Liebevoller Aufruf zur Selbstliebe

Neulich drückte ich in einer langen E-Mail an einen lieben Freund meine Zweifel aus, ob mein Verhalten ihm gegenüber richtig gewesen sei. Seine Antwort, ebenfalls per E-Mail, war ganz kurz:

Bitte zweifle nicht so viel an Dir. Denk immer dran, dass alles, was Du tust, auf meiner Seite bei einem liebenden Herzen ankommt, und nicht bei jemandem, der nach Fehlern bei Dir sucht. Also tu auch Du es nicht, sondern liebe Dich weiterhin, Du bist es so sehr wert.

Ich war zu Tränen gerührt. Das ist etwas vom Wertvollsten, was ich je gelesen habe, und das Schönste und Liebevollste, was ein Mensch je zu mir gesagt hat.

Es ist zwar eine Tatsache, dass die meisten Menschen uns nicht mit diesem liebenden Herzen, das nicht nach Fehlern sucht, gegenüberstehen.
Aber es würde genügen, wenn wir uns selbst in dieser Weise begegnen: Ich suche nicht nach Fehlern bei mir, mein liebendes Herz für mich selber verzeiht mir alles, ich liebe mich, egal was ich tue, egal wie ich bin. Ich bin es wert, mich zu lieben, immer.

Wenn wir das schaffen, wird es uns auch gelingen, anderen Menschen mit diesem gleichen Herzen zu begegnen und ihnen stets das Gefühl zu vermitteln, dass sie bei uns so sein dürfen, wie sie sind, dass wir ihre „Fehler“ genau so lieben, wie ihre schönsten Seiten.

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17 Gedanken zu “Liebevoller Aufruf zur Selbstliebe

  1. Liebe Karin,

    ich bin über google hier hängengeblieben, auf der Suche nach Selbstliebe (im doppelten Sinne zu verstehen *g*). Hab mich nun ein wenig durchgelesen, und möchte dir zuerst mal sagen, dass ich die Seite hier und ihren Inhalt wirklich toll finde, und ich mir viel für mich rausnehmen kann.
    Jetzt hab ich mal noch eine Frage. Selbstliebe heisst ja, zu sich und seinen Empfindungen stehen und sie auch äussern, selbst wenn man Angst vor den Konsequenzen hat, richtig? Wäre es auch ein Akt der Selbstliebe, wenn ich meinem Gegenüber sage, was mich an dessen Verhalten stört (zB wenn er zu distanziert in der Beziehung ist), oder ist das eher ein unterschwelliger Versuch, ihn zur Änderung zu bewegen? Ich bin mir da noch nicht ganz sicher. Oder geht es darum, mitzuteilen, was sein Verhalten bei mir auslöst?
    Ich würde mich freuen, wenn du mir da helfen könntest.

  2. Liebe Aniko,

    es ist bestimmt richtig, wenn du deinem Gegenüber sagst, was du dir wünschst, z.B. mehr Nähe in der Beziehung. Ich würde es nicht in der Weise formulieren, dass etwas dich an ihm stört, oder im Sinne, dass du ihn verantwortlich machst für deine Empfindungen. Sag ihm vielmehr einfach, was dir wichtig ist, was du gerne möchtest.

    Es mag von deiner Seite, mehr oder weniger bewusst, ein Versuch sein, ihn zu ändern. Du kannst ihn nicht ändern – aber wie sollte er sich selbst ändern können (aus Liebe, aus Einsicht, …), wenn du ihm nicht sagst, was du dir wünschst?

    Allerdings, Erwartungen oder gar Forderungen solltest du nicht daran knüpfen. Wahre Liebe bedeutet, den Geliebten so zu lieben, wie er ist.
    Wahre Selbstliebe bedeutet, auf sich selbst zu hören und so zu handeln, wie wir es spüren. Mit allen Konsequenzen.
    Der Grat dazwischen ist sehr schmal… Pauschalrezepte kann es nicht geben.
    Vertraue dir selbst, Aniko, hör auf deine innere Stimme, dann tust du immer das Richtige.

    Alles Liebe für dich!
    Karin

  3. Liebe Karin,

    Auch ich bin über google auf deine Seite gestoßen und habe schon jetzt das Gefühl, dass es kein Zufall war, dass ich gerade hier gelandet bin, sondern ich genau hier das nächste Steinchen auf dem Weg finden kann.
    Ich bin seit drei Tagen verwirrt, habe das Gefühl, ganz weit weg von mir selbst zu sein und meine innere Stimme nicht wahrnehmen zu können. Deswegen wende ich mich nach außen, um zu sehen, ob von außen ordnende Hilfe kommen kann.

    Es handelt sich, natürlich, um Beziehungsdinge 🙂

    Und zwar habe ich mich vor einigen Monaten sehr intensiv in einen Mann verliebt und ihm das am letzten Abend vor meiner Abreise nach Kolumbien, wo ich für ein Jahr in einem sozialen Projekt arbeite, gesagt. Ihm ging es genauso, was ich sehr schön fand und mit einem sehr guten Gefühl abgeflogen bin, ohne dass wir etwas „fest“ gemacht hatten, wir wollten beide einfach sehen, was dieses Jahr mit uns macht, was wir beide erleben und wie es ist, wenn wir uns wiedersehen. Dieser Ausgangspunkt für eine Liebesbeziehung war für mich etwas sehr Neues, weil meine bisherigen Beziehungen meist von Anfang an von Verlustängsten, Besitzansprüchen, Missverständnissen, übergroßen Erwartungen und allem, was daran hängt, geprägt waren. Sich einfach zu gestehen, dass man etwas füreinander empfindet und daran nicht gleich einen ganzen Rattenschwanz von negativen Begleiterscheinungen zu knüpfen, war für mich ein ganz neues Gefühl von Leichtigkeit und einem „so wie es ist, fühlt es sich wie selbstverständlich an, alles ist an dem Platz, an den es gehört.“

    Nun bin ich seit zwei Monaten in Kolumbien und wir hatten regen Kontakt (ausschließlich über Email), der sich ebenso leicht, schön und fließend angefühlt hat. Nur leider habe ich irgendwann vorgeschlagen, dass wir uns ja Skype zulegen und so zum bloßen Emailschreiben auch chatten und telefonieren (über Mikro und Kopfhörer) hinzufügen könnten. Gesagt, getan, und wir haben nun auch gechattet, uns per webcam gesehen und telefoniert. Ich hab schon ziemlich bald gemerkt, dass das chatten und die webcam-Gespräche mit ihm meine Laune rapide sinken lassen und ich am Ende jedes Gesprächs schlecht gelaunt war, Lust hatte, ihm gegenüber zu sticheln, Grundsatzdiskussionen anzufangen, ihn zu lenken, Vorwürfe zu machen sowie mich nach diesen Gesprächen schlechter wieder in meinen kolumbianischen Alltag einfügen konnte.

