„Du musst dich nicht rechtfertigen, …

… wenn du etwas nicht so gut kannst“, sagte die Joggerin zu ihrem Partner, während sie an mir vorbeizogen. Mehr von ihrem Gespräch konnte ich nicht aufschnappen, sie liefen zu schnell (und ich fragte mich, wie sie dabei noch so locker plaudern konnten).

Recht hat die Frau. Warum geben wir jeweils Erklärungen ab – entschuldigen uns manchmal gar –, wenn wir körperlich nicht so gut in Form sind? Oder nicht so stark im Rechnen? Oder schlecht bügeln und kochen? Die Rechtschreiberegeln nicht beherrschen? Keinen Nagel in die Wand schlagen können?

Abgesehen davon, dass niemand alles kann, sind die Talente zuweilen scheinbar ziemlich „ungerecht“ verteilt. Schon Jesus erzählte die Parabel der verschiedenen Talente (Matthäus 25,14ff.), ich habe sie auf dieser Website schon einmal erzählt.
Bevor er sich zu einer Reise aufmachte, gab ein Mann seinen drei Knechten einen, zwei und fünf Goldanteile zum Verwalten; er verteilte sein Vermögen also of­fenbar ungerecht. Als er zurückkehrte, erwartete und verlangte er al­lerdings auch nicht, dass alle drei gleich viel aus ihrem Startkapital gemacht hätten.

Die Moral dieser Geschichte: Wir sollen nutzen, was wir be­sitzen. Mit anderen Worten, tun, was unseren An­lagen, un­seren Fähigkeiten und unserer Kraft entspricht. Das ist ausreichend, mehr können wir nicht leisten. In diesem Sin­ne dürfen wir keinesfalls bedauern oder gar ha­dern, wenn wir nicht so gross, so stark, so schön, so intelligent sind wie andere – nehmen wir uns an, wie wir sind, mit unseren Stärken und unseren Schwächen. Und rechtfertigen oder entschuldigen wir uns nie dafür.

Stellen wir unser Licht aber auch nicht unter den Scheffel – um ein anderes Wort aus dem Neuen Testament zu zitieren. Wir sollen unsere Fähigkeiten und Stärken nicht abwerten, wir dürfen zu dem stehen, was wir gut können. Und würdigt es jemand, brauchen wir es nicht kleinzureden, sondern dürfen uns selbstbewusst am Kompliment erfreuen.

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Selbstbewusstsein: Verändert eure äussere Erscheinung!

Nein, ich meine damit nicht, wir sollten etwas für unsere Schönheit tun, eine neue Frisur, Sexy-Kleidung und solche Dinge. Das verbessert die Selbstsicherheit und das Selbstwertgefühl nicht anhaltend, wie ich schon in einem anderen Artikel erörtert habe.

Es geht mir vielmehr um die Wechselwirkung zwischen Körper und Geist. Der Körper widerspiegelt unser Denken und Fühlen. Wie Albert Schweitzer sag­te: „Mit 20 hat jeder das Gesicht, das Gott ihm ge­geben hat, mit 40 das Gesicht, das ihm das Le­ben gegeben hat, und mit 60 das Gesicht, das er verdient.“
Im Körper ist nicht so sehr gespeichert, was wir erlebt haben, sondern wie wir damit umgegangen sind. Es gibt Menschen, die mehrere schwere Schicksalsschläge erfahren mussten und deren Gesicht dennoch einen heiteren, offenen, zuversichtlichen Ausdruck zeigt. Und es gibt Menschen, denen man die Verbitterung von Weitem ansieht – obwohl ihnen im Leben nichts wirklich Schlimmes widerfahren ist.
Nicht nur das Gesicht verrät einiges über unsere innere Welt; besonders deutlich zeigt sich ein Mangel an Selbst­bewusstsein und Selbstsicherheit in der Körperhaltung.
Wir können so weit gehen zu sagen, dass alles, was wir je erlebt haben, selbst wenn wir uns bewusst nicht mehr da­ran erinnern, wie ein Abdruck in uns geprägt ist, auf der mentalen und der emotionalen Ebene, aber auch, wie Wissenschaftler glauben, in jeder Körperzelle, in den Genen. Letzteres haben Experimente mit Tieren bewiesen: Während des Lebens erfahrene und gelernte Inhalte wurden auf genetischem Weg an die Nachkommen weitergegeben.
Das bedeutet: Der Körper vergisst nichts, kein Gedanke, keine Emotion, keine Sinneswahrnehmung. Was wir heute sind, entspricht unserer vollständigen bisherigen Le­bens­geschichte.

