein. Deshalb dürfen wir als Aussenstehende die jeweile Lage niemals bewerten – das einzige, was zählt, ist, wie der Betroffene sich fühlt.

In der milderen Form äusserst sich diese Lebensmüdigkeit buchstäblich in Müdigkeit. Ich selbst erlebte es im Alter von etwa 19 Jahren, als ich mich in einer Beziehung befand, die mich nicht erfüllte. Damals war ich naiv und unwissend und realisierte nicht, dass mein ständiger Wunsch zu schlafen – tagsüber in meiner Freizeit, die ich eigentlich mit meinem Freund hätte verbringen sollen – nichts anderes ausdrückte als meine Müdigkeit mit der Situation.
Das gleiche Phänomen ist mir bei zwei Frauen Mitte 30 aufgefallen, die beide in einer schwierigen Ehe steckten. Bei der einen erzählte mir ihr Ehemann davon: „Sie hat ja nun wirklich keinen anstrengenden Job und nur halbtags. Aber wenn ich am Abend nach Hause komme, ist sie lustlos, müde. Auch am Wochenende verbringt sie die meiste Zeit mit Schlafen.“ Er bemühte sich erfolglos sie „wachzurütteln“, indem er Ausflüge und Ferien plante, sie zum Ausgehen motivieren wollte. Mir war klar, dass sie mit ihm nicht glücklich war – obwohl er ein lieber, einfühlsamer Mann ist, so ist er doch eher einfältig und ihr intellektuell weit unterlegen, sie konnte mit ihm nicht über Gott und die Welt diskutieren, was ihr sehr wichtig gewesen wäre. Inzwischen hat der Mann sich von ihr getrennt, und beiden geht es jetzt wesentlich besser.
Die andere Frau, die ihre Freizeit hauptsächlich schlafend verbrachte, befand sich mit ihrem Mann in einer ähnlichen Situation, wobei es bei ihr eher darum ging, dass er verschlossen war und ihr nie erzählte, was ihn gerade beschäftigte, obwohl sie ihm anmerkte, dass etwas nicht stimmte. Die Frau trennte sich von ihm, lebte einige Jahre allein, und nach einer längeren Paartherapie haben die beiden inzwischen wieder zusammengefunden.

Zwei Männer kenne ich ich, bei denen die Unzufriedenheit mit ihrer Lebenssituation in eine tiefe Depression führte. Bei beiden waren die Hintergründe sowohl auf den Beruf als auch auf die Liebesbeziehung zurückzuführen. Der eine sagte einmal zu mir, nachdem er sich von seiner Partnerin getrennt und die Arbeitsstelle gewechselt hatte und wieder mit Freude lebte: „In jener Zeit ging ich manchmal über die Strasse und dachte, dass es mir egal, fast willkommen wäre, wenn mich jetzt ein Auto überführe.“

Alle diese Geschichten zeigen, wie Menschen in unglücklichen Lebensumständen sich gewissermassen selbst aufgeben. Obwohl ihre Situation alles andere als aussichtslos ist, empfinden sie diese so und fühlen sich ohnmächtig, weil sie den Mut, die Kraft nicht haben, etwas zu ändern.

Es ist immer schwierig, einen entscheidenden Schritt in eine ungewisse Zukunft zu wagen. Aber ich will euch einmal mehr ermutigen, euer Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und zitiere einmal mehr eine meiner liebsten Lebensweisheiten:

Ich verändere, was ich verändern kann; ich akzeptiere mit Gelassenheit, was ich nicht verändern kann; und ich bemühe mich aufrichtig darum, das eine vom anderen zu unterscheiden.

(Siehe zu diesem Thema auch meinen Artikel „Ängste statt Wünsche?“ auf meiner Website Karma Yoga.)

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Wünsche zum Jahreswechsel

Ein beeindruckendes Gebet von Theresa von Avila (1515-1582), das für die heutigen Menschen genau so aktuell ist.