    Dennoch habe ich nicht die Reissleine gezogen, sondern mich jedesmal wieder auf ein neues Skype-Gespräch eingelassen, weil ich ihn zwischen den Gesprächen, wenn die schlechte Stimmung verflogen und ich wieder bei mir war, sehr vermisst habe und Skype ja die Illusion der Nähe mit sich bringt. Gerade eben, als ich das tippe, bin ich auch schon wieder wütend auf mich, dass ich das so lange gemacht (insgesamt vier Wochen) und nicht auf meine innere Stimme gehört habe.

    Vor drei Tagen haben wir dann wieder einmal telefoniert, ich hatte schon den ganzen Tag zuvor überlegt, ob es das Richtige für mich ist, ihm zu sagen, dass ich nicht noch zehn Monate lang unseren Schwebezustand beibehalten, sondern „offiziell“ mit ihm zusammen sein will.
    Eigentlich wusste ich aber, dass es nicht das Richtige wäre, weil es die Leichtigkeit rausnehmen würde und ich noch nicht bereit dazu bin, und es sehr viel Sinn macht, dieses Jahr als Single, nur für mich, zu erleben, war aber drauf und dran, meine Stimme zu missachten.
    So wollte ich ihm während des Telefonats eigentlich sagen, dass ich gern offiziell seine Freundin wäre, traute mich aber nicht, weil ich es fast nie schaffe, solche Dinge in persona zu sagen, sei es am Telefon oder erst gar in echt. Deshalb schlug ich vor, das Telefonat zu beenden und auf chat überzugehen. Er stimmte zu und ich lenkte das Gespräch ziemlich schnell in eine gefühlsmäßige Richtung, eine Sache, die ich gar nicht an mir mag, Suggestivfragen, Heraufbeschwören von Themen, ungeachtet des natürlichen Gesprächsverlaufs und vor allem der inneren Stimme, die schon wieder schlechte Laune bekam.

    Ich fragte eine eigentlich völlig unwichtige Frage: ab wann er gemerkt habe, dass unser Verhältnis nicht mehr nur rein freundschaftlich sei; einfach um etwas „Schönes“ von ihm zu hören. Und wollte eine Sekunde später einen Rückzieher machen, indem ich sagte, dass die Antwort eigentlich gar nicht wichtig sei. Aber er antwortete schon, und zwar ziemlich ausführlich, mit vielen netten Dingen, über die ich mich an anderer Stelle auch gefreut hätte, aber eben nicht im chat. Mit jeder gefühlvollen Zeile seinerseits wurde meine Verstimmung größer und ich brach gleich darauf ab, indem ich sagte, dass ich merke, dass es jetzt Zeit sei, dieses Medium zu beenden.

    Seit diesem chat bin ich schlecht gelaunt, meine Gefühle für ihn, die vorher so stark waren, sind plötzlich weg, oder verschüttet, ich weiss es nicht. Kann es sein, dass durch ein dreistündiges Skype-Gespräch die vorher über Monate gleich stark bzw. immer stärker werdenden Gefühle für einen Menschen auf einmal ausgelöscht werden?

    Ich würde gerne trennen, was an dieser Sache zu mir und was zu ihm gehört, wo ich negative Gefühle auf ihn projiziere, die rein gar nichts mit ihm zu tun haben, und einfach ein bisschen Licht in die Verwirrung bringen.

    Mit meiner letzten Beziehung zu einem Mann, der eine sehr geringe Selbstliebe besaß und deswegen immer auf´s Neue Bestätigung durch andere Frauen gesucht hat, habe ich über Monate, oder eigentlich über fast zwei Jahre, sehr lange, endlose, unfruchtbare chat-Gespräche geführt, mit vielen Streits, Missverständnissen, viel Angst, viel Härte und Trauer. Wir haben es nie geschafft, uns unsere Zuneigung in persona zu gestehen, sondern den chat immer als proxy benutzt, um nicht einem Gegenüber in die Augen sehen, Furcht und Verletzlichkeit zeigen zu müssen. Aus dieser Beziehung habe ich sehr viel gelernt und wollte es eigentlich beim nächsten Mal anders machen, was ja bisher auch ganz gut geklappt hat (der erste Mann, dem ich meine Zuneigung persönlich gestanden habe :).

    Jetzt habe ich Angst, dass durch das blöde chatten alles kaputt ist und ich durch irgendwelche komischen Projektionen meine Gefühle für ihn verschüttet habe.

    Daran würde ich sehr gerne arbeiten. Welches Gefühl hast du zu diesem Text, wo siehst du Verknotungen, die sich vielleicht lösen lassen? Ich würde mich sehr freuen, wenn du ein paar deiner Gedanken dazu aufschreibst.

    Vielen Dank für deine Zeit und eine Umarmung, falls gewünscht, aus dem warmen Kolumbien 🙂

    Andrea

  4. Ich habe noch etwas vergessen. Das Seltsame an der ganzen Sache ist auch, dass ich seit diesem Gespräch einen großen Groll auf IHN verspüre, dass er nicht sieht, dass es Beziehungen kaputtmacht, wenn man sich Gefühlsdinge nur über unpersönliches chatten mitteilt, wieso er sich darauf eingelassen und sich von mir hat lenken lassen, wieso (auch) er unfähig ist, seine Gefühle von Angesicht zu Angesicht auszudrücken und sich stattdessen hinter Medien versteckt.