Es ist uns meistens weniger bewusst, aber wie der Geist auf den Körper wirkt, so beeinflusst auch der Körper den Geist. Ändern wir die äußere Haltung, so wandelt sich auch die in­nere. Darauf beruhen körperorientierte psychologische Therapieformen, Tanz- und Bewegungs­thera­pien, die Kinesiologie und weitere Methoden.
In der Regel ist es für uns einfacher, mit dem Körper zu arbeiten, als innere Einstellungen zu ändern. Oft wissen wir auch nicht (mehr), woher unsere traurigen Augen, die eingezogenen Schultern stammen, und können deshalb nicht auf der psychischen Ebene einwirken. Auf dieses Wissen sind wir jedoch nicht angewiesen; es kann sich, im Gegenteil, sogar kontraproduktiv auswirken, wenn wir negative oder traumatische Ereignisse wieder an die Oberfläche ho­len – und die Vergangenheit lässt sich oh­nehin nicht mehr ändern.
Es geht also darum, unseren Körper, wie er gegenwärtig ist, zu betrachten und eine neue Haltung einzuüben, die Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit ausdrückt. Wir ge­winnen diese Eigenschaften nicht allein dadurch, dass wir unser Äußeres ändern. Doch eine selbstbewusste Ausstrahlung unterstützt die übrigen Bemühungen, einerseits; an­drerseits begegnen uns die Mitmenschen mit mehr Respekt und neigen weniger dazu, uns zu erniedrigen, zu dominieren oder auszunutzen, was es uns wiederum erleichtert, tatsächlich selbst­bewusst auf sie zuzugehen.

Ich schlage euch zwei einfach Übungen vor, um auf der körperlichen Ebene an eurem Selbstwertgefühl zu arbeiten.

1. Schaut euch einmal euer Gesicht im Spiegel an.
• Was drückt es aus? Traurigkeit, Enttäuschung, Unsicherheit, Überheblichkeit, …?
• Worin genau erkennt ihr diese Eigenschaften? Heruntergezogene Mundwinkel, gepresste Lippen, zusammengekniffene Augen, hochgezogene Brauen, tiefe Stirnfalten, …?
• Verändert dann vor dem Spiegel bewusst und willentlich die dafür verantwortlichen Stellen des Gesichts: lächeln, die Lippen entspannen, locker in die Ferne schauen, alle Muskeln loslassen, … Achtet bei dieser Übung darauf, dabei an etwas Erfreuliches zu denken oder euch ein liebliches, schönes Bild (eine Blume, eine Landschaft, ein lachendes Kindergesicht) vor euer inneres Auge zu holen, vielleicht auch heitere Mu­sik zu hören.
• Prägt euch diesen neuen Gesichtsausdruck jetzt mit ge­schlossenen Augen ein, spürt gut, wie er sich anfühlt, und merkt euch diese Empfindung. Übt ihn über einen längeren Zeitraum täglich mindestens einmal vor dem Spiegel und seid im Alltag achtsam, ihn wieder einzunehmen, wenn ihr merkt, dass der alte zurückgekehrt ist.