Herr,

du weisst besser als ich, dass ich von Tag zu Tag älter werde und eines Tages alt.

Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit etwas sagen zu müssen.

Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich nachdenklich, aber nicht grüblerisch, und hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein.

Bei meiner ungeheueren Ansammlung von Weisheit erscheint es mir schade, sie nicht weiterzugeben, aber Du verstehst, o Herr, dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.

Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu kommen.

Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu, und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehn, mir Krankheitsschilderungen anderer mit Freude anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen.

Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann. Erhalte mich so liebenswert wie möglich.

Ich möchte kein Heiliger sein – mit ihnen lebt es sich so schwer –, aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.

Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken, und verleihe mir, o Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.

Amen

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Liebe, Paarbeziehung und Selbstliebe

Fragt man einen Mann oder eine Frau, warum er/sie sich in den jeweiligen Partner verliebt habe, erhält man alle möglichen Antworten, von „schönen Augen“ über „sexy“ bis zu „einfach Liebe auf den ersten Blick“. Alles Erklärungen, die wir uns zurechtbasteln.
In Wahrheit beruht unser Paarungsverhalten offenbar auf dem Geruch wie bei vielen Tieren, obwohl wir diesen nicht bewusst wahrnehmen. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass wir uns von demjenigen Partner angezogen fühlen, der sich genetisch stark von uns selbst unterscheidet, weil dadurch die grösstmögliche Gesundheit der Nachkommen gewährleistet ist. (Eine kurze Erläuterung dazu findet ihr auf Wikipedia).

Bei Männern kann ich es schlecht beurteilen, aber bei Frauen ist es mir schon oft aufgefallen: Wenn eine Frau im gebärfähigen Alter ist und sich ein Kind wünscht, wählt sie den Partner offenbar instinktiv im Hinblick auf die Kinder, wie oben erwähnt, und nicht gemäss den Eigenschaften, die für sie persönlich zu einer guten Paarbeziehung beitragen. Oder habt ihr euch nicht auch schon darüber gewundert, wieso „diese Frau“ mit „diesem Mann“ zusammen ist?
Später, wenn die gesunden Nachkommen auf der Welt sind, beginnt die Frau dann all das zu vermissen, was für sie zu einer befriedigenden Partnerschaft gehört – oder allgemeiner ausgedrückt, zu einem befriedigenden Leben. Je nachdem wie stark ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstliebe sind, geht sie unterschiedlich damit um: Sie bleibt, nicht selten der Kinder zuliebe, bei ihrem Mann, gestaltet sich aber ihr eigenes Leben nach ihren Vorstellungen; oder sie wählt den vermeintlich einfachsten Weg, trennt sich und sucht sich einen neuen Partner, den sie für geeigneter hält; oder sie traut sich nicht, etwas an ihrem Leben zu ändern, vielleicht auch aus religiösen oder moralischen Überzeugungen oder weil sie so erzogen wurde oder weil ihr Mann zu dominant ist, und leidet zunehmend unter der Situation.

Ich erzähle euch jetzt von zwei Frauen, die offenbar einen Mann geheiratet haben, der wahrscheinlich genetisch, nicht aber bezüglich der anderen Werte zu ihnen passte, und wie sie damit umgegangen sind. Bewusst enthalte ich mich eines Kommentars, es geht nicht darum die Eigenschaften des einen gegen diejenigen des anderen Partner zu beurteilen, denn jeder hat das Recht, auf seine Weise glücklich zu sein – das Problem besteht ja lediglich darin, dass zwei unterschiedliche Charaktere und Lebensauffassungen aufeinander prallen.