    Das war jetzt sehr unzensiert das, was mir in den letzten Tagen durch den Kopf geht.
    Wie gesagt, ich versuche, zu trennen, was seines und was meines ist, und wieso es mich so unglaublich wütend macht, meine Schwächen in jemand anderem, für den ich doch eigentlich sehr positive Gefühle hatte, widergespiegelt zu sehen…

  5. Liebe Andrea,

    Danke für deine Umarmung aus der Wärme, bei uns ist es ja momentan zwar sonnig, aber schon recht kalt.

    Ich schreibe dir, wie du es wünschst, ein paar Gedanken auf, relativ unzusammenhängend, da du verschiedene Aspekte ansprichst.

    Chat
    Das halte ich (aus eigener Erfahrung!) für das schlechteste Medium überhaupt, um über ernste Dinge zu sprechen, sei es über die Liebe oder anderes. Und zwar vor allem aus dem Grund, weil man ständig unter Zugzwang steht, gleich etwas antworten zu müssen, kaum erscheint die geschriebene Zeile des Partners. Es ist keine Zeit weder zum Denken noch zum Sichspüren.
    Am Telefon und im direkten Gespräch ist das nicht der Fall, da ein Gesichtsausdruck, ein Seufzer, ein Blick in die Augen, und selbst das Schweigen, wahrgenommen werden.

    Verschwundene Gefühle
    Dass deine Gefühle von einem Tag auf den anderen verschwunden sein sollen, kann ich nicht glauben. Es ist wahrscheinlich so, dass du sie (und dich, wie du sagst) nicht mehr spürst. Du verwendest auch den Ausdruck „verschüttet“, das dürfte zutreffen. Sie sind momentan nicht wahrnehmbar, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht mehr da sind. Wäre es wirklich so, dann müsstest du dir eingestehen, dass nie echte Gefühle für diesen Mann vorhanden waren. Wahre Liebe verschwindet nicht von einem Augenblick auf den nächsten und vor allem nicht wegen banaler Äusserlichkeiten.

    Die Beziehung „festmachen wollen“
    Das kann ich gut nachvollziehen. Das ist etwas, das wir im Grunde genommen immer wollen. Garantien (am liebsten für die Ewigkeit), die Gewissheit zusammenzugehören, eine „richtige“ Beziehung… Daran kann ich auch nichts Verwerfliches finden – solange wir uns bewusst sind, dass wir nie eine Garantie haben, dass eine Beziehung gut geht und lange hält.
    Aber im Moment, in dem man sich liebt und zusammen ist, zueinander zu stehen, ganz, das halte ich für wichtig. Allerdings im Bewusstsein, dass jede „Wahrheit“ immer die Wahrheit des Augenblicks ist und sich im nächsten Augenblick ändern kann. Und falls sie sich ändert, weder Vorwürfe noch Schuldgefühle aufkommen zu lassen.
    Damit in engem Zusammenhang gleich mein nächster Gedanke:

    Absolute Ehrlichkeit
    Ich habe das Glück, und dafür empfinde ich eine Riesendankbarkeit, dass ich seit einem Jahr in einer Beziehung mit einem Mann bin, in der absolute Ehrlichkeit und absoluter Respekt herrschen. Vorher kannte ich es in dieser Totalität auch nicht. Keine „Spielchen“, keine Taktik, keine Manipulation, nichts verschweigen, aber auch nicht immer alles herauslassen, den anderen nicht verantwortlich machen für das eigene Befinden, die eigene Last nicht auf den anderen abladen, sondern sie mit ihm teilen und und und.
    Ich war schon immer davon überzeugt, dass das der einzige Weg ist, eine wirklich tragfähige, bereichernde und beglückende Beziehung zu leben. Nun darf ich es erleben!
    Und das ist es auch, was ich allen nur wärmstens raten kann. Hab den Mut, ehrlich zu sein! Sprich mit ihm über deine Gefühle – sag ihm auch, dass sie momentan verschüttet sind, sag ihm, was du beim Telefonieren und Chatten empfindest, erzähl ihm alles, ungeschminkt – du kannst auch so weit gehen, ihm zu sagen, dass du IHN dafür verantwortlich machst, obwohl du genau weisst, dass du nur etwas projizierst usw. usw.
    Mit ihm solltest du reden und mit ihm zusammen deine (und ev. seine) Probleme lösen – macht dieses Problem zu eurem gemeinsamen, was es in Wirklichkeit auch ist. Wenn euch beiden etwas an eurer Beziehung liegt, dann gibt es nicht Probleme, die zu dir gehören, und Probleme, die zu ihm gehören. Jedes Problem ist ein gemeinsames und kann nur gemeinsam wirklich gelöst werden. (Diese Einsicht verdanke ich meinem Liebsten, sie stammt nicht von mir, aber es war für mich sehr, sehr befreiend, es von ihm zu hören und zu meiner eigenen Wahrheit zu machen!)

    Es ist mir bewusst, Andrea, dass das ein grosser Schritt für dich ist, du musst fast über deinen Schatten springen. Aber du hast aus deiner vergangenen Beziehung gelernt, wie du selbst schreibst. Dass du es nicht von einem Tag auf den anderen schaffen kannst, alles in die Tat umzusetzen, ist klar. Aber Schritt für Schritt.

    Und ebenfalls aus eigener Erfahrung weiss ich nur zu gut, dass es Momente gibt, in denen wir emotional so in uns selbst gefangen sind, dass wir nicht mehr klar sehen und denken. Gerade in diesen Momenten ist es umso wichtiger, mit dem geliebten Menschen zu sprechen und alles offen hinzulegen. Das schafft auch in einem selber Klarheit.

    Als unmittelbare Massnahme würde ich dir raten, dass du den gesamten Text, den du in diesen zwei Kommentaren geschrieben hast, an ihn mailst. Und ihn um seine Hilfe bittest, da du ihn liebst und ihn nicht verlieren möchtest.
    Einer von euch muss den ersten Schritt der Öffnung machen. Sei du es! Zumal das Problem hauptsächlich auf deiner Seite entstanden zu sein scheint.

    Vielleicht ist es auch nicht schlecht, wenn ihr vorübergehend auf Telefon und Chat verzichtet und versucht, über E-Mail einen Schritt weiterzukommen. Aber wirklich nur als Zwischenlösung! Sobald sich eure Situation wieder ein bisschen stabilisiert hat, solltet ihr unbedingt wieder am Telefon miteinander reden.
    Oder – das ist natürlich auch nicht auszuschliessen – du spürst, dass du nicht weitermachen willst in dieser Beziehung, oder er spürt es, oder … Es kann vieles geschehen… Jedenfalls: Du hast nichts zu verlieren.