2. Schaut eure Körperhaltung im Spiegel an, frontal und von der Seite.
• Was drückt sie aus? Niedergeschlagenheit, Angst, Trägheit, Tendenz sich zu ducken, zu un­terwerfen, auszuweichen, …?
• Worin genau erkennt ihr diese Eigenschaften? Gesenkter Kopf, ein- oder hochgezogene Schultern, zu breiter oder zu schmaler Stand, rückwärts ­geneigter Oberkörper, schlaffe Haltung, gebeugter Rü­cken, …?
• Verändert dann vor dem Spiegel bewusst und willentlich eure Haltung, sodass ihr aufrecht, locker und entspannt (aber nicht träge) steht und den Blick geradeaus richtet, nicht nach unten. Ein Tipp: Um den Körper aufzurichten, hebt das Brustbein an; das ist besser, als den Kopf oder das Kinn anzuheben oder die Schultern nach hinten zu ziehen. Achtet bei dieser Übung darauf, dabei an etwas Erfreuliches zu denken oder euch ein liebliches, schönes Bild (eine Blume, eine Landschaft, ein lachendes Kindergesicht) vor euer in­ne­­­res Auge zu holen, und vielleicht auch heitere Musik zu hören.
• Prägt euch diese neue Haltung jetzt mit geschlossenen Augen ein, spürt gut, wie sie sich anfühlt, und merkt euch diese Empfindung. Übt sie über einen längeren Zeitraum täglich mindestens einmal vor dem Spiegel und seid im Alltag achtsam, sie wieder einzunehmen, wenn ihr merkt, dass die alte zurückgekehrt ist.

Denkt daran: Euer Gesichtsausdruck und eure Körperhaltung haben sich über Jahrzehnte gebildet. Es wird Monate oder Jahre dauern, bis die neuen zu euren „normalen“ werden. Aber jedes Mal, wenn ihr willentlich einen anderen Gesichtsausdruck, eine andere Haltung einnehmt, trägt ihr zu dieser äußeren Wandlung bei. Und, noch viel bedeutsamer, zur inneren.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus Kapitel 5 meines Buches „Ich liebe mich selbst 2“.

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Oder?

„Heute ist Mittwoch, oder?“
„Die Theateraufführung gestern Abend hat kaum den Erwartungen entsprochen, nicht wahr?“
„Die erste Mondlandung war 1969, oder nicht?“
Warum suchen wir die Bestätigung, dass was wir sagen, richtig ist, obwohl wir uns dessen sicher sind oder es unsere persönliche Meinung wiedergibt?

Auch berufen wir uns gerne auf andere oder zitieren sie:
„…………, sagt meine Freundin.“
„Ich habe gelesen, dass ……….“
„Ein bekannter Philosoph ist davon überzeugt, dass ……..“
Warum müssen wir unsere Ansicht untermauern, indem wir belegen, dass andere sie teilen?

Meine italienischen Texte lasse ich manchmal von einer Bekannten überprüfen. Sie – eine italienische Lehrerin! – traut sich jeweils kaum, meine Fehler zu korrigieren: Jede Korrektur, die sie mir angibt, leitet sie ein mit „Ich glaube, dass“ oder beendet den Satz mit „aber ich bin nicht ganz sicher“. Dabei beherrscht sie die Sprache perfekt und ist sich sicher!

Alle diese Verhaltensweisen verraten einen Mangel an Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein. Warum wagen wir es nicht, zu dem zu stehen, was wir wissen und können, und zu unserer Meinung? Warum stellen wir unser Licht so oft unter den Scheffel?

Lassen wir doch einfach alle „oder“, „nicht wahr“, „oder nicht“ weg und hören wir auf, andere zur Bestätigung unserer Aussagen zu zitieren!
Ich sage das und das. Ist jemand der Meinung, es sei falsch, oder teilt meine Ansicht nicht, kann er sich ja dazu äussern. Auch brauchen wir uns dann nicht kritisiert oder zurechtgewiesen zu fühlen, haben wir tatsächlich einmal etwas Unrichtiges gesagt. Niemand ist perfekt, wir alle machen Fehler! Aber gewissermassen vorzubeugen, indem wir unsere eigenen Aussagen in Frage stellen oder relativieren, ist unserem Selbstwertgefühl nicht förderlich. Haben wir den Mut zu uns selbst zu stehen!

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Mein neues Buch über Selbstliebe ist erschienen!

Nachdem ich vor über 20 Jahren zur Erkenntnis gekommen war, dass mir die Selbstliebe und das Selbstwertgefühl fast vollständig fehlten und dies die Ursache für viele meiner Probleme mit den Mitmenschen und für meine perio­disch auftretende, nicht näher definierbare Unzufriedenheit war, begann ich am Aufbau meiner Selbstliebe zu arbeiten.
Selbst einmal darin gefestigt, entwickelte ich auf der Basis meiner eigenen Er­fah­rungen eine Methode zum Aufbau und zur Stärkung der Selbst­liebe, die ich viele Jahre lang in Seminaren und Kursen lehrte. Diese Methode gebe ich nun auch mit diesem Buch weiter.