Jeanine* ist eine lebensfrohe, temperamentvolle, extrovertierte, emotionale, vielseitig interessierte Frau. Ihr Mann ruhig, wortkarg, geizig mit sich selbst und anderen, er legt keinen Wert auf Genuss und Vergnügen, er braucht nichts weiter als seine Frau und die beiden Kinder und seinen Beruf im sozialen Bereich.
Die beiden waren erst wenige Jahre verheiratet, die beiden Kinder schon da, als Jeanine eine Affäre mit einem anderen Mann begann. Als die Geschichte aufflog, beendete sie sie. Drei Jahre später verliebte sie sich ernsthaft in einen anderen Mann und beschloss, es ihrem Ehemann zu gestehen. Sie sagte ihm, dass sie die Familie nicht verlassen wolle, aber auch nicht auf die aussereheliche Beziehung verzichten. Ihr Ehemann akzeptierte es – ob aus selbstkritischer Einsicht, dass seine Frau es für ihr Glück einfach brauchte, oder aus Angst, sie ganz zu verlieren, weiss ich nicht.

Silvia* war schon über zwanzig Jahre mit ihrem Mann verheiratet, als sie durch neue Freunde erst auf die Erkenntnis kam, dass sie sich ihm während der ganzen Ehe völlig unterworfen und ihre eigene Persönlichkeit aufgegeben hatte – weil sie so erzogen worden war, erzählte sie mir. Sie hatte überhaupt kein Eigenleben geführt, war ununterbrochen mit ihm zusammen, machte, was er wollte, und hatte auf ihre individuellen Bedürfnisse und Neigungen vollständig verzichtet; sie lebte die Erwartungen, die er in sie setzte, sagte sie, und diese Selbstverleugnung führte dazu, dass sie missmutig, zynisch, unausstehlich wurde. Denn vom Charakter her sind die beiden ähnlich verschieden wie die oben beschriebene Jeanine und ihr Mann. Er nimmt sie kaum wahr, es findet kein Austausch zwischen den beiden statt, er versteht ihre Begeisterungsfähigkeit für das Schöne nicht.
Nach dieser Erkenntnis und unter dem sanften Druck dieser Freunde begann sie langsam, sich harmlose Freiheiten herauszunehmen. Und wenn ich harmlos sage, dann meine ich es! Sie chattete beispielsweise in einem Internet-Forum und weigerte sich, ihrem Mann den Chat zu zeigen – was er überhaupt nicht goutierte.
Als sie letzte Weihnachten auf seine Frage, was sie sich wünsche, antwortete: „Eine neue Spülmaschine“, meinte er lakonisch: „Die alte tuts doch noch“ – obwohl sie eine Menge Macken hatte und keinen sauberen Dienst mehr tat. Sie nahm all ihren Mut zusammen und kaufte selbst eine neue, von ihrem eigenen Geld wohlverstanden, denn sie ist berufstätig und verdient gut.
Sie will sich von ihrem Mann nicht trennen, noch nicht, wie sie sagt, sie hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich etwas ändern könnte…

Wie ich weiter oben sagte: Unser Selbstwertgefühl ist massgeblich dafür verantwortlich, wie wir mit unbefriedigenden Lebenssituationen umgehen. Ob wir den Mut haben, etwas daran zu ändern – in welcher Art auch immer – oder nicht, ob unsere Angst vor der Zukunft, vor dem Alleinsein, vor der Veränderung uns daran hindert. Aber auch ob wir stark genug sind, in der schwierigen Lage so zu uns selbst zu stehen, dass wir uns auch darin verwirklichen und glücklich werden können.

* alle Namen aus Diskretionsgründen geändert

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Szenen einer Ehe

Neulich war ich ein paar Tage in den Bergen zum Wandern. Da ich allein war, ergab es sich zwangsläufig, dass ich bei verschiedenen Gelegenheiten die Gespräche anderer Menschen mitbekam.

