Liebesbeziehungen – ein wichtiger Lebensbereich, der viel zu unserem Glück oder zu unserem Leid beiträgt. Im Zusammenhang mit der Selbstliebe will ich deshalb heute auf zwei auf den ersten Blick banale Weisheiten eingehen, die ich auf dieser Website schon öfters zitiert habe*:
• Wer sich nicht selbst liebt, muss sich lieben lassen.
• Wer sich selbst nicht liebt, kann auch andere nicht richtig lieben.
Beide Faktoren, das Bedürfnis nach Liebe und die Unfähigkeit zu wahrer Liebe, verhindern, dass wir in unserer Beziehung glücklich sind.
Wenn wir die Liebe des Partners brauchen, machen wir uns von ihm abhängig. Das führt zu einer mehr oder weniger offenkundigen, ständig vorhandenen Angst, den Geliebten zu verlieren, was Eifersucht, Machtspiele und mehr an destruktiven Verhaltensweisen mit sich bringt; über kurz oder lang vergiften diese die Beziehung, sodass wir den geliebten Menschen tatsächlich verlieren.
Umgekehrt tun wir alles, um den Geliebten an uns zu binden, auch eine Menge Dinge, die wir gar nicht tun möchten, was wiederum uns selbst nicht gut tut – bis wir es nicht mehr aushalten und die Beziehung auflösen oder es gar so weit kommen lassen, dass wir daran zerbrechen.
Aus der Verlustangst entsteht auch unsere Angst, dem geliebten Menschen nicht zu genügen: nicht schön oder attraktiv genug zu sein, seinem Idealbild nicht zu entsprechen, die Erwartungen in Bezug auf Sex, Witz, Bildung, Intelligenz nicht zu erfüllen… und dass er sich deshalb früher oder später von uns abwenden könnte. Dieser Angst entstammt unser Bedürfnis, von ihm immer wieder bestätigt zu bekommen, dass wir schön, unterhaltsam, interessant usw. sind, dass er uns liebt und begehrt – tut er das nach unserem Ermessen nicht in ausreichendem Mass, zweifeln wir an uns (und an ihm!). Das führt zu Konflikten.
Zu weiteren Konflikten kommt es, weil wir das, was er sagt oder tut, oft auf dem Hintergrund dieser Angst, nicht zu genügen, bewerten und dabei zu völlig irrationalen oder einseitigen Schlüssen kommen und entsprechend übertrieben reagieren.
All das macht uns unglücklich, wir fühlen uns verzweifelt und ohnmächtig. Oder dann „arbeiten“ wir daran, den Partner zu ändern, ihn zu einem Idealbild umzuformen, zu einem Menschen, der nie etwas falsch macht, uns nie verletzt, uns 24 Stunden pro Tag von seiner ewigen Liebe überzeugt… Unnötig zu sagen, dass dies unmöglich ist. Kein Mensch wird je unserem Perfektionsideal entsprechen und uns die Sicherheit geben können, die wir suchen – und selbst wenn, wir würden es nicht merken und ihn weiterhin zu verändern versuchen, da unsere Wahrnehmung auf der Basis unserer Verlustangst verzerrt ist und wir nach wie vor „Mängel“ in ihm sähen, sehen wollten.
Also, was nun? Wie finden wir zu einer Liebesbeziehung, die uns glücklich macht? Indem wir uns in erster Linie selbst lieben.
Ich will versuchen, in aller Kürze einige Anregungen zu geben – sie werden nie für alle stimmen und nicht für jede Situation. Also spürt in euch selbst, was für eure individuelle Lage anwendbar ist und was nicht.
In meinen folgenden Erörterungen klammere ich ferner den Fall aus, in dem der Partner existentielle Werte missachtet (er ist z.B. gewalttätig, wiederholt untreu, einer Sucht verfallen usw.), sodass eine Trennung meistens die einzige Lösung ist. Es geht hier vielmehr um die „normalen“, alltäglichen Beziehungsgeschichten.
• Unterlassen wir alle Versuche, den Partner zu ändern, und arbeiten wir stattdessen an uns selbst, bemühen wir uns insbesondere, unsere Selbstliebe, unser Selbstwertgefühl aufzubauen und zu stärken; auf dieser Website finden sich viele Hinweise dazu. Unter anderem sollten wir uns (im Sinne einer „Selbstüberzeugung“ mit dem Ziel der Selbstveränderung) immer wieder selbst Dinge sagen wie:
– Ich brauche die Liebe meines Partners nicht, es ist zwar schön, wenn er mich liebt – wenn aber nicht, dann wird jemand anders mich lieben, es wird immer jemanden geben, für den ich wichtig und liebenswert bin;
– Ich bin genau richtig, so wie ich bin; wenn mein Partner mich anders haben möchte, so liegt das an seinen individuellen Vorstellungen, denen ich nicht genügen muss, sie sind nicht der allgemeingültige Massstab;
– Ich habe keine Angst, meinen Partner zu verlieren; viel wichtiger und beglückender ist, dass ich mir selbst treu bleibe;
– und mehr dergleichen.