Buchtitel_Ich_liebe_mich_selbstIch liebe mich selbst und mache mich glücklich
von Karin Jundt
nada-Verlag
ISBN 978-3-907091-04-3
Paperback, 136 Seiten
EUR 17.00 / ca. CHF 23.00

Erhältlich:
• im Buchhandel und in den Online-Shops

Bei diesem Buch handelt es sich um einen übersichtlichen und struk­turierten Leitfaden; er ist wie ein Kurs mit Aufgaben und Übungen aufgebaut, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen. Und entsprechend leicht und locker ist auch die Sprache gehalten.
Darin sind auch mehrere Seiten enthalten, die der Leser wie Kursunterlagen selbst ausfüllen kann und auf die er im Lauf der Lektüre wieder zurückgreifen sollte; deshalb ist dieses Buch auch nicht als E-Book erhältlich, sondern nur in einer Druckversion.

In den ersten Kapiteln habe ich die Grundlagen des Selbstwertgefühls und der Selbst­liebe dargelegt. Der Hauptteil befasst sich mit der Selbstanalyse und der Betrachtung der Verhaltens­muster, die auf ein zu niederes Selbstwertgefühl und eine zu schwache Selbstliebe hinweisen, und zeigt dann den Weg auf, um neue Verhaltensweisen Schritt für Schritt einzuüben und alte hinderliche Muster abzulegen. Wie immer schreibe ich nur über Erkenntnisse und Methoden, die ich selbst erfahren habe und in meinem Alltag praktiziere.
Auch werdet ihr darin viele ermutigende Worte finden, eure Schritte auf diesem Weg der Selbst­bestimmung und Selbst­verwirklichung zu wagen.

Vertiefende Erläuterungen und auflockernde Ge­schichten stehen in separaten Kästen am Ende jedes Kapitels, um den Textfluss nicht zu unterbrechen. Verweise am Seitenrand erleichtern das Auffin­den von verwandten oder ergänzenden Aussagen.

Dieser Wegweiser ist konsequent praxisbezogen. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass gerade im Fall mangelnder Selbstliebe das theoretische Wissen nicht hilft, wenn es nicht mit konkreten, anwend­baren Anleitungen zur Selbstveränderung ergänzt wird. Wir entwickeln uns schliesslich nicht allein dadurch, dass wir etwas wissen, sondern erst wenn wir dieses Wissen auch nutzen und umsetzen. Das ist Bildung im wahren Sinn des Wortes: Wir bilden unsere Persönlichkeit und unseren Charakter, wir gestalten unser Leben und unser Schicksal.
Leseprobe herunterladen

Noch eine Bitte: Falls euch das Buch gefällt und euch auf eurem Weg zu mehr Selbstliebe unterstützt, wäre es für mich sehr hilfreich, wenn ihr eine Bewertung/Rezension in einem oder mehreren Online-Shops abgebt. Vielen Dank!

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Die Schönen und Reichen

Ich habe einige Tage in einem Kurort am Meer verbracht, wo sich die Schönen und Reichen treffen. Nein, ich gehöre nicht dazu – zumindest nicht zu den Reichen *smile*. Aber ich mag den langen Sandstrand dort und auch die Landschaften im Hinterland.