    Als ich angefangen habe, an dieser Nachricht für dich zu schreiben, Andrea, wusste ich nicht recht, was sagen. Aber je mehr ich mich hineingegeben habe, desto mehr ist es einfach geflossen. Es kommt viel aus meinem eigenen Erlebten rüber, gerade auch aus der jüngsten Zeit.

    Ich wünsche dir von Herzen, dass du einen Weg findest – nein, dass ihr zusammen einen Weg baut!

    Eine feste Umarmung,
    Karin

  6. Liebe Karin,

    Vielen Dank für deine prompte und teilnehmende Reaktion!
    So, wie es dir beim Schreiben ging, kam dein Text auch bei mir an: zuerst etwas stockend, dann immer fließender und sinniger 🙂

    Ich werde alles, was du geschrieben hast, in den nächsten Tagen überdenken und durchfühlen. Es klingt für mich alles sehr nachvollziehbar, bis auf die Vereinigung sämtlicher Probleme zu einem gemeinsamen. Ich habe gelernt, dass man sehr viele alte Probleme aus der eigenen Vergangenheit auf die Gegenwart überträgt und sie auf Menschen projiziert, die damit rein gar nichts zu tun haben. In diesem Sinne meine ich die Trennung. Überdenken, was gehört zu mir bzw. meiner Vergangenheit und was ist „er“ bzw. die Gegenwart und versuchen, beides nicht unangemessen zu verschmelzen. Klingt das sinnvoll?

    Vielen lieben Dank,
    Andrea

  7. Liebe Andrea,

    Nur ganz kurz, ich muss gleich weg. Ich will etwas berichtigen, da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt.

    Mit ihm solltest du reden und mit ihm zusammen deine (und ev. seine) Probleme lösen – macht dieses Problem zu eurem gemeinsamen, was es in Wirklichkeit auch ist.

    Ich meinte damit nicht, alle Probleme zu einem verschmelzen, seine, deine, die aus der Vergangenheit.
    Nur dieses einen Problem, das dich im Moment beschäftigt (deine verschütteten Gefühle, sich die Gefühle persönlich mitteilen, deine Schwierigkeiten mit dem Chat, die Beziehung „festmachen“ wollen), solltest du nicht als nur dein Problem betrachten, sondern es mit ihm teilen, es dadurch zum gemeinsamen machen und mit ihm gemeinsam eine Lösung suchen. Dies deshalb, weil es in der Tat auch sein Problem ist, wenn du in der Beziehung mit ihm unglücklich bist – also euer gemeinsames Problem.

    Alles Liebe,
    Karin

  8. Ich erkenne das Selbstliebe der Schlüssel zum Glück ist.
    Aber dennoch bin ich mein größter Feind und ich weiß einfach nicht wie ich es anstellen soll diesen Feind zu lieben… 😕

  9. Liebe Karin,

    Hier bin ich nochmal zu oben bereits einmal besprochenem Thema, bei dem du mir sehr geholfen hast.

    Zuerst einmal, wie es danach weiterging: ich habe mich tatsächlich an deinen Rat gehalten, weil er sich für mich sehr gut angefühlt hat. Ich war so mutig, ihm unseren gesamten Austausch unzensiert zu mailen und ihm meine Gedanken zu schreiben, völlig offen. Und er hat sehr positiv reagiert! Ich dachte, er würde mich für überdreht oder „psycho“ halten oder für jemanden, der alles bis ins kleinste Detail auseinanderdenken muss – aber nein, er fand es alles andere als peinlich, sondern sehr mutig und schön. Puh!
    Schon während meiner Beschäftigung mit dem Thema hatte ich gemerkt, dass die Gefühle langsam wiederkommen, und ich muss sagen, sie kamen nach ihrem kurzzeitigen Verschwinden intensiver wieder als zuvor! Ich war sehr glücklich und habe mir geschworen, sie nicht wieder durch unpassende Medien aufs Spiel zu setzen.

    Leider, leider, keine Ahnung wieso, haben wir vor mittlerweile fast zwei Monaten (also eigentlich ziemlich bald, nachdem meine Gefühle erfolgreich „restauriert“ waren) wieder kurz gechattet und wieder ging die Tür zu. Wir hatten ein sehr schönes, langes Telefonat über Skype, aber irgendwann war der Akku des PCs leer. Eigentlich war das Gespräch sowieso bereits an einem guten Ende und ich hatte erst den Impuls, es so auf sich beruhen zu lassen und schlafen zu gehen. Dann kam ich aber doch ins Wanken, da wir uns nicht richtig verabschiedet hatten, und setzte mich noch an den anderen PC. Ich überlegte, ob ich das Mikro anschliessen sollte oder mich einfach kurz über den chat verabschiede. Das Mikro lag da, aber irgendwie war ich dann zu bequem, es anzuschliessen (dauert immer ein paar Versuche, bis es funktioniert) und dachte mir „nur ganz kurz verabschieden, da kann ja eigentlich nichts passieren“. Also schloss ich es nicht an und komischerweise schwindelte ich ihn an und sagte, dass das Mikro nicht da sei, weswegen nur chat möglich sei. Irgendwie fühlte es sich an wie ein bewusstes Betreten des Glatteises bzw. ich war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, der Versuchung, ihn noch kurz zu sprechen und das Gespräch „richtig“ abzuschliessen und dem Wissen, dass es eigentlich gut war, so wie es war. Bei jedem Satz im chat bangte ich folglich, dass er wieder irgendetwas sagen würde, was bei mir dazu führt, dass meine Gefühle verschüttet werden.
    Ich glaube, er wollte aus dem gleichen Grund das Gespräch ebenso schnell beenden und nach ein paar gefahrlosen Sätzen fraget er dann, „wann wir uns wieder hören oder sogar sehen würden (schmacht)“. Ich habe total gestutzt, dass er auf einmal so ein Wort verwendet und dann auch noch in dieser Form, die ich nur von eingefleischten chattern kenne (schmacht, lach, grins und so). Das stieß mir total komisch auf und meine Laune sank von einem Moment auf den anderen und ich habe gemerkt, wie sie immer weiter sank, bis schliesslich am nächsten Tag der Zustand der verschütteten Gefühle wieder eingetreten war.