• Ein Ehepaar mittleren Alters betritt gemeinsam den Früstücksraum, der aus einem halben Dutzend Tischen besteht, alle an der grossen Fensterfront, keiner besser als der andere. Er holt zwei Gläser Saft und stellt sie auf einen Tisch, dann füllt er verschiedene Brötchen und Brotscheiben ins Brotkörbchen und geht ebenfalls zum Tisch. In dieser Zeit hat sie am Buffet ihren Teller gefüllt und will gerade einen Tisch ansteuern, als sie realisiert, dass er bereits Sachen auf einen anderen Tisch gestellt hat. „Komm rüber an diesen Tisch, der ist schöner“, ruft sie ihm zu. „Aber… ich habe doch schon…“, erwidert er. Sie fällt ihm ins Wort: „Nein, bring die Sachen hierher, der ist schöner.“

• Am nächsten Tag im Frühstücksraum. Ein anderes Ehepaar, etwas älter, steht am Buffet und füllt die Teller. Da greift er in seine grosse Westentasche. Sie bemerkt es augenblicklich und fragt: „Was suchst du?“ Er antwortet nicht, wühlt in der anderen Westentasche. „Was suchst du denn?“, wiederholt sie leicht ungehalten. „Nichts“, antwortet er schliesslich, während er die Hand aus der Tasche zieht und sich zum Tisch begibt. Sie lässt nicht locker: „Doch, du hast doch etwas gesucht!“ Er schüttelt den Kopf und schweigt.

• Später Nachmittag, auf einer Bank am Wanderweg, ein Paar mittleren Alters setzt sich neben mich. Sie zu ihm: „Du kannst die Mütze jetzt ausziehen, die Sonne ist nicht mehr so stark.“ Er reagiert nicht und behält die Mütze auf dem Kopf.

• Am Seeufer, traumhaft schöne Landschaft. Er holt den Fotoapparat aus dem Rucksack und richtet ihn zum See, drückt ab. Sie: „Hast du den Objektivdeckel abgenommen?“ Er schaut sie nur an.

Solche Szenen beobachte ich seit vielen Jahren. Warum müssen Frauen ihre Partner ständig kontrollieren, ihnen sagen, was sie zu tun und was sie zu lassen haben? Hie und da gibt es zwar auch Männer, die sich so verhalten, aber mehrheitlich erlebe ich es als eine typisch weibliche Eigenschaft, und die armen Männer dann als resigniert und frustriert.
Jaaaa, ich weiss, wir sind Glucken und wir müssen dafür sorgen, dass es unseren Männern gut geht, sie selbst achten zu wenig auf sich. Aber geht es nicht mit etwas mehr Feingefühl, diplomatischer, so dass sie es nicht merken? Und nur bei wirklich wichtigen Dingen?

Ich weiss, wovon ich rede, denn ich selbst war auch so. Bis mein damaliger Lebenspartner, nachdem er als Folge eines Herzinfarkts in einer Selbsterfahrungsgruppe mitgemacht hatte, bei einer dieser Gelegenheiten ruhig und gefasst zu mir sagte: „Du lässt ab sofort diese Fremdbestimmung bleiben. Sie tut mir nicht gut.“

Ich habe verstanden und es bleiben lassen. Und das will ich auch euch, Frauen (und Männern), ans Herz legen: Lasst euren Partner leben! Vermeidet es, ständig zu kontrollieren, etwas anmerken zu müssen bei den alltäglichen Banalitäten! Seid grosszügig und nachgiebig – so vieles, was wir wichtig nehmen, ist es nicht.
• Ob wir an diesem oder jenem Tisch sitzen…
• Und wenn er etwas sucht, was geht mich das an? Findet er es nicht, wird er mich schon danach fragen.
• Vielleicht mag er die Mütze einfach anbehalten…
• Sollte er tatsächlich den Deckel nicht vom Objektiv genommen haben, naja, dann fehlt dieses Foto halt später… kein Weltuntergang.

Es gibt in Paarbeziehungen genügend echte Herausforderungen, schaffen wir uns nicht noch unbedeutende, unnötige dazu. Und es ist eine gute Schule für uns selbst, uns von solchen Verhaltensmustern – denn nichts anderes sind sie – zu lösen.