Es war recht viel los, und wenn ich jeweils müde von den langen Wanderungen in einem Restaurant draussen sass, beobachtete ich interessiert die Vorbeiziehenden.
Junge Frauen, die trotz dicken Beinen ganz selbstbewusst kurze Röcke tragen – ich sehe ihnen an, dass sie es aus Freude an der Mode, am Ausprobieren, vor allem für sich selbst tun und sich wenig darum scheren, wie sie auf andere wirken. In dieser Selbstsicherheit liegt ihre Stärke und lässt sie schön erscheinen.
„Ältere“ Frauen (ab etwa 40 bis zu meinem Alter und zum Teil noch darüber), perfekt gestylt, mit teurer Garderobe, geliftet und gebotoxt, teilweise auch mit Silikon im Busen, extrem schlank bis magersüchtig – ich sehe, wie sehr sie sich nach Bewunderung sehnen und wie sehr sie dennoch in ihrem Inneren verunsichert sind („Wie wirke ich? Wie beurteilt man mich?“). Es stimmt mich immer ein bisschen traurig, wenn jemand sich auf diese Weise so ungemein bemüht, ein bisschen Anerkennung, ein bisschen Liebe zu bekommen… Unweigerlich denke ich zurück, als ich noch ein dummer Teenager war, an meine Mini-Jupes, knapper geht nicht, knallenge Hosen – was habe ich schon alles getan, um ein bisschen (männliche) Anerkennung, ein bisschen Liebe zu bekommen… Bis ich endlich gemerkt habe, dass was ich für meine „sexy“ Kleidung bekam, oft nicht viel mit echter Anerkennung und wahrer Liebe zu tun hatte. Und ich endlich gelernt habe, mich selbst zu lieben und nur noch darauf zu zählen.
Interessant waren auch die mittelalterlichen Männer. Sie schienen viel weniger auf ihr eigenes Äusseres zu geben – dafür führten sie stolz ihre mindestens 20 Jahre jüngere Freundin vor.

Ja, ich weiss, eine Menge Clichés. Sie wurden mir halt wieder einmal so gehäuft und so deutlich vor Augen geführt. Wobei sie nicht nur in der Welt der Reichen vorkommen und in fast jedem von uns etwas davon mitspielt.

Und ich kann die „Moral von der Geschichte“ nur einmal mehr wiederholen: Wenn wir unser Selbstwertgefühl aus Äusserem beziehen – vor allem aus der Schönheit –, verlieren wir es unweigerlich irgendwann. Wie ein amerikanischer Folksong treffend sagt:

So come all ye young lovers,
Take a warning from me,
And never place your affections
On a green growin‘ tree,
Ooh, on a green growin‘ tree.
‚Cause the leaves they will wither
Roots will decay,
And the beauty of a young maid,
Will soon fade away,
Ooh, soon fade away.

(Sinngemäss: Ihr jungen Verliebten, hört auf mich und hängt eure Liebe nicht an einen wachsenden Baum. Denn die Blätter werden welken und die Wurzeln werden vermodern, und die Schönheit einer jungen Frau wird bald vergehen.)

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Als wärs der letzte Tag…

Unsere menschliche Fähigkeit vorauszudenken, ist Segen und Fluch zugleich. Fluch deshalb, weil wir bei unserer Rede und unserem Tun stets schon die vermeintlichen Folgen im Auge haben: Was wird X von mir denken? Ich kann das doch Y nicht sagen, es würde ihn verletzen! Vor allem befürchten wir, bewusst oder unbewusst, nicht mehr akzeptiert, geschätzt, geliebt zu werden. Deshalb handeln wir nicht, wie wir gerne möchten, zeigen uns nicht, wie wir wirklich sind. Und leiden darunter. Wir sind blockiert, gehemmt, schüchtern, nicht spontan, sondern kontrolliert…

Auf dieser Website wird immer wieder auf Verhaltensweisen hingewiesen, die auf unseren Mangel an Selbstliebe, Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Selbstsicherheit deuten, und es werden Erkenntnisse vermittelt und Anregungen gegeben. Erkenntnis ist wohl der erste Schritt zur Heilung, doch wollen wir unser Verhalten tatsächlich ändern, gibt es keinen anderen Weg, als es zu tun! Theoretisches Wissen allein nützt nichts; im Alltag müssen wir über unseren eigenen Schatten springen – diesen Schatten der Angst, der uns daran hindert, zutiefst glücklich zu sein. Es wenigstens einmal versuchen, einmal den Mut haben, einmal das Risiko eingehen, dass jemand sauer auf uns ist…