• Hören wir auf, in alles, was der Partner sagt oder tut, etwas hineinzuinterpretieren und auf uns zu beziehen; wenn uns etwas nicht klar ist, fragen wir ihn, ansonsten kämpfen wir mit all unserer Kraft dagegen an, zu grübeln und uns dem Teufelskreis unserer Gedanken und Gefühle auszuliefern.
• Hören wir auch auf, den Partner ständig zu be- und verurteilen – akzeptieren wir ihn, so wie er ist. Wir möchten doch auch, dass er uns annimmt und liebt, wie wir sind! Wir sind doch alle nur schwache Menschen, die sich so verhalten, wie sie es halt vermögen, wie sie es gelernt haben…
Seien wir versöhnlich und nachsichtig. Wenn er etwas sagt oder tut, das uns nicht gefällt oder uns gar verletzt, versuchen wir zu verstehen, warum er es tut, und augenblicklich zu verzeihen – meistens ist es doch gar nicht böswillig gegen uns gerichtet, sondern geschieht aus seinem eigenen Unvermögen, aus Unkenntnis, vielleicht zwar aus Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit, jedenfalls nicht um uns wehzutun. In diesem Zusammenhang nochmals: Beziehen wir nicht immer alles so eng auf uns selbst! Auch dazu brauchen wir ein gesundes Selbstwertgefühl, damit wir uns dabei nicht schwach, entwürdigt, zurückgewiesen vorkommen.
• Bemühen wir uns in jedem Augenblick darum, wahrhaft vorbehaltlos zu lieben. Vorbehaltlos lieben heisst im wahren Sinne des Wortes „keine Vorbehalte haben“: Unsere Liebe hängt folglich nicht davon ab, wie sich der Partner verhält. Selbst wenn wir wütend sind, enttäuscht, traurig, verletzt: Diese Gefühle richten wir auf sein Verhalten, seine Worte, seine Tat, aber nicht auf ihn als Menschen. Egal was er sagt, egal was er tut, das ändert nichts an unserer Liebe.
• Bemühen wir uns in jedem Augenblick darum, wahrhaft bedingungslos zu lieben. Bedingungslos lieben heisst im wahren Sinne des Wortes „keine Bedingungen stellen“: Wir lieben ihn nicht, weil… wenn… sofern… Wir lieben ihn einfach. Es macht uns glücklich zu lieben, nicht weil wir etwas dafür bekommen – genau betrachtet, nicht einmal, um wiedergeliebt zu werden. Das ist nicht einfach, zugegeben, dafür müssen wir hart an uns selbst arbeiten.
Wir haben also auch keine Erwartungen, stellen keine Forderungen. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Wünsche nicht äussern sollen – aber als Wunsch, nicht als Forderung. Und die Erwartungen lassen wir sofort fallen: Wenn unser Wunsch, ein ausgesprochener oder unausgesprochener, vom Partner erfüllt wird, gut; wenn nicht, so nehmen wir es nicht persönlich (auch dazu brauchen wir unsere Selbstliebe!) und es ändert nichts an unserer inneren Zufriedenheit. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch der nächste Punkt:
• Bei aller Selbstliebe: Uns selbst zu lieben, bedeutet nicht, unseren sogenannten oder vermeintlichen Bedürfnissen ein riesiges Gewicht zu verleihen. Elementare Bedürfnisse sollen wir nicht vernachlässigen, das ist richtig und wichtig! Aber es ist vielmehr ein Zeichen von Selbstliebe und Stärke, wenn wir unsere „Bedürfnisslein“ nicht so ernst nehmen, sie nicht zur Staatsaffäre aufbauschen und sie einfach loslassen. Meistens tragen sie nämlich überhaupt nichts zu unserem wahren Glück bei, wenn sie erfüllt werden.
Zum Schluss noch etwas Grundlegendes: Es ist nicht die Pflicht oder Aufgabe unseres Partners, uns glücklich zu machen. Glücklichsein lässt sich nicht delegieren, das können ausschliesslich wir selbst tun. Und in diesem Zusammenhang abschliessend eine radikale Äusserung meinerseits: Wenn es uns nicht gelingt, in einer „schwierigen“ Beziehung, mit einem „unvollkommenen“ Partner glücklich zu werden, wird es uns in einer einfachen, mit einem „perfekten“ Partner auch nicht gelingen. Wie der Dichter sagt: Wenn du dein Glück in der Hölle nicht findest, findest du es auch nicht im Paradies. An uns liegt es, an unserer Selbstliebe, nicht an den äusseren Umständen.
* Hier findet ihr weitere Aspekte zu diesen Aussagen:
• Anhaftung und Abhängigkeit
• Warum Beziehungen zerbrechen
• Wieder einmal zum Thema Nächstenliebe
• Liebe „sammeln“
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