Das Glück nicht delegieren!

Eine Aussage aus Steffis Kommentar auf dieser Website hat mich zum heutigen Text inspieriert, nämlich

Meine Umgebung ist nicht länger verantwortlich dafür, ob ich mich gut oder schlecht fühle.

(Bei dieser Gelegenheit empfehle ich euch, auch den davorstehenden langen Beitrag von R. Vangelis zu lesen.)

Oft erwarten wir, dass wir glücklich gemacht werden. Sagen wir nicht etwa zu unserem Partner: „Du machst mich glücklich“? Oder: „Ich brauche dich“ und meinen damit „Ich brauche dich, damit ich glücklich bin“?
Noch öfter werfen wir jemandem vor, uns unglücklich zu machen.

Wahre Selbstliebe bedeutet jedoch, von niemandem abhängig zu sein. Oder andersrum: Solange wir unser Glück von einem anderen Menschen abhängig machen, sind wir auch von diesem Menschen abhängig. Das hindert uns daran, jederzeit wir selbst zu sein, das hindert uns daran, uns selbst zu lieben.

Ganz abgesehen davon, dass wir nie die Garantie haben, dass der betreffende Mensch uns für immer glücklich machen wird. Dieses Recht haben wir auch nicht, wir können nicht über andere verfügen, über sie bestimmen, wir können sie nicht zwingen, sich so zu verhalten, wie wir es gerne hätten.
Wenn wir also unser Glück und unser Wohlbefinden darauf gründen, dass wir es von aussen bekommen, dass jemand es uns schenkt, leben wir in der ständigen Ungewissheit, wie lange es tatsächlich bei uns bleiben wird, und in der ständigen Angst, es zu verlieren.

Es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Selbstliebe, diese Erwartungshaltung anderen gegenüber aufzugeben und uns einzugestehen: Ich muss selber dafür sorgen, dass ich glücklich bin und mich wohl fühle.
Da wir die äusseren Umstände und unsere Umgebung nicht beliebig beeinflussen können, kann der Weg nur darin bestehen, unsere innere Haltung zu ändern, das Glück in uns zu finden. Daran müssen wir arbeiten, nicht an der Veränderung unserer Mitmenschen und unseres Umfelds!
Wie? Auf dieser Website habe ich schon viele Hinweise dazu gegeben und weitere werden folgen. Fangt einfach irgendwo an, es ist nicht so wichtig wo, Hauptsache ihr macht einen ersten Schritt und dann noch einen und noch einen… Es ist ein langer Weg, aber auch ein spannender und überaus bereichernder.

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I am what I am

Diesen Song hört man zur Zeit in der Schweiz in einem Fernsehspot. Er stammt aus dem Musical „La cage aux folles“, das auf ein Theaterstück und dessen weltberühmte Verfilmung aus den 1970-er Jahren zurückgeht, und wird von einem Homosexuellen gesungen.

Den ganzen Text auf Englisch findet ihr hier (aus Copyright-Gründen veröffentliche ich ihn nicht auf meiner Website).

Gibt es eine treffendere Beschreibung für Selbstliebe und Selbstwertgefühl?

Ich bin, was ich bin…
Das Leben ist nichts wert, bis du sagen kannst: Ich bin, was ich bin…
Das Leben ist Betrug, bis du schreien kannst: Ich bin, was ich bin…
Ich bin, was ich bin, und dafür brauche ich mich nicht zu entschuldigen…
Hey, Welt, ich bin, was ich bin!

Dazu braucht es keinen weiteren Kommentar meinerseits. Seid, was ihr seid. Freut euch darüber, wie ihr seid, und steht dazu, vor der ganzen Welt.

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Glücksjäger

Kürzlich habe ich von Emanuel* eine Mail bekommen, die mich zu einem Beitrag auf dieser Website inspiriert hat. Ich zitiere die Mail in Auszügen:

Mit Anfang 30 begannen diese Gedanken nach dem Sinn des Lebens, die mich ein Leben lang begleiten, so richtig intensiv zu werden. Ich habe schon sehr viele Bücher darüber gelesen, Filme angeschaut, Berichte und Erfahrungsgeschichten gesammelt. Alle Bücher waren sehr interessant, ich gewann so viele neue Einsichten, viele meiner Fragen wurden beantwortet, doch konnte ich Erlerntes nie für längere Zeit in mein Leben integrieren.
Nach ungefähr 3 Jahren des Suchens und Ausprobierens, nach einigen Höhen und viel mehr Tiefen, gelangte ich zu der Einsicht, in Verbindung mit einem Schicksalsschlag und neuen Bekanntschaften, dass das Leben nur Spaß sei und man das Glück jagen müsse! So begann eine verspätete wilde, ungewisse Zeit für mich. Ich wurde ein Glücksjäger! Nur die Hypes waren erwünscht. Die Downs wurden verdrängt. Gab es mal keine Hypes, wurde natürlich mit gewissen Substanzen nachgeholfen. Erstaunlich war, dass das Prinzip anfangs super funktionierte, es lief hervorragend. Neue Freunde, neue Hobbys, alles war toll, nur Spaß Spaß Spaß!
Es hielt fast zwei Jahre an. Dann so langsam ging mir die Luft aus. Es lag unmittelbar gar nicht an mir, so kam es mir zumindest vor. Keiner konnte mehr mit mir mithalten, mir kam es so vor, als wollte jeder in meinem Umfeld etwas von meinem Kuchen abkriegen. Die Hypes wurden immer weniger, die Drogen immer mehr, und die Leere in mir immer größer. So konnte es nicht mehr weitergehen.
Lange Rede kurzer Sinn, ich habe jedes Wort in Ihrem Buch verstanden. Ich hab ständig mit dem Kopf genickt. Der Unterschied zu anderen Autoren ist, dass Sie nicht wie ein Experte, ein Mental-Trainer oder ein Wissenschaftler schreiben. Sie, Frau Jundt, schreiben wie die Menschen und für die Menschen. Erstaunlich auch wie viele Parallelen ich zu anderen Lehren fand, die ich schon kannte. […] Noch nie hat ein Buch bei mir so eine nachhaltige Wirkung hinterlassen wie das Ihre, dafür danke. Vielleicht war ich genau jetzt, genau hier bereit dafür.

Zutiefst überzeugt bin ich davon, dass wir das Recht haben, in diesem Leben glücklich zu sein. (Und nicht, wie gewisse Religionen meinen, dieses Leben ein Jammertal sein müsse, damit wir uns das Glück im Jenseits verdienen.)

Es gibt aber Glück und Glück. Das eine ist das Glück der Hypes – oder auch das Unglück der Hypes. Denn unser Ego will einfach Action, eine gleichmütige Zufriedenheit ist ihm zuwider. Emotionen sind gefragt, egal ob freudige oder schmerzhafte. Jedes Ego ist ein Glücksjäger.
So nimmt es auch in Kauf, dass es einen kurzen Augenblick des Glücks mit viel Leid bezahlen muss. Und wenn es gerade keine Glücksmomente erhaschen kann, so sucht es sich leidvolle – Hauptsache es gibt Gefühlswallungen und nicht die Langeweile der gelassenen Zufriedenheit. Diese Glücks- oder Schmerzmomente sind wie eine Droge: Man muss die Dosis ständig erhöhen, um überhaupt noch etwas zu spüren. Das beschreibt Emanuel treffend in seiner Mail.
Einige Menschen, wie Emanuel, lernen mit der Zeit, dass es im Leben mehr gibt als das sogenannte Glück, das von den Äusserlichkeiten herrührt. Andere verstehen es (noch) nicht und machen weiterhin schmerzliche Erfahrungen.

Zum wahren Glück – zur anhaltenden Lebensfreude – finden wir dann, wenn wir in uns selbst ruhen. Dann können wir alles, was die Welt uns schenkt, geniessen, ohne jedoch darauf angewiesen sein; wir leiden deshalb nicht, wenn wir es nicht mehr bekommen oder es uns genommen wird. Und vor allem, jagen wir diesem Glück nicht mehr hinterher.

Diese innere Ruhe, die Geborgenheit in uns uns selbst, bedarf der Selbstliebe und des Urvertrauens.
Der Selbstliebe, damit wir es wagen, ganz wir selbst zu sein; andernfalls ist tiefe Lebensfreude kaum zu erlangen.
Und das Urvertrauen schenkt uns die Gewissheit, dass wir es nicht nötig haben, dem Glück nachzujagen: Es wird uns immer alles gegeben, was wir brauchen und uns gut tut.

Abschliessend noch zwei schöne Zitate zu diesem Thema:

Das Glück ist ein Schmetterling. Jag ihm nach, und er entwischt dir. Setz dich hin, und er lässt sich auf deiner Schulter nieder.
Anthony de Mello

Solange du nach dem Glück jagst, bist du nicht reif zum Glücklichsein.
Hermann Hesse

Zum morgigen Osterfest – aber auch für alle Tage eures Lebens – wünsche ich euch die Freude der heiteren Gelassenheit!

* Name aus Diskretionsgründen geändert.

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Wie, wie, wie?