Besässen wir nicht die Fähigkeit, vermeintliche zukünftige Konsequenzen gedanklich vorwegzunehmen, fiele uns das wesentlich leichter!
Versucht doch einmal an einem Morgen euch vorzustellen: „Heute ist der letzte Tag – morgen geht die Welt unter.“ Lebt einen Tag lang, als gäbe es kein „Morgen“. Würdet ihr euch da nicht noch etwas gönnen, euch selbst etwas zuliebe tun? Einmal alles sagen, was euch auf die Zungespitze kommt – was ihr sonst herunterschluckt, weil „man das nicht sagen kann“. Euch so verhalten, wie ihr es gerne möchtet – ohne Rücksicht zu nehmen, was „die Leute denken oder sagen“. Eure Maske ablegen und euch zeigen, wie ihr wirklich seid, mit euren Stärken und Schwächen, Freude und Leid…

Es ist wirklich ein Versuch wert, einen Tag lang so zu leben, als gäbe es weder für euch noch für eure Mitmenschen einen weiteren! Bringt diesen Mut auf, springt einen Tag lang über euren Schatten – ihr werdet staunen, wie gut ihr euch dabei fühlt, und wie wenig von den Konsequenzen, die ihr für gewöhnlich befürchtet, tatsächlich eintreten! Und dann versucht ihr es am nächsten Tag noch einmal…

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Alltägliche Verhaltensmuster

In unserem Alltag gibt es Situationen, in denen wir deutlich spüren, dass uns Selbstwertgefühl, Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen fehlen: Wenn wir uns eine Aufgabe nicht zutrauen oder Angst haben, zu versagen; wenn wir in Gesellschaft anderer Menschen schüchtern sind, Mauerblümchen an einer Party, bei neuen Bekanntschaften „keinen Ton herauskriegen“; wenn wir uns nicht trauen, für unser Recht einzustehen, unsere Meinung zu sagen… In solchen Momenten fühlen wir uns nicht wohl in unserer Haut, wir merken, dass etwas nicht stimmt – wir leiden. Dennoch schaffen wir es nicht, mit all unserer Einsicht und Willenskraft, unser Verhalten zu ändern.

Es gibt aber auch unzählige Situationen in unserem Alltagsleben, in welchen wir automatisch in einer bestimmten Weise reagieren, ohne es als „falsch“ zu empfinden – wir sind uns nicht bewusst, dass auch solches Verhalten auf einen Mangel an Selbstwertgefühl deutet. Ebenso zeugen viele unserer Ängste davon.
Gelingt es uns, diese einfacheren „Fehlverhalten“ zu überwinden, wächst unser Selbstwertgefühl und führt mit der Zeit dazu, dass auch die anderen, bedeutenderen und belastenden Verhaltensmuster wie von selbst verschwinden.

Die folgende Fragen-Checkliste zeigt euch auf, wo eure Selbstliebe noch nicht stark genug ist:
• Habe ich Angst gespürt, dass ein geliebter Mensch mich nicht mehr liebt oder ich ihn verlieren könnte?
• War ich eifersüchtig oder neidisch?
• Habe ich aus Angst, den anderen zu verletzen oder seine Liebe zu verlieren, etwas nicht gesagt? Habe ich etwas „heruntergeschluckt“?
• Habe ich aus Angst, die Anerkennung oder Liebe eines Menschen zu verlieren, etwas getan, was gegen meine Überzeugung oder meinen Willen ging?
• Habe ich aus Angst, jemanden zu enttäuschen, nicht so gehandelt, wie ich es eigentlich wollte?
• Habe ich mich nicht getraut, nein zu sagen?
• Habe ich mich emotional erpressen lassen? („Ich tue doch so viel für dich“ – „Wenn du mich liebst, dann tust du…“)
• Habe ich meine eigenen Bedürfnisse (wegen eines anderen Menschen) missachtet?
• Bin ich einem Konflikt aus dem Weg gegangen (aus Angst)?
• Habe ich mich nicht getraut, eine berechtigte Reklamation oder Kritik anzubringen?
• Habe ich Schuldgefühle, weil ich etwas gesagt oder getan habe?
• Habe ich gelogen (aus Angst)?
• Habe ich mich gerechtfertigt für etwas, was ich getan oder gesagt habe?
• Habe ich krampfhaft versucht, mich zu erklären, damit andere Verständnis für mich haben?
• Habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was andere von mir denken, im Allgemeinen oder bei einer bestimmten Gelegenheit?
• Habe ich es nicht gewagt, mich so zu zeigen, wie ich bin? Habe ich etwas vorgespielt?
• Habe ich mich gescheut, eine Frage zu stellen oder einen Kommentar abzugeben, obwohl ich es eigentlich wollte?
• Habe ich mich minderwertig oder nutzlos gefühlt, weil ich nicht gebraucht werde?
• Habe ich zu viel von mir erwartet? Habe ich mich verurteilt, weil ich meine Erwartungen nicht erfüllt habe? War ich zu perfektionistisch?
• Habe ich mich schlecht gefühlt, weil jemand mich getadelt, verurteilt, angegriffen hat?
• Habe ich mich schlecht gefühlt, weil etwas nicht so gelaufen ist, wie ich es mir wünschte, oder ich einen „Misserfolg“ erlitten habe?
• Habe ich mich jemanden unterlegen gefühlt?
• War ich arrogant (hochmütig) oder besserwisserisch?
• War mir etwas peinlich?
• Ist es mir schwer gefallen, etwas anzunehmen?
• Habe ich Hilfe abgelehnt, obwohl ich sie gebraucht hätte?
• Habe ich mich gescheut, jemanden um Hilfe zu bitten?