    Der Unterschied diesmal war, dass ich keine oder nur wenig Wut verspürte, sondern eher so eine Art großer Missbilligung für mich, dass ich wieder in den chat gegangen bin und viele Gedanken wie „du hast es einmal geschafft, deine Gefühle wieder spürbar zu machen, soviel Kraft hast du bestimmt kein zweites Mal, du hast die einzige Chance verscherzt etc.“. Eigentlich sollte man sich ja denken, dass man, wenn man es einmal geschafft hat, es auch ein zweites Mal schafft, aber manchmal denke ich, die Kraft nimmt von Mal zu Mal ab und es wird unwahrscheinlicher, dass man es nochmal schafft…

    Zur Missbilligung für mich kam dann auch eine Missbilligung für ihn und ich fragte mich, ob es wirklich an einem einzigen Wort gelegen haben kann, das mir nicht gepasst hat? Ich habe dann bemerkt, dass ich ihn gedanklich auch in anderer Hinsicht schlecht gemacht habe bzw. mir kurze Gedanken durch den Kopf geschossen sind, die ihn schlecht gemacht haben. Das hat sich aber alles nicht authentisch angefühlt und mir fiel ein, dass ich solche negativen Gedanken (die sind nicht objektiv, sondern einfach schlechtmachende Gedanken wie „der ist zu hässlich für mich“ oder sowas, oh Mann, ist mir echt peinlich, das aufzuschreiben, das ist wie ein negatives Stimmchen, das mir solche Sachen vorsagt, eigentlich halte ich mich eher zu hässlich für ihn…) schon früher bei anderen Männern hatte.

    Ich hab wochenlang gar nichts gespürt, einfach Taubheit, da, wo vorher die Gefühle für ihn waren, nämlich im Bauch. Das fühlt sich an wie eine Tresorwand, die zwischen mir und meinen Gefühlen runtergelassen wird und mich von ihnen trennt. Diese Tresorwand zu lüften ist jetzt das Ziel. Ich kam keinen Schritt dabei weiter, musste viel arbeiten und hatte keine Ruhe, mich damit zu beschäftigen. Ein Teil der Gefühle ist wieder spürbar, aber es ist nicht mehr das leichte, fliessende Gefühl, das es vorher war.
    Ich komm da irgendwie nicht weiter und würde vermute, dass ich einfach Angst vor Verletzung und Angst vor Beziehungen allgemein habe (dass ich Angst vor Beziehungen zu anderen Menschen habe, weiss ich schon länger, aber irgendwie dachte ich, dass Liebesbeziehungen davon ausgeschlossen sind…).

    Vermutlich klingt dieser Text sehr wirr, aber damit drückt er nur meinen Zustand aus.

    Ich danke dir fürs Durchlesen und deine Anteilnahme,
    Andrea

  10. Liebe Andrea

    Dein Text ist nicht wirr, vieles, ja fast alles, kommt mir sehr bekannt vor!

    Dass du entgegen deinem Vorsatz wieder gechattet hast, finde ich überhaupt nicht schlimm. Was heute wahr ist (dass Chat dir nicht gut tut), muss morgen nicht mehr wahr sein – wir entwickeln uns ja und es ist richtig, Dinge (wieder) auszuprobieren. Sonst würden wir ja ewig an Ort treten und nie weiterkommen.
    Dass und warum du ihn angelogen hast in Bezug auf das Mikrofon, scheint mir auch nicht so wichtig.
    Und schliesslich halte ich den „Auslöser“ für das erneute Verschütten deiner Gefühle (*schmacht*) ebenfalls für nebensächlich; wie ich weiter unten ausführe, hätte es irgendetwas anderes sein können. (Nebenbei gesagt: Ich fand früher solche Chat-Formeln auch grässlich, seit längerem verwende ich sie in Foren jedoch selber und finde sie ganz nützlich!).

    Wie bei meiner letzten Antwort an dich zu deinem Problem, werde ich nachfolgend einfach einige Gedanken aufschreiben, die mir beim Lesen deines Textes spontan eingefallen sind. Es geht meines Erachtens bei dir (wie bei uns allen) um ganz grundlegende Dinge; wenn es uns gelingt, das Übel an der Wurzel zu packen und auszureissen, verschwinden die Detailprobleme wie von selbst.

    Denken und Fühlen
    Diesem Teufelskreis habe ich eine ganze Themen-Ausgabe meiner Schriftenreihe Sonnwandeln gewidmet (die Nr. 13, siehe http://www.nada-verlag.ch/sonnwandeln/themen/13_denken.html , ich schicke dir diese Ausgabe per E-Mail, vielleicht findest du darin weitere Anregungen).
    Dieser Teufelskreis läuft kurz gesagt wie folgt ab: Ein Gedanke kommt auf (warum auch immer), zieht einen weiteren mit sich, die Gedanken erzeugen Empfindungen (holen z.T. alte Empfindungen aus dem Unbewussten hervor), darauf folgen wieder Gedanken, diese erzeugen wieder Empfindungen – und der Teufelskreis nimmt seinen ewigen Lauf. Er kann übrigens auch mit einer Empfindung beginnen, die dann Gedanken nach sich zieht usw.
    Diese Gedanken und Empfindungen gehören ganz klar nicht zu unserer Seele, sie sind ein Erzeugnis unseres Ego und wir sollten sie deshalb verhindern. Das eindeutige Merkmal, um sie von den Gefühlen und dem Wissen der Seele zu unterscheiden, ist, dass wir uns dabei nicht gut fühlen, erregt, unruhig sind, die Gedanken nicht abstellen können, immer wieder die gleichen Gedanken aufkommen oder wirr kreisen, auch, wie du erwähnst, dass sie sich nicht authentisch anfühlen usw.