In mehreren Kommentaren/Anfragen der letzten Zeit wurde immer wieder die Frage gestellt: Wie macht man es, sich selber zu lieben? Wie schaffe ich es, die Erkenntnisse, die ich im Kopf zwar habe, auch in die Praxis umzusetzen? Wie kann ich mich über die Prägungen der Kindheit hinwegsetzen, die mir sagen, ich sei es nicht wert, geliebt zu werden und mich zu lieben? Und ähnliche.

Deshalb will ich dieses Thema wieder einmal aufgreifen, obwohl ich schon oft darüber geschrieben habe, sei es in eigens dazu verfassten Artikeln, sei es im Zusammenhang mit anderen Themen.

Das Wichtigste ist die Erkenntnis. Die Erkenntnis, dass ich im Bereich der Selbstliebe, des Selbstwertgefühls ein Manko aufweise. Dass viele meiner Probleme, meine Frustration, meine Unzufriedenheit in den Beziehungen zu anderen Menschen davon herrühren, dass ich mich selbst nicht genügend liebe.

Der zweite Schritt ist der klare Wille, daran etwas zu ändern. Nicht einfach „ich möchte mich ändern“, „ich würde mich so gerne selber mehr lieben“…
Den klaren Willen haben, bedeutet: Ich will mich ändern. Und ich tue es.

Und dann noch die Einsicht, dass es keine Tricks, keinen „Schnellzug“ zur Selbstliebe gibt. Es ist Arbeit an sich selbst, kontinuierliche Arbeit in allen Alltagssituationen.
Es geht nicht über Nacht, es dauert Monate und Jahre. Das mag entmutigend wirken auf den ersten Blick, aber betrachtet man nicht das halbleere Glas, sondern das halbvolle, dann heisst es mit anderen Worten: Es ist möglich, Selbstliebe aufzubauen! Wir sind nicht dazu verdammt, mit wenig Selbstwertgefühl zu leben, nur weil es uns in der Kindheit nicht mit auf den Weg gegeben wurde oder wir es unterwegs irgendwann verloren haben. Das ist doch das Entscheidende, egal wie lange es dauert, egal wie anstrengend es ist: Wir können es schaffen, jeder von uns kann es.
Doch wir müssen damit beginnen, sonst kommen wir natürlich nirgendwohin.

Unter dieser „Arbeit an sich selbst“ verstehe ich nicht Meditation, Gebet oder andere „innere“ Praktiken. Diese mögen helfen, natürlich. Aber Selbstliebe will geübt sein, immer und immer wieder, und das geht nur im Alltagsleben selbst, in der täglichen Konfrontation mit unseren Mitmenschen. Über die einzelnen Möglichkeiten und Situationen zu üben habe ich auf dieser Website schon so viel geschrieben, dass ich sie hier nicht nochmals erörtern will.

Ich möchte euch nur noch empfehlen:
• Geht systematisch vor. Übt nicht heute ein bisschen an diesem und morgen ein bisschen an jenem, sondern nehmt euch eine Aufgabe vor und bleibt daran, bis ihr die entsprechende Verhaltensweise so verinnerlicht habt, dass sie zu eurem Wesen geworden ist. Erst dann beginnt ihr mit etwas Neuem. Diese Methode erläutere ich detailliert in meinem Buch „Ich liebe mich selbst und mache mich glücklich“.
• Überfordert euch nicht. Wie im vorangehenden Punkt schon gesagt, nehmt euch nur eine einzige Aufgabe vor. Es braucht nämlich viel Achtsamkeit im Alltag, und diese kann man nicht mehreren Aufgaben gleichzeitig schenken. Zudem erfordert das Praktizieren der Selbstliebe auch Mut, und es ist wirksamer, diesen in eine einzige Herausforderung zu investieren, als ihn auf mehrere aufzuteilen.
• Seid lieb mit euch selbst. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und ihr werdet immer wieder in alte Muster zurückfallen, selbst dann, wenn ihr glaubt, sie abgelegt zu haben. Macht euch keine Vorwürfe, entschuldigt eure Schwächen und verzeiht euch immer alles.

Ich möchte euch nochmals dazu ermutigen, eure Schritte in Richtung Selbstliebe zu tun. Ihr werdet es schaffen, ebenso wie ich es seinerzeit geschafft habe, als ich mich auf diesen Weg begeben habe.

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Wie in einem Kanu

Selbstliebe verleiht Stärke. Die Stärke zum Beispiel, mit unseren Schwierigkeiten und Leiden nicht hausieren zu gehen. Wenn wir uns in uns selbst geborgen fühlen, haben wir es nicht nötig, die Anteilnahme und das Mitleid unserer Mitmenschen zu suchen, wir hören auf, uns als Opfer zu präsentieren, um ein bisschen Zuwendung zu bekommen. Wie laden auch nicht länger unsere Probleme bei denen ab, die uns ohnehin nicht helfen können und die wir damit nur unnötig belasten.

