Szenen einer Ehe

Neulich war ich ein paar Tage in den Bergen zum Wandern. Da ich allein war, ergab es sich zwangsläufig, dass ich bei verschiedenen Gelegenheiten die Gespräche anderer Menschen mitbekam.

• Ein Ehepaar mittleren Alters betritt gemeinsam den Früstücksraum, der aus einem halben Dutzend Tischen besteht, alle an der grossen Fensterfront, keiner besser als der andere. Er holt zwei Gläser Saft und stellt sie auf einen Tisch, dann füllt er verschiedene Brötchen und Brotscheiben ins Brotkörbchen und geht ebenfalls zum Tisch. In dieser Zeit hat sie am Buffet ihren Teller gefüllt und will gerade einen Tisch ansteuern, als sie realisiert, dass er bereits Sachen auf einen anderen Tisch gestellt hat. „Komm rüber an diesen Tisch, der ist schöner“, ruft sie ihm zu. „Aber… ich habe doch schon…“, erwidert er. Sie fällt ihm ins Wort: „Nein, bring die Sachen hierher, der ist schöner.“

• Am nächsten Tag im Frühstücksraum. Ein anderes Ehepaar, etwas älter, steht am Buffet und füllt die Teller. Da greift er in seine grosse Westentasche. Sie bemerkt es augenblicklich und fragt: „Was suchst du?“ Er antwortet nicht, wühlt in der anderen Westentasche. „Was suchst du denn?“, wiederholt sie leicht ungehalten. „Nichts“, antwortet er schliesslich, während er die Hand aus der Tasche zieht und sich zum Tisch begibt. Sie lässt nicht locker: „Doch, du hast doch etwas gesucht!“ Er schüttelt den Kopf und schweigt.

• Später Nachmittag, auf einer Bank am Wanderweg, ein Paar mittleren Alters setzt sich neben mich. Sie zu ihm: „Du kannst die Mütze jetzt ausziehen, die Sonne ist nicht mehr so stark.“ Er reagiert nicht und behält die Mütze auf dem Kopf.

• Am Seeufer, traumhaft schöne Landschaft. Er holt den Fotoapparat aus dem Rucksack und richtet ihn zum See, drückt ab. Sie: „Hast du den Objektivdeckel abgenommen?“ Er schaut sie nur an.

Solche Szenen beobachte ich seit vielen Jahren. Warum müssen Frauen ihre Partner ständig kontrollieren, ihnen sagen, was sie zu tun und was sie zu lassen haben? Hie und da gibt es zwar auch Männer, die sich so verhalten, aber mehrheitlich erlebe ich es als eine typisch weibliche Eigenschaft, und die armen Männer dann als resigniert und frustriert.
Jaaaa, ich weiss, wir sind Glucken und wir müssen dafür sorgen, dass es unseren Männern gut geht, sie selbst achten zu wenig auf sich. Aber geht es nicht mit etwas mehr Feingefühl, diplomatischer, so dass sie es nicht merken? Und nur bei wirklich wichtigen Dingen?

Ich weiss, wovon ich rede, denn ich selbst war auch so. Bis mein damaliger Lebenspartner, nachdem er als Folge eines Herzinfarkts in einer Selbsterfahrungsgruppe mitgemacht hatte, bei einer dieser Gelegenheiten ruhig und gefasst zu mir sagte: „Du lässt ab sofort diese Fremdbestimmung bleiben. Sie tut mir nicht gut.“

Ich habe verstanden und es bleiben lassen. Und das will ich auch euch, Frauen (und Männern), ans Herz legen: Lasst euren Partner leben! Vermeidet es, ständig zu kontrollieren, etwas anmerken zu müssen bei den alltäglichen Banalitäten! Seid grosszügig und nachgiebig – so vieles, was wir wichtig nehmen, ist es nicht.
• Ob wir an diesem oder jenem Tisch sitzen…
• Und wenn er etwas sucht, was geht mich das an? Findet er es nicht, wird er mich schon danach fragen.
• Vielleicht mag er die Mütze einfach anbehalten…
• Sollte er tatsächlich den Deckel nicht vom Objektiv genommen haben, naja, dann fehlt dieses Foto halt später… kein Weltuntergang.

Es gibt in Paarbeziehungen genügend echte Herausforderungen, schaffen wir uns nicht noch unbedeutende, unnötige dazu. Und es ist eine gute Schule für uns selbst, uns von solchen Verhaltensmustern – denn nichts anderes sind sie – zu lösen.

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Was am meisten wehtut

Sofia*, eine Freundin von mir, lernte vor gut einem Jahr einen Mann kennen; es war von beiden Liebe auf den ersten Blick, eine grosse Liebe. Allerdings waren seitens des Mannes die Voraussetzungen für eine glückliche Beziehung nicht gegeben. Sofia war sich dessen sofort bewusst, doch sie wollte nicht von vornherein aufgeben, ohne es wenigstens versucht zu haben.

Vor ein paar Tagen erzählte sie mir, dass sie sich getrennt hätten, in beiderseitigem Einvernehmen wie man so schön sagt, weil ihre Beziehung einfach keine Zukunft hatte. Sie war traurig und niedergeschlagen. Dann flackerte in ihren Augen aber plötzlich Wut auf und sie sagte: „Weisst du, was neben dem Trennungsschmerz am meisten wehtut? Die Reaktion meiner Familie und meiner Freunde, als ich ihnen mitteilte, meine Beziehung sei zu Ende. Meine Schwester sagte: ‚Das habe ich früher oder später erwartet‘. Meine Mutter: ‚Du wusstest doch selbst, dass es nicht gut gehen konnte‘. Meine beste Freundin: ‚Nach meiner Erfahrung gehen solche Beziehungen immer schlecht aus.‘ Weisst du, wie weh das tut? Die Menschen, die mir am nächsten sind, finden keine tröstenden Worte, sondern machen mir gewissermassen Vorwürfe, dass ich mich überhaupt auf diese grosse Liebe eingelassen habe!“

Jaaaa, wie gerne demonstrieren wir doch den anderen, dass wir weiser sind als sie, dass wir eine Situation treffender eingeschätzt haben.
Wie schnell kommt uns über die Lippen: „Ich hatte es dir doch gesagt!“
Wie viel liegt uns doch daran, anderen unsere Überlegenheit zu zeigen, sie zurechtzuweisen.

Dies ist eine Verhaltensweise, die von einem Mangel an Selbstwertgefühl zeugt. Andernfalls haben wir es nicht nötig, unsere vermeintliche Überlegenheit zur Schau zu stellen.
Selbst wenn wir in einer Situation wie der oben geschilderten denken „Ich wusste es doch!“, brauchen wir es nicht zu sagen und den anderen dadurch zu erniedrigen.
Mitfühlen, trösten, aufbauen – das zeugt von einer gesunden Selbstliebe.
Denn wie sagt man so schön? Nur wenn wir uns selbst lieben, können wir andere lieben und ihnen in jeder Situation liebevoll begegnen