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Das Leben hat immer recht

Diesen Satz habe ich gestern gehört. Am liebsten würde ich ihn mir gross an jede Wand meiner Wohnung malen, damit ich ihn ständig sehe. Wenn ich traurig bin, deprimiert, wütend, frustriert, entmutigt, sorgenvoll… wenn Sehnsüchte mich verzehren, Ängste mich quälen… wenn alles schief läuft… wenn ich nicht weiss, wie es weitergeht… aber auch wenn ich glücklich bin, hoffnungsvoll…
Ich will immer daran erinnert werden – denn so schnell vergessen wir es –, dass jeder Moment meines Lebens genau so ist, wie er sein soll, dass es immer gut ist, wie es gerade ist. Und dass es immer noch besser wird.

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Was am meisten wehtut

Sofia*, eine Freundin von mir, lernte vor gut einem Jahr einen Mann kennen; es war von beiden Liebe auf den ersten Blick, eine grosse Liebe. Allerdings waren seitens des Mannes die Voraussetzungen für eine glückliche Beziehung nicht gegeben. Sofia war sich dessen sofort bewusst, doch sie wollte nicht von vornherein aufgeben, ohne es wenigstens versucht zu haben.

Vor ein paar Tagen erzählte sie mir, dass sie sich getrennt hätten, in beiderseitigem Einvernehmen wie man so schön sagt, weil ihre Beziehung einfach keine Zukunft hatte. Sie war traurig und niedergeschlagen. Dann flackerte in ihren Augen aber plötzlich Wut auf und sie sagte: „Weisst du, was neben dem Trennungsschmerz am meisten wehtut? Die Reaktion meiner Familie und meiner Freunde, als ich ihnen mitteilte, meine Beziehung sei zu Ende. Meine Schwester sagte: ‚Das habe ich früher oder später erwartet‘. Meine Mutter: ‚Du wusstest doch selbst, dass es nicht gut gehen konnte‘. Meine beste Freundin: ‚Nach meiner Erfahrung gehen solche Beziehungen immer schlecht aus.‘ Weisst du, wie weh das tut? Die Menschen, die mir am nächsten sind, finden keine tröstenden Worte, sondern machen mir gewissermassen Vorwürfe, dass ich mich überhaupt auf diese grosse Liebe eingelassen habe!“

Jaaaa, wie gerne demonstrieren wir doch den anderen, dass wir weiser sind als sie, dass wir eine Situation treffender eingeschätzt haben.
Wie schnell kommt uns über die Lippen: „Ich hatte es dir doch gesagt!“
Wie viel liegt uns doch daran, anderen unsere Überlegenheit zu zeigen, sie zurechtzuweisen.

Dies ist eine Verhaltensweise, die von einem Mangel an Selbstwertgefühl zeugt. Andernfalls haben wir es nicht nötig, unsere vermeintliche Überlegenheit zur Schau zu stellen.
Selbst wenn wir in einer Situation wie der oben geschilderten denken „Ich wusste es doch!“, brauchen wir es nicht zu sagen und den anderen dadurch zu erniedrigen.
Mitfühlen, trösten, aufbauen – das zeugt von einer gesunden Selbstliebe.
Denn wie sagt man so schön? Nur wenn wir uns selbst lieben, können wir andere lieben und ihnen in jeder Situation liebevoll begegnen.

* Name aus Diskretionsgründen geändert.

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Es grated nöd ales und es verheit nöd ales

Das Obst, vor allem meine Frühstücksäpfel, kaufe ich immer bei einem Obstbauern in meiner Nähe, der Kirsch-, Birn-, Apfel-, Zwetschgenplantagen und Rebberge besitzt und auch Beeren anpflanzt.