Mein Liebster hat mir neulich ein schönes Gleichnis zu diesem Thema erzählt. Er hatte seit einiger Zeit ein Problem mit sich herumgetragen, doch er hatte nie mit mir darüber geredet, bis wir einmal – in einem anderen Zusammenhang – dieses Thema streiften. Ich fragte ihn dann, warum er nicht mit mir gesprochen habe.
„Weil du nichts zur Lösung beitragen konntest und ich sah, dass ich es selbst würde lösen können“, antwortete er. „Warum hätte ich dich dann damit belasten sollen?
Unseren gemeinsamen Lebensweg kannst du dir vorstellen, als wären wir zusammen in einem Kanu auf einem Wildbach. Ich paddle auf der linken Seite, du auf der rechten. Ich passe auf der linken Seite auf, dass wir nicht gegen Felsen prallen, nicht in Stromschnellen geraten, schön auf Kurs bleiben, du tust das Gleiche auf deiner Seite.
Solange ich mit den Herausforderungen auf meiner Seite allein fertig werde, ist es unnötig, dass ich dich darüber informiere, dich damit belaste und nur davon ablenke, auf deiner Seite aufzupassen und alles richtig zu machen.
Wenn ich jedoch sehe, dass ich eine schwierige Situation nicht allein meistern kann, dann teile ich es dir mit und bitte dich um deine Hilfe.“

Das hat mich sehr berührt, denn es war nicht nur ein Zeichen von starker Selbstliebe, sondern auch von grosser Nächstenliebe – die beiden gehen ja immer Hand in Hand.
Ich habe mir diese Kanu-Allegorie gut eingeprägt und mir vorgenommen, in Zukunft nicht mehr über die Schwierigkeiten und Herausforderungen zu reden, bei denen ich keine Hilfe benötige oder keine Hilfe möglich ist.

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Misserfolge und Schuldgefühle

Wenn du auf Schwierigkeiten triffst oder Misserfolge erleidest, die nicht von deinem eigenen Verschulden herrühren, brauchst du dich nicht zu sorgen.
(Übersetzt aus Sri Aurobindo: Letters on Yoga I)

Wie oft empfinden wir doch Schuldgefühle, wenn wir einen sogenannten Fehler machen, wenn Dinge nicht so laufen, wie sie sollten, wenn andere vermeintlich wegen uns leiden oder Probleme haben!
Dann werfen wir uns alles Mögliche vor, können die kreisenden Gedanken kaum mehr abstellen und geraten in einen Strudel, in dem wir uns schlecht fühlen und aus dem wir nur mit Mühe oder mit der Zeit herausfinden.

Selbstvorwürfe und Schuldgefühle sollten wir generell nicht aufkommen lassen, denn sie nützen nichts – weder einem betroffenen Mitmenschen noch uns selbst. Kritisch und ehrlich die Situation anschauen, erkennen ob wir anders hätten handeln sollen und falls ja, es uns selbst und anderen eingestehen, uns vielleicht dafür entschuldigen, uns vornehmen, es das nächste Mal besser zu machen – ja, das sollten wir tun. Und es dann dabei bewenden lassen, nicht mehr daran denken, nicht mehr darüber reden, nicht zulassen, dass andere es uns weiterhin vorhalten.

Falls wir tatsächlich gefehlt haben! Denn wie oft fühlen wir uns schlecht, wenn Schwierigkeiten auftauchen, uns Missgeschicke oder sogenannte Fehler passieren, jemand angeblich wegen uns leidet, ohne dass wir etwas dafür können! Wir neigen dazu, uns die Schuld für dies und das aufzuladen, obwohl wir es gar nicht hätten verhindern, nichts hätten besser machen können.
Genau das meint Sri Aurobindo im obigen Zitat. Wenn wir uns Mühe geben, das tun, was in unserer Macht steht, nach bestem Wissen und Gewissen handeln: Warum sollten wir uns dann verantwortlich fühlen für das, was dabei herauskommt? Selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass wir einen sogenannten Fehler begangen haben. Nachher ist man immer schlauer, im Rückblick ist es leicht zu kritisieren und es besser zu wissen!