Die Fragen, auf die ihr mit Ja antworten, verraten euch die Verhaltens- und Empfindungsweisen, bei denen eure Selbstliebe nicht stark genug ist. Fühlt euch deswegen aber keinesfalls „wertlos“, selbst wenn ihr viele Ja bei euch entdeckt haben! Es sind dies nämlich Verhaltensweisen, an denen die allermeisten Menschen „leiden“ – beobachte doch nur die anderen!
Wichtig ist, es zu erkennen und langsam, nach und nach bei sich zu verändern; beschäftigt euch aber jeweils nur mit einem dieser Muster aufs Mal – das ist genug!
Seid wachsam in eurem Alltagsleben – da haben wir ja genügend Übungsmöglichkeiten! –, achtet auf euer Verhalten und euer Empfinden. Am Anfang werdet ihr euer seit langem praktiziertes Muster automatisch wiederholen und es jeweils erst danach merken. Macht euch keine Vorwürfe, verzweifel nicht, tappt ihr auch hundert Mal in die gleiche Falle! Das ist absolut normal. Sagt nicht: Das werde ich nie schaffen; fasst einfach mit Bestimmtheit erneut den Vorsatz, euch zu ändern. Irgendwann wird es euch ein Mal gelingen. Dann vielleicht wieder zwei, drei Mal nicht. Auch das ist normal: Solche eingravierten, vom Unbewussten gesteuerten Muster brauchen lange, um „umprogrammiert“ zu werden, es kann viele Wochen, gar Monate dauern.
Oft geschieht das wie hinter einem Schleier: Lange seht ihr keine Veränderung, als ob sich nichts bewegte, im Unbewussten aber tut sich eine ganze Menge. Und eines Tages werdet ihr überrascht und freudig feststellen: „Es ist lange her, dass ich mich so und so verhalten habe!“ Dieses eine Verhaltensmuster habt ihr abgelegt. Dann könnt ihr euch ans nächste machen…

In  anderen Textbeiträgen auf dieser Website erläutere ich einzelne dieser Verhaltensmuster noch detaillierter.

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Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit und mehr – eine Unterscheidung

Im Zusammenhang mit der Selbstliebe werden verschiedene Begriffe verwendet, die zum Teil synonym gebraucht werden, zum Teil feine Nuancen kennzeichnen. Nachfolgend sind sie kurz erläutert, wobei jeweils unterschieden wird zwischen der „richtigen“ Art der Selbstliebe, bei welcher wir stark und eigenständig sind, und der „falschen“ Art, die uns bestenfalls ein vorübergehendes, labiles Selbstwertgefühl verleiht.