Als die Obstbäume bereits Knospen entwickelt hatten, dieses Jahr dank dem milden Winter und dem sonnigen Frühjahr rund zwei Wochen früher als sonst, gab es doch wieder einige frostige Nächte. Ich fragte die Bäuerin, ob das den Bäumen nun geschadet habe und sie dieses Jahr deshalb mit Ernteeinbussen rechne.
Sie antwortete mir, dass es jedes Jahr, einmal hier, einmal dort, Schäden gebe, sei es nun Frost, später Schnee, Hagel, zu viel oder zu wenig Regen…

Und sie fügte einen wunderbaren Satz hinzu, der nicht nur für Bauern, sondern für uns alle und alles im Leben gilt: „Es gratet nöd ales und es verheit nöd ales“ (Es gelingt nicht alles und es misslingt nicht alles).

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Loslassen und annehmen oder selber bestimmen?

Patrick* ist ein enger Freund von mir, den ich seit zwei Jahrzehnten kenne. Und seit ich ihn kenne, lebt er mit einer Frau zusammen, die ihm das Leben zur Hölle macht, je länger je mehr.
Sie lässt keine Gelegenheit aus, ihn zurechtzuweisen, auf erniedrigende Art, sie behandelt ihn wie einen Hund, nie hat sie ein gutes Wort, eine liebevolle Geste für ihn, man hat manchmal den (keinesfalls aus der Luft gegriffenen) Eindruck, sie wünsche ihm den Tod. Warum sie sich nicht von ihm trennt, wenn er ihr doch so zuwider ist? Ich weiss es nicht. Vielleicht braucht sie jemanden, nach dem sie treten kann. Aber das ist ihre Sache, auch kenne ich sie nicht gut genug, um mir ein Urteil anzumassen.

Warum er sich nicht von ihr trennt, obwohl er leidet, das beschäftigt mich. Und darüber diskutiere ich mit Patrick auch schon seit Jahrzehnten immer wieder einmal. Meistens in Zeiten, in denen ich gerade eine wichtige Entscheidung fällen will, um eine für mich nicht erträgliche Situation zu ändern. Da prallen dann unsere Meinungen aufeinander.

Er meint, ich könne zu wenig annehmen, ich wolle immer selber meinen Lebensweg lenken, „dreinpfuschen“ nennt er es zuweilen, ich hätte zu wenig Geduld, um den Dingen ihren Lauf zu lassen, und zu wenig Urvertrauen, dass die Höheren Mächte schon alles so regeln, wie es für alle Beteiligten das Beste ist.

Ich entgegne, meine Devise sei „Hilf dir selbst, dann hilf dir Gott“, wir dürften nicht einfach die Hände in den Schoss legen und darauf warten, dass die Dinge von aussen für uns geregelt werden, Leben bedeute auch Entscheidungen zu treffen, dazu hätten wir doch den freien Willen, und wir hätten die Pflicht aktiv mitzuwirken. Meistens füge ich irgendwann noch an: „Und ich verstehe nicht, warum du dich nicht von deiner Freundin trennst, warum du dir all das gefallen lässt, wo bleibt denn deine Würde als Mensch?“

Worauf er mir zum x-ten Mal erklärt, dass seine Situation ja kein Zufall sei, er sei dieser Frau begegnet, weil er etwas lernen müsse, ja, es sei unangenehm, aber aus den unangenehmen Situationen lernten wir schliesslich, wir dürften nicht immer ausweichen, fliehen, kaum dass uns etwas nicht passt.

Und nach einer halben Stunde oder so beenden wir dann unser Gespräch jeweils mit den Worten „Du hast deine Meinung, ich meine, das ist gut so, jeder von uns muss das tun, was er für sich als richtig spürt“, und wir bleiben die guten Freunde, die wir seit Jahrzehnten sind.

Tatsächlich ist es ja so. Was für ihn stimmt, muss für mich stimmen, und umgekehrt. Jeder von uns hat seinen ganz eigenen Lebensweg, seine ganz eigenen Aufgaben in diesem Leben – und jeder kann nur für sich selbst, in seiner Seele, spüren, welcher Weg der richtige ist.

Die Selbstbestimmung ist übrigens auch das Thema meines unmittelbar vorangehenden Artikels mit gleichem Datum.

* Name aus Diskretionsgründen geändert.

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