    Das Ego
    Eine Eigenschaft des Ego ist, dass es das „Drama des Lebens“ liebt. Lieber leidet es, als dass immer alles schön gleichmütig und voller Zufriedenheit ist. Das ist einer der Gründe für unser Auf und Ab: Immer wenn gerade alles so schön stimmt und wir uns in einem Hoch befinden, „produziert“ das Ego etwas in uns, damit wir in ein Tief fallen. Meistens benutzt es ganz banale Dinge – wie in deinem Fall hier eine Aussage des Geliebten (wärst du nicht in den Chat gegangen, hätte es sich etwas anderes einfallen lassen, das Ego ist unheimlich raffiniert und listig!).
    Damit hat das Ego sein erstes Ziel erreicht, nämlich dass du von deinem Hoch wieder heruntergekommen bist.
    Damit aber nicht genug. Es geht noch weiter. Diese „Taubheit der Empfindungen“, oft einhergehend mit einer scheinbaren Gleichgültigkeit, ist (neben Niedergeschlagenheit und Entmutigung) einer seiner liebsten Tricks, um das zu erreichen, was es möchte, nämlich in diesem Fall dich erstmal zu blockieren, unten zu halten, oder dich von deinem Weg abzubringen (z.B. dass du die Beziehung beendest, weil du ja angeblich nichts mehr für deinen Freund empfindest).

    So viel zu meinen grundsätzlichen Gedanken, die – glaube mir! – nicht nur aus Büchern stammen, sondern aus meiner eigenen täglichen Erfahrung. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, noch darüber zu schreiben, warum das Ego das tut und mehr, ebensowenig kann ich dir genau sagen, was dein Ego in diesem Fall erreichen will, ich habe im letzten Absatz nur einige Mutmassungen angestellt.

    Ich komme jetzt nochmals kurz auf deine momentane Situation.
    Die Liebe zu deinem Freund ist in deiner Seele noch da, aber solange du im Ego bist, spürst du sie nicht, dein Ego verweigert sich gewissermassen dem wahren Gefühl.
    Konkret kannst du wohl nicht viel anderes tun, als dir dessen bewusst zu sein und zu versuchen, die Verbindung mit deiner Seele wieder aufzunehmen. Stoppe augenblicklich negative Gedanken, sobald sie aufkommen, sowohl solche in Bezug auf ihn wie auch auf dich, d.h. denke nicht mehr darüber nach, dass und warum du wieder gechattet hast, dass und warum du wegen des Mikrofons gelogen hast, gib deiner Missbilligung für ihn und für dich keinen Raum. Denke überhaupt nicht mehr nach über das, was geschehen ist und über die möglichen Gründe und Ursachen.

    Aus dem Dunkeln kommst du nicht heraus, indem du gegen die Dunkelheit ankämpfst, sondern nur, indem du einen Schritt ins Licht machst!

    Wie man das schafft, ist individuell, es gibt wohl kein Patentrezept. Zum Einen ist es wichtig, die gegenwärtige Situation einfach einmal als solche zu akzeptieren, wie sie ist, im Wissen, dass es nur ein „Spiel“ deines Ego ist.
    Zudem kannst du mit positiven Gedanken arbeiten, positive Äusserungen im Kopf einfach aufsagen, wie ein auswendig gelerntes Gebet oder Mantra (auch wenn das, was du denkst/sagst, für dein momentanes Empfinden noch nicht der Wahrheit entspricht). Ein Beispiel für solche positiven Gedanken wäre im konkreten Fall: „Ja, mein Freund hat zwar etwas gesagt, was mich befremdet hat, aber ich liebe ihn, wie er ist, egal was er sagt, was er tut, ich liebe ihn bedingungslos. Meine Liebe für ihn ist in meiner Seele, unerschütterlich und tief.“ Ferner, dass du dich nicht davon abhalten lässt, deine Beziehung so weiterzuführen, als ob du deine Liebe nach wie vor spüren würdest.

    Es ist nicht so einfach, aus einer solchen egoischen Gemütslage wieder herauszukommen, das muss ich leider aus meiner eigenen Erfahrung sagen. Es gelingt mir auch nicht immer so schnell und anhaltend, wie ich es möchte. Und zwar aus dem Grund, weil wir – solange wir drinnen stecken – wie gefangen sind, uns im Kreis drehen und das „Draussen“ gar nicht mehr sehen.

    Für mich persönlich sehr wichtig ist in diesen Momenten das Urvertrauen. Ich sage mir dann immer wieder: Wenn ich mich jetzt gerade so fühle, dann soll es so sein, damit ich etwas daraus lerne. Es ist gut und richtig, wie es ist. Und es wird alles so kommen, wie es gut und richtig für mich ist – egal was ich tue, egal was ich denke. Ich bin genau so, wie ich im Moment sein soll.

    Liebe Andrea, ich hoffe, ich konnte dir mit meinen Gedanken ein paar Anregungen geben, und wünsche dir für deine weiteren Schritte alles Liebe,
    Karin

  11. Liebe Karin,

    Vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort! Ich musste sogar lachen, als ich gelesen habe, dass du solche chat-Formeln auch grässlich fandest, aber sie mittlerweile regelmäßig benutzt. Es ist bemerkenswert, wie du dich intensiv mit spirituellen Dingen beschäftigst und gleichzeitig aktiv im multimedialen Jetzt bist!

    Deine Anregungen sind für mich sehr neu, ich habe mich noch nie mit dem Ego beschäftigt (gibt es irgendwo auf deinen Seiten eine konzise Info darüber, was das Ego eigentlich ist?) und finde den Gedanken gerade etwas befremdlich, dass etwas in mir sein soll, dass aktiv und hinterlistig meine Seele sabotiert…fühlt sich nicht sehr gut an, dieser Gedanke.

    Ich hätte eher vermutet, dass die verschütteten Gefühle eine Schutzfunktion sind, denn wo keine Gefühle, da auch keine Verletzungen.

    Widersprechen sich beide Mutmassungen?

    Ich habe aus deiner Antwort neue Motivation gewonnen und werde auch die Sonnwandeln-Ausgabe intensiv durchlesen.

