Bestimmt habe ich mehrmals schon darauf hingewiesen, dass es eine ganze Menge Verhaltensweisen gibt, die uns erkennen lassen, wie es mit unserem Selbstwertgefühl steht. Darunter fallen auch die Besserwisserei und die Rechthaberei.
Sofort durchschaubar sind sie, wenn wir auf jede Aussage eines anderen etwas zu sagen/erwidern/hinzuzufügen/anzumerken haben, und selbst wenn die Aussage korrekt, klar und unmissverständlich ist, sie etwas präzisieren müssen. Warum tun wir das? Aus einem Bedürfnis, ständig zu beweisen, was wir wissen, um uns selbst in den Vordergründ zu rücken beziehungsweise andere in den Hintergrund zu verdrängen und ähnlichen Gründen. Das haben wir aber nicht nötig, wenn wir über ein starkes Selbstwertgefühl verfügen!
Eine subtilere Form sind die endlosen Diskussionen, gehe es um allgemeine Themen oder um persönliche, wenn wir auf jede Entgegnung unseres Gegenübers immer noch ein Argument und noch eines vorbringen. Es ist uns unheimlich wichtig, ja nicht als „Verlierer“ dazustehen, und bei ideologischen Streitgesprächen auch darum, den anderen um jeden Preis zu überzeugen. Warum können wir nicht unsere Meinung sagen, vielleicht noch eine Erläuterung anfügen, sollte es der Gesprächspartner beispielsweise missverstanden haben, und dann aber einfach so stehen lassen?
Damit beweisen wir Grösse und Stärke (und Selbstvertrauen!), und nicht indem wir auf etwas herumreiten und es ins Endlose ziehen!
Selbst wenn es um Meinungsverschiedenheiten geht, von denen wir meinen, sie müssten unbedingt geklärt werden, ist es meistens hoffnungslos, wenn es nicht mit den ersten zwei oder drei Argumenten gelingt. Dann ist es sinnvoller und für beide befriedigender, das Thema abzuschliessen und wirklich einen Schlussstrich darunter zu ziehen. Selbst wenn unser Gegenüber zu den Menschen gehört, die es einfach nicht sein lassen können… gegen unser Schweigen ist er machtlos!
Als konkretes Beispiel erzähle ich euch von einem solchen Gespräch, das ich vor wenigen Tagen mit einem guten Freund hatte, der ein recht starkes Selbstbewusstsein besitzt.
1) Ich machte eine ihn betreffende Aussage, die überaus liebevoll gemeint war, die ich jedoch mit einer Prise Humor würzte.
2) Er reagierte recht heftig und ich empfand seinen Antwortsatz als respektlos mir gegenüber und spürte eine gewisse Empörung in mir.
3) Das teilte ich ihm bestimmt und nüchtern mit; weil ich aufgrund seiner Reaktion annahm, er hätte meine Aussage 1) missverstanden, erläuterte ich sie ihm nochmals mit anderen Worten.
4) Er verstand, was ich meinte, und antwortete, er sehe in seiner Aussage 2) nichts Respektloses – er verhalte sich mir gegenüber nie respektlos – und er würde mir den gleichen Satz jederzeit genau so wieder sagen. Für ihn sei die Angelegenheit damit erledigt.
Und für mich war sie es auch! Hätte ich mich nochmals erklären sollen, darauf beharren, es sei doch respektlos gewesen und ähnliches und eine endlose Diskussion heraufbeschwören – die ja ohnehin gar nicht möglich war, wenn er nicht mitspielte? Reine Zeit- und Energieverschwendung!
Meine Empörung war schlagartig verschwunden – ich nickte und lächelte. Und wir gingen zu einem bereichernden Thema über…