Wenn wir es schon nicht lassen können, uns Vorwürfe zu machen für das, was aus unserer Nachlässigkeit, Unachtsamkeit oder aus unserem schlechten Willen entsteht – dann nehmen wir uns heute und für alle Zukunft wenigstens vor, uns nicht mehr verantwortlich zu fühlen für all das, wofür wir keine Schuld tragen.
Treten nämlich Schwierigkeiten oder Misserfolge auf, obwohl wir uns redlich bemüht haben, so haben sie bestimmt nicht den Sinn, uns Schuldgefühle aufzuladen, sondern den Sinn, uns etwas zu lehren, damit wir uns mit den Problemen auseinandersetzen und sie bewältigen oder gleichmütig ertragen.

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Gegen den Strom

Einen interessanten Artikel über Gruppendruck, Mitläufer und kollektive Glaubenssysteme habe ich neulich gelesen.*
Darin wird von verschiedenen Versuchen berichtet, in denen gezeigt wird, wie stark wir Menschen uns vom Urteil der Mehrheit beeinflussen lassen. Ich erzähle hier nur eines dieser Experimente.

52 Personen sollten drei verschiedene Weinproben beurteilen. In Wirklichkeit waren alle drei gleich, nur der Probe C wurde Essig beigemischt, sodass sie ungeniessbar wurde.
Wenn die Testpersonen die Weine für sich allein degustierten, erkannten sie problemlos C als schlecht.
Man liess dann die Teilnehmer den Wein zusammen mit einer Gruppe von angeblichen Weinexperten degustieren, die absichtlich die Probe B als ungeniessbar nannten. Unter diesem Gruppendruck liess sich mehr als jeder zweite Teilnehmer dazu hinreissen, ebenfalls die Probe B als schlecht zu bezeichnen.
Schlimmer noch: Ausgerechnet diese Personen hackten nachher bei der Gruppendiskussion am heftigsten auf der Unfähigkeit derjenigen herum, die – richtigerweise – den Wein C als schlecht beurteilt hatten. Das lässt sich damit erklären, dass sich diejenigen, die ihre Meinung geändert haben, unsicher fühlen und dies dadurch zu überspielen versuchen, indem sie ihre Überzeugung fanatischer vertreten und andere niedermachen.

Beträfe diese Situation, dass wir uns dem Urteil der Mehrheit angleichen, nur harmlose Weindegustationen, so wäre das ja nicht weiter tragisch. Dieses Phänomen tritt jedoch im alltäglichen Leben öfter auf, als wir annehmen, und zwar mit weitreichenden Konsequenzen. Wenn der Lehrer in der Schule etwas erklärt hat und daraufhin fragt, ob es Fragen dazu gebe, streckt meistens keiner auf. Obwohl viele den Stoff nicht begriffen haben, schliesst jeder daraus, er sei der einzige, der nichts verstanden hat und hält sich für dumm und unfähig.
Das Gleiche geschieht mit Glaubenssystemen, die scheinbar von der Mehrheit akzeptiert werden, weil sich doch niemand dagegen auflehnt: von einem ungerechten Chef am Arbeitsplatz bis hin zu religiösem Fundamentalismus. Gewisse politische Kampagnen verdanken ihren Erfolg nicht zuletzt den „lauten“, vielleicht prominenten Stimmen der einen Seite, die Mitläufer anziehen – und zugleich dem Schweigen der Mehrheit.

Es ist nicht leicht, diesem Gruppendruck zu entkommen; gemäss Studien haben weder Bildung, Beruf, Alter, Einkommen noch andere Paramter Einfluss darauf.
Nur Menschen, die ein starkes eigenes Glaubenssystem haben, wiederstehen der „falschen Wahrheit der Mehrheit“.

Deshalb ist es so wichtig, dass Selbstliebe und Selbstwertgefühl in uns stark und lebendig sind. Lassen wir uns nie in unserer Überzeugung beirren, wenn wir etwas für richtig oder für falsch halten! Und wenn alle anderen das Gegenteil behaupten: Haben wir den Mut, gegen den Strom zu schwimmen!
Auch wenn wir einmal einen sogenannten Fehler machen, weil wir nicht auf die anderen, sondern nur auf uns selbst gehört haben, ist das überhaupt nicht schlimm. Abgesehen davon, dass wir daraus lernen, wiegt die Tatsache, dass wir uns selbst vertraut haben, uns selbst treu geblieben sind, jeden „Fehler“ auf!

* Artikel: Betonkopf auf dem Wendehals von Rolf Degen, erschienen in Bild der Wissenschaft 4/2011.

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Selbstliebe – ein Element der glücklichen Liebesbeziehung

Liebesbeziehungen – ein wichtiger Lebensbereich, der viel zu unserem Glück oder zu unserem Leid beiträgt. Im Zusammenhang mit der Selbstliebe will ich deshalb heute auf zwei auf den ersten Blick banale Weisheiten eingehen, die ich auf dieser Website schon öfters zitiert habe*:

• Wer sich nicht selbst liebt, muss sich lieben lassen.
• Wer sich selbst nicht liebt, kann auch andere nicht richtig lieben.

Beide Faktoren, das Bedürfnis nach Liebe und die Unfähigkeit zu wahrer Liebe, verhindern, dass wir in unserer Beziehung glücklich sind.

Wenn wir die Liebe des Partners brauchen, machen wir uns von ihm abhängig. Das führt zu einer mehr oder weniger offenkundigen, ständig vorhandenen Angst, den Geliebten zu verlieren, was Eifersucht, Machtspiele und mehr an destruktiven Verhaltensweisen mit sich bringt; über kurz oder lang vergiften diese die Beziehung, sodass wir den geliebten Menschen tatsächlich verlieren.
Umgekehrt tun wir alles, um den Geliebten an uns zu binden, auch eine Menge Dinge, die wir gar nicht tun möchten, was wiederum uns selbst nicht gut tut – bis wir es nicht mehr aushalten und die Beziehung auflösen oder es gar so weit kommen lassen, dass wir daran zerbrechen.

Aus der Verlustangst entsteht auch unsere Angst, dem geliebten Menschen nicht zu genügen: nicht schön oder attraktiv genug zu sein, seinem Idealbild nicht zu entsprechen, die Erwartungen in Bezug auf Sex, Witz, Bildung, Intelligenz nicht zu erfüllen… und dass er sich deshalb früher oder später von uns abwenden könnte. Dieser Angst entstammt unser Bedürfnis, von ihm immer wieder bestätigt zu bekommen, dass wir schön, unterhaltsam, interessant usw. sind, dass er uns liebt und begehrt – tut er das nach unserem Ermessen nicht in ausreichendem Mass, zweifeln wir an uns (und an ihm!). Das führt zu Konflikten.
Zu weiteren Konflikten kommt es, weil wir das, was er sagt oder tut, oft auf dem Hintergrund dieser Angst, nicht zu genügen, bewerten und dabei zu völlig irrationalen oder einseitigen Schlüssen kommen und entsprechend übertrieben reagieren.

All das macht uns unglücklich, wir fühlen uns verzweifelt und ohnmächtig. Oder dann „arbeiten“ wir daran, den Partner zu ändern, ihn zu einem Idealbild umzuformen, zu einem Menschen, der nie etwas falsch macht, uns nie verletzt, uns 24 Stunden pro Tag von seiner ewigen Liebe überzeugt… Unnötig zu sagen, dass dies unmöglich ist. Kein Mensch wird je unserem Perfektionsideal entsprechen und uns die Sicherheit geben können, die wir suchen – und selbst wenn, wir würden es nicht merken und ihn weiterhin zu verändern versuchen, da unsere Wahrnehmung auf der Basis unserer Verlustangst verzerrt ist und wir nach wie vor „Mängel“ in ihm sähen, sehen wollten.

Also, was nun? Wie finden wir zu einer Liebesbeziehung, die uns glücklich macht? Indem wir uns in erster Linie selbst lieben.

Ich will versuchen, in aller Kürze einige Anregungen zu geben – sie werden nie für alle stimmen und nicht für jede Situation. Also spürt in euch selbst, was für eure individuelle Lage anwendbar ist und was nicht.
In meinen folgenden Erörterungen klammere ich ferner den Fall aus, in dem der Partner existentielle Werte missachtet (er ist z.B. gewalttätig, wiederholt untreu, einer Sucht verfallen usw.), sodass eine Trennung meistens die einzige Lösung ist. Es geht hier vielmehr um die „normalen“, alltäglichen Beziehungsgeschichten.

• Unterlassen wir alle Versuche, den Partner zu ändern, und arbeiten wir stattdessen an uns selbst, bemühen wir uns insbesondere, unsere Selbstliebe, unser Selbstwertgefühl aufzubauen und zu stärken; auf dieser Website finden sich viele Hinweise dazu. Unter anderem sollten wir uns (im Sinne einer „Selbstüberzeugung“ mit dem Ziel der Selbstveränderung) immer wieder selbst Dinge sagen wie:
– Ich brauche die Liebe meines Partners nicht, es ist zwar schön, wenn er mich liebt – wenn aber nicht, dann wird jemand anders mich lieben, es wird immer jemanden geben, für den ich wichtig und liebenswert bin;
– Ich bin genau richtig, so wie ich bin; wenn mein Partner mich anders haben möchte, so liegt das an seinen individuellen Vorstellungen, denen ich nicht genügen muss, sie sind nicht der allgemeingültige Massstab;
– Ich habe keine Angst, meinen Partner zu verlieren; viel wichtiger und beglückender ist, dass ich mir selbst treu bleibe;
– und mehr dergleichen.

• Hören wir auf, in alles, was der Partner sagt oder tut, etwas hineinzuinterpretieren und auf uns zu beziehen; wenn uns etwas nicht klar ist, fragen wir ihn, ansonsten kämpfen wir mit all unserer Kraft dagegen an, zu grübeln und uns dem Teufelskreis unserer Gedanken und Gefühle auszuliefern.

• Hören wir auch auf, den Partner ständig zu be- und verurteilen – akzeptieren wir ihn, so wie er ist. Wir möchten doch auch, dass er uns annimmt und liebt, wie wir sind! Wir sind doch alle nur schwache Menschen, die sich so verhalten, wie sie es halt vermögen, wie sie es gelernt haben…
Seien wir versöhnlich und nachsichtig. Wenn er etwas sagt oder tut, das uns nicht gefällt oder uns gar verletzt, versuchen wir zu verstehen, warum er es tut, und augenblicklich zu verzeihen – meistens ist es doch gar nicht böswillig gegen uns gerichtet, sondern geschieht aus seinem eigenen Unvermögen, aus Unkenntnis, vielleicht zwar aus Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit, jedenfalls nicht um uns wehzutun. In diesem Zusammenhang nochmals: Beziehen wir nicht immer alles so eng auf uns selbst! Auch dazu brauchen wir ein gesundes Selbstwertgefühl, damit wir uns dabei nicht schwach, entwürdigt, zurückgewiesen vorkommen.

• Bemühen wir uns in jedem Augenblick darum, wahrhaft vorbehaltlos zu lieben. Vorbehaltlos lieben heisst im wahren Sinne des Wortes „keine Vorbehalte haben“: Unsere Liebe hängt folglich nicht davon ab, wie sich der Partner verhält. Selbst wenn wir wütend sind, enttäuscht, traurig, verletzt: Diese Gefühle richten wir auf sein Verhalten, seine Worte, seine Tat, aber nicht auf ihn als Menschen. Egal was er sagt, egal was er tut, das ändert nichts an unserer Liebe.

• Bemühen wir uns in jedem Augenblick darum, wahrhaft bedingungslos zu lieben. Bedingungslos lieben heisst im wahren Sinne des Wortes „keine Bedingungen stellen“: Wir lieben ihn nicht, weil… wenn… sofern… Wir lieben ihn einfach. Es macht uns glücklich zu lieben, nicht weil wir etwas dafür bekommen – genau betrachtet, nicht einmal, um wiedergeliebt zu werden. Das ist nicht einfach, zugegeben, dafür müssen wir hart an uns selbst arbeiten.
Wir haben also auch keine Erwartungen, stellen keine Forderungen. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Wünsche nicht äussern sollen – aber als Wunsch, nicht als Forderung. Und die Erwartungen lassen wir sofort fallen: Wenn unser Wunsch, ein ausgesprochener oder unausgesprochener, vom Partner erfüllt wird, gut; wenn nicht, so nehmen wir es nicht persönlich (auch dazu brauchen wir unsere Selbstliebe!) und es ändert nichts an unserer inneren Zufriedenheit. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch der nächste Punkt:

• Bei aller Selbstliebe: Uns selbst zu lieben, bedeutet nicht, unseren sogenannten oder vermeintlichen Bedürfnissen ein riesiges Gewicht zu verleihen. Elementare Bedürfnisse sollen wir nicht vernachlässigen, das ist richtig und wichtig! Aber es ist vielmehr ein Zeichen von Selbstliebe und Stärke, wenn wir unsere „Bedürfnisslein“ nicht so ernst nehmen, sie nicht zur Staatsaffäre aufbauschen und sie einfach loslassen. Meistens tragen sie nämlich überhaupt nichts zu unserem wahren Glück bei, wenn sie erfüllt werden.

Zum Schluss noch etwas Grundlegendes: Es ist nicht die Pflicht oder Aufgabe unseres Partners, uns glücklich zu machen. Glücklichsein lässt sich nicht delegieren, das können ausschliesslich wir selbst tun. Und in diesem Zusammenhang abschliessend eine radikale Äusserung meinerseits: Wenn es uns nicht gelingt, in einer „schwierigen“ Beziehung, mit einem „unvollkommenen“ Partner glücklich zu werden, wird es uns in einer einfachen, mit einem „perfekten“ Partner auch nicht gelingen. Wie der Dichter sagt: Wenn du dein Glück in der Hölle nicht findest, findest du es auch nicht im Paradies. An uns liegt es, an unserer Selbstliebe, nicht an den äusseren Umständen.

* Hier findet ihr weitere Aspekte zu diesen Aussagen:
Anhaftung und Abhängigkeit
Warum Beziehungen zerbrechen
Wieder einmal zum Thema Nächstenliebe
Liebe „sammeln“

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Liebevoller Aufruf zur Selbstliebe

Neulich drückte ich in einer langen E-Mail an einen lieben Freund meine Zweifel aus, ob mein Verhalten ihm gegenüber richtig gewesen sei. Seine Antwort, ebenfalls per E-Mail, war ganz kurz:

Bitte zweifle nicht so viel an Dir. Denk immer dran, dass alles, was Du tust, auf meiner Seite bei einem liebenden Herzen ankommt, und nicht bei jemandem, der nach Fehlern bei Dir sucht. Also tu auch Du es nicht, sondern liebe Dich weiterhin, Du bist es so sehr wert.

Ich war zu Tränen gerührt. Das ist etwas vom Wertvollsten, was ich je gelesen habe, und das Schönste und Liebevollste, was ein Mensch je zu mir gesagt hat.

Es ist zwar eine Tatsache, dass die meisten Menschen uns nicht mit diesem liebenden Herzen, das nicht nach Fehlern sucht, gegenüberstehen.
Aber es würde genügen, wenn wir uns selbst in dieser Weise begegnen: Ich suche nicht nach Fehlern bei mir, mein liebendes Herz für mich selber verzeiht mir alles, ich liebe mich, egal was ich tue, egal wie ich bin. Ich bin es wert, mich zu lieben, immer.

Wenn wir das schaffen, wird es uns auch gelingen, anderen Menschen mit diesem gleichen Herzen zu begegnen und ihnen stets das Gefühl zu vermitteln, dass sie bei uns so sein dürfen, wie sie sind, dass wir ihre „Fehler“ genau so lieben, wie ihre schönsten Seiten.

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Selbstveränderung stösst auf Ablehnung

Sobald wir beginnen, uns zu verändern, besonders wenn unser Selbstwertgefühl erstarkt und wir vermehrt wir selbst sind, versuchen viele Menschen unseres Umfelds uns zu sabotieren, gerade weil wir nicht mehr alles mit uns machen lassen, weil wir beginnen zu widersprechen und unseren eigenen Weg zu gehen. Wir bekommen dann Dinge zu hören wie: „Du hast dich verändert, aber nicht zu deinem Vorteil!“; „Was ist bloss los mit dir, warum bist du plötzlich so widerspenstig?“; „Du bist stur, kompromisslos, egoistisch.“ Sie versuchen uns das Leben schwer zu machen, indem sie unser Verhalten und damit uns selbst ablehnen, uns zu spüren geben, dass wir nicht mehr ihr „Liebkind“ sind, und sie meiden uns sogar.
Das ist eine Bewährungsprobe für unsere Selbstliebe: Wir müssen den Mut und die Kraft aufbringen, das durchzustehen, und keine Angst haben, die Liebe und Anerkennung geliebter Mitmenschen zu verlieren. Es sind hauptsächlich zwei Gründe, warum die anderen sich so verhalten: Der eine ist der pure Egoismus, weil wir natürlich nicht mehr so umgänglich sind, so leicht zu handhaben wie vorher. Der andere ist, dass wir ihnen ständig vor Augen führen, wie sie eigentlich auch sein möchten und sich nicht trauen; das treibt sie dazu an, uns in den Sumpf der gegenseitigen Abhängigkeit zurückzuholen und da zu behalten, wo sie auch drin stecken.

Doch wenn wir unseren Abhängigkeiten einmal entkommen sind, berührt uns all das nicht mehr. Wir erfreuen uns an unserem selbstbestimmten Leben und stehen über dem, was rund um uns geschieht. Und wir werden neue Freunde finden, die uns so akzeptieren, wie wir sind.

Manchmal machen wir jedoch noch eine andere Erfahrung. Zuerst stossen wir zwar auf Ablehnung – und da müssen wir durch! –, doch durch unsere Veränderung strahlen wir auch etwas aus, was auf die anderen wirkt, sodass sie sich dann ebenfalls ändern können. Das geschieht allein durch unser gutes Beispiel, wir brauchen sie nicht mit Worten zu überzeugen oder zu bekehren. Es ist das, was wir aussenden, was die Menschen verändert, und es ist diese die einzige Art, die Welt zu verwandeln: Ich ändere mich und strahle das in meinen ganz kleinen Umkreis aus – wenn jeder das tut, erlangen wir vielleicht eines Tages das Paradies auf Erden.

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