    Eine Umarmung,
    Andrea

  12. Liebe Andrea,

    Es ist bestimmt nur diese Terminologie Ego / Seele, die sich für dich befremdlich anhört, denn das Phänomen an sich kennst du.
    Ich hätte es auch anders formulieren können, z.B. als „die verschiedenen Ichs“ oder als „Engelchen und Teufelchen“ in uns.
    Das ist nämlich eine alltägliche Erfahrung, die wir alle machen. Etwas in mir (eines meiner Ichs, nennen wir es das Vernunft-Ich) will mit dem Rauchen aufhören – am nächsten Tag wirft ein anderes Ich, nennen wir es das Genuss-Ich, den guten Vorsatz über den Haufen. Und dann meldet sich vielleicht ein weiteres Ich, nennen wir es das Richter-Ich, mit Selbstvorwürfen und Frustration über meinen schwachen Willen. Und wahrscheinlich dann irgendwann die Seele, die versöhnlich und tröstend sagt: „Es macht nichts, dass du es dieses Mal nicht geschafft hast. Versuch es einfach wieder!“

    Oder wie ist es sonst zu erklären, dass ich heute eine Entscheidung treffe und sie nach kurzer Zeit wieder ändere? Das kann doch nicht das gleiche Ich sein, das wäre absurd.
    Wie gesagt, oft spricht man auch vom Engelchen, das auf der einen Schulter sitzt und dir das Richtige ins Ohr flüstert, und vom Teufelchen auf der anderen Schulter, das dir die Versuchung ins andere Ohr schreit. Oder vom Guten und vom Bösen im Menschen.

    Oder wir fassen eben alle diese verschiedenen Ichs bzw. das Teufelchen bzw. das Böse unter dem Begriff Ego zusammen; und die Seele ist das Engelchen bzw. das Gute.

    Das passiert ständig in weitaus weniger wichtigen Situationen. Dein Beispiel: Dein Vernunft-Ich hatte sich vorgenommen, nicht mehr zu chatten. Dein Trägheit-Ich wollte aber das Mikrofon nicht anschliessen und hat dir suggeriert: „Es wird schon nichts passieren, nur ein paar Sätze.“ Das Selbstliebemangel-Ich hat deinen Freund dann angelogen, weil es nicht zugeben wollte, dass du deinem Vorsatz, nicht mehr zu chatten, untreu geworden bist. Das Immerallesschlechtmachen-Ich hat sich daraufhin an einem harmlosen Wort gestossen und das Selbstschutz-Ich hat daraufhin die Tresorwand heruntergelassen, um die leise Stimme der Seele, die dir noch etwas über deine Gefühle zu deinem Freund sagen wollte, auszusperren.

    Warum das Ego, „aktiv und hinterlistig deine Seele sabotiert“, wie du es so schön formulierst, ist eine lange Geschichte, die ich hier nicht in wenigen Sätzen erklären kann. Aber kurz gesagt geht es ja in unserem Leben darum, uns innerlich zu entwickeln bzw. in christlichem Sinne ausgedrückt das Böse in uns zu bekämpfen und das Gute zu fördern. Warum der Gott der Kirche oder eine Höhere Macht oder wer auch immer diese Welt geschaffen hat, das so eingerichtet hat, dass wir uns mit Gut und Böse auseinandersetzen müssen, das ist entweder ein Geheimnis oder wird durch die verschiedenen Religionen und spirituellen Richtungen jeweils auf ihre Weise erklärt.

    Ich schicke dir per E-Mail auch noch die Sonnwandeln-Ausgabe Nr. 12 über das Ego; darin steht die Theorie, die ich zu diesem Thema bevorzuge, angelehnt an indische philosophische Traditionen.

    Noch kurz zu deiner Vermutung über den Schutz durch verschüttete Gefühle. Ja, das kann – auf der psychologischen Ebene betrachtet – durchaus so verstanden werden, das halte ich auch für wahrscheinlich.
    Mir persönlich haben aber solche psychologischen Weisheiten selten geholfen, meine Probleme zu lösen. Was fange ich konkret damit an, wenn ich weiss, dass ich mich durch Gefühllosigkeit vor Verletzung schütze? Wie ändere ich diesen Zustand?
    Deshalb bin ich meinem spirituellen Lehrer sehr dankbar, der mich gelehrt hat, alles auf die „unterste“ Ebene zu reduzieren und meine Erkenntnisse dort zu suchen, um die Probleme an der Oberfläche zu lösen.

    Ich weiss, es ist ein komplexes Thema, und es ist mir klar, dass ich das nicht in solch kurzen Texten hinreichend hinüberbringen kann. Ich selbst befasse mich seit fast 20 Jahren intensiv mit meinem Ego und habe hunderte von Seiten darüber geschrieben, alles in allem. Und ich beschäftige mich täglich mit ihm, mal mehr, mal weniger erfolgreich.

    Am besten, du versuchst einfach einmal ein bisschen zu beobachten, wie was in dir abläuft. Dann spürst du mit der Zeit, welches Ich gerade aktiv ist bzw. ob es das Ego oder die Seele ist. Hinweise, wie das geht, findest du in der erwähnten Sonnwandeln-Ausgabe Nr. 12.

    Dir auch eine herzliche Umarmung,
    Karin

  13. Liebe Karin,

    Hier bin ich einmal wieder :). Gerade geht es mir nicht so gut, ich bin innerlich erschöpft und sehne mich nur nach Ruhe.
    Da ich das Gefühl habe, meine derzeitige Situation gerade nicht objektiv (oder konstruktiv) beurteilen zu können, schreibe ich dir :).
    Die letzten zwei Wochen ging es mir sehr gut in Bezug auf die Beziehung zu dem Mann in Deutschland, meine Gefühle waren spürbar und es hat sich sehr gut angefühlt, ich konnte mir gut vorstellen, mit ihm zusammenzusein, wenn ich wieder in Deutschland bin, ohne dabei Fluchtinstinkte zu bekommen usw.
    Ich hab ihm auch von diesen Fluchttendenzen und -ängsten erzählt bzw. in mails geschrieben und diese Offenheit hat sich gut angefühlt. Ein Teil meiner Ängste zielte dabei darauf ab, dass ich wusste, dass er ein sehr großer Asien-Liebhaber ist und ich auch von einigen asiatischen Freundinnen wusste, die er hatte. Das war für mich ein äußerst heikles Thema, weil ich dachte, sein Schönheitsideal sähe dezidiert asiatisch aus (und ich könnte ihm folglich nie gerecht werden). In einer kurzen mail habe ich ihm deshalb geschrieben, dass meine Angst vor einer Beziehung auch daher rührt, dass ich riesige Angst habe, dass er mich irgendwann verlassen und sich asiatischen Frauen zuwenden könnte.
    Er hat darauf nicht reagiert, aber da sowieso noch eine Antwort auf dieses ganze Thema „Ängste“ ausstand, habe ich dem erstmal nicht weiter Beachtung geschenkt. Nun hat er mir vor einer Woche mitgeteilt, dass er drei Wochen mit einem Freund auf die Philippinen fliegt, um dort Urlaub zu machen. Du kannst dir denken, was seitdem in mir los ist.
    Es war ziemlich schwer für mich, ihm überhaupt von dieser Angst zu schreiben, und dann als Reaktion so eine Urlaubsplanung mitgeteilt zu bekommen, fühlt sich so an, als habe er meine Ängste überhaupt nicht wahrgenommen, nicht beachtet oder für nicht wichtig befunden. Ich habe in den letzten Monaten viel an mir gearbeitet, weil mir diese Beziehung wichtig ist und weil ich gerne einen Schritt weiterkommen möchte, und nun fühlt es sich so an, als zöge er seine Urlaubsplanung einfach straight durch.