Selbstbewusstsein
Richtig: Ich bin mir meines Selbst bewusst, „Selbst“ verstanden als Sein, Existenz, menschliches Wesen, auch als unsterbliche Seele oder göttlicher Funke (je nach Glaube).
Falsch: Ich bin mir bewusst, dass ich für andere interessant, schön, anziehend usw. bin.

Selbstvertrauen/Selbstannahme
Richtig: Ich vertraue mir selbst (meinem Höheren Selbst, meiner Seele, meiner inneren Stimme) und dass ich alles „richtig“ mache.
Falsch: Ich vertraue auf meinen Besitz, meine Eigenschaften, meine Fähigkeiten.

Selbstsicherheit
Richtig: Ich fühle mich in mir selbst sicher, geborgen; ich weiss, dass mir nichts geschehen kann, was nicht (am Ende) gut für mich ist.
Falsch: Ich beziehe meine Sicherheit aus äusseren Umständen, daraus dass andere mich brauchen, dass ich reich bin, eine Familie habe usw.

Selbstwertgefühl/Selbstachtung
Richtig: Ich weiss, dass ich wertvoll bin an sich, weil ich ein menschliches (Göttliches) Wesen bin mit einer unverwundbaren und unsterblichen Seele.
Falsch: Ich beziehe meinen Wert aus den Werten, die ich besitze, aus dem Lob und der Anerkennung anderer Menschen usw.

Quintessenz: Beziehe ich meinen Wert von aussen (Eigenschaften, Besitz, Verhalten, Umfeld und mehr), bin ich von der Aussenwelt abhängig und richte mich nach ihr anstatt nach den Wünschen meiner Seele.
Und es braucht nicht viel, diesen von der Aussenwelt (meinen Mitmenschen) geschaffenen Wert zu zerstören…

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Man kann es nie allen recht machen

Die folgende jiddische Geschichte, die ich dem Book of Fables von Moshe Wallich entnommen habe, zeigt auf humorvolle Weise, warum wir so handeln sollen, wie wir es als richtig erachten, und uns vor den anderen nicht rechtfertigen brauchen (siehe meinen Text „Rechtfertigungen“).

Ein Mann besass einen guten, starken Esel. Eines Tages beschloss er, auf ihm zum Markt zu reiten um einzukaufen; seinen Knaben nahm er auch mit und hiess ihn neben dem Esel herlaufen.
Als sie unterwegs zwei Männern begegneteten, hörte der Eselreiter, wie der eine zum anderen sagte: „Welch schlechter Vater! Lässt seinen Jungen zu Fuss gehen, während er bequem auf dem Esel hockt!“
Der Vater fühlte sich als Unmensch. Er stieg vom Esel ab und liess seinen Sohn reiten, er selbst trottete neben ihm. Nach einer Weile begegneten sie zwei Frauen und er hörte die eine zur anderen sagen: „Wie respektlos von dem Kind, dass es seinen alten Vater zu Fuss gehen lässt und selbst auf dem Esel reitet!“
Der Mann dachte bei sich: „Der Esel ist jung und stark, er kann uns mühelos beide tragen.“ Und er stieg ebenfalls auf. Dann kamen ihnen zwei Reiter auf stolzen Pferden entgegen. Der eine sagte: „Sieh dir das an! Zu zweit hocken sie auf dem armen kleinen Esel; sie werden ihn bestimmt umbringen, wenn sie so weitermachen!“ Sie gaben die Sporen und stieben davon.
Der Vater sagte zu seinem Knaben: „Lass uns absteigen, der arme Esel hat genug geschuftet. Wir binden ihm jetzt die Füsse zusammen und wir beide tragen ihn an einer Stange.“ Das taten sie und setzten ihren Weg zum Markt fort. Als sie so dort eintrafen, zeigten die Leute mit dem Finger auf sie und begannen zu lachen: „Sind das Trottel! Tragen einen Esel an der Stange anstatt auf ihm zu reiten oder ihn vor einen Wagen zu spannen!“
Da fragte der Vater seinen Jungen: „Was muss man eigentlich tun, um es den Leuten recht zu machen?“

Wie man auch handelt, man kann es den Menschen nicht recht machen. Seht also zu, dass ihr tut, was ihr selbst für gut haltet, und habt keine Angst vor dem Urteil der anderen!

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