    Andrea

  14. Liebe Andrea,

    das Thema „den Erwartungen des Geliebten nicht gerecht werden“ habe ich vor wenigen Tagen in einem Artikel auf dieser Website angesprochen, siehe http://www.selbstliebe.ch/?p=312

    Da du mir deine Situation in einer persönlichen E-Mail noch detaillierter geschildert hast, werde ich dir auch persönlich antworten. Deshalb hier nur so viel, wie für andere Leser auch interessant sein könnte.

    Dass dein Freund nicht darauf reagiert hat, als du ihm von deinen Ängsten berichtet hast, könnte daher kommen, dass er bereits in Erwägung gezogen hatte, seine Ferien auf den Philippinen zu verbringen, und einfach nicht wusste, wie er jetzt mit dir darüber reden sollte. Er war damit einfach überfordert und konnte nicht damit umgehen. Da hat er es wohl – wie es überaus menschlich ist! – vor sich her geschoben, bis er schliesslich darüber reden musste. Und hat es dann aus seiner eigenen Ohnmacht und seinem eigenen Unvermögen in einer Weise getan, die dich verletzt hat.
    Vielleicht hat er deine Ängste auch nicht als so stark wahrgenommen, wie sie in Wirklichkeit sind. Du weisst doch, dass das, was wir sagen oft nicht ganz das Gleiche ist wie das, was wir wirklich meinen, und was der andere wahrnimmt und versteht nochmals etwas anderes ist – das sind die grundlegenden Probleme jeder zwischenmenschlichen Kommunikation.

    Ich glaube deshalb, wir sollten generell das, was andere sagen oder tun, nicht immer so auf uns selbst fokussieren, sondern uns in den anderen hineinversetzen und versuchen zu verstehen, warum er so handelt. Damit liessen sich viele Probleme in uns selbst und Konflikte mit dem Partner vermeiden.

    Zum anderen kann ich nur wiederholen, was ich auf dieser Website schon oft geschrieben habe. Jeder Mensch hat das Recht auf sein eigenes Leben und seine eigenen Entscheidungen. Wenn wir einen Menschen nur dann „lieben“, wenn er sich so verhält, wie wir es gerne hätten, dann ist das keine wahre Liebe.
    Und gerade im vorliegenden Fall, tut er dir, objektiv gesehen, überhaupt nichts an, wenn er auf die Philippinen reist: Du bist selbst am anderen Ende der Welt, du wirst ihn nicht mehr oder weniger vermissen, ob er nun in Europa oder in Asien ist. Unabhängig davon, ob deine Angst vor der „Konkurrenz“ der Asiatinnen begründet ist oder nicht, wir haben nie eine Garantie, dass eine Beziehung hält, er kann auch in Europa einer anderen Frau begegnen (einer Asiatin oder einer Europäerin), in die er sich verliebt, es gibt darüberhinaus 1000 andere Gründe, warum eine Beziehung kaputtgehen kann…

    Oder… solltest du etwa insgeheim gehofft haben, dass er seinen Urlaub bei dir verbringt? Falls ja, dann hättest du es ihm deutlich sagen müssen. Vielleicht hätte er sich das auch gewünscht… und hat sich nicht getraut, dich darauf anzusprechen? Ach, zwischenmenschliche Kommunikation ist etwas Schwieriges! Sie kann nur funktionieren, wenn beide offen und aufrichtig mitteilen, was sie denken und sich wünschen.

    Wie gesagt, mehr schreibe ich dir in einer persönlichen E-Mail.

    Herzlichst,
    Karin

  15. Liebe Karin,
    mein „Leidensdruck“ hat mich vor ein paar Tagen dazu geführt, einmal den Spiess umzudrehen und mir selbst die Liebe und Zuwendung zu geben, die ich mir immer von anderen ersehne.
    Es ist eine elend schwere Übung, wenn man als Kind genau das Gegenteil vermittelt bekommen hat: Du bist unwert, Du hast Liebe nicht verdient. Ich habe immer im Aussen gesucht, falle immer wieder in eine Opferrolle zurück, um Zuwendung zu erhalten, letztlich auch Selbstmitleid.
    Es ist gleichzeitig so einfach und doch so schwer, das loszulassen. Aber ich will es, ich will es üben – immerhin kann ich mittlerweile sagen: Ich bin es wert!
    Bin durch Google (Stichwort „Selbstliebe“) auf Deine Seite gestossen und habe mich ein bisschen quer gelesen – DAnke, dass Du dieses wundervole und so unendlich wichtige Thema hier am Leben erhältst!

  16. Liebe Caro

    Danke für deine lieben Worte zu meiner Website.

    Ich stimme dir zu, es ist einfach – in der Theorie – und schwer in der Praxis, die Selbstliebe zu leben. Es braucht konstantes Üben, Üben und nochmals Üben, und man hat nie ausgelernt.
    Seit über 20 Jahren bin ich jetzt dran, und doch passiert es auch mir von Zeit zu Zeit, dass ich in ein altes Muster falle, das ich für längst abgelegt hielt.

    Allerdings wird das Leben doch erst durch dieses ständige Lernen und Ansicharbeiten richtig interessant und lebenswert!

    Alles Liebe für deinen Weg zur Selbstliebe,
    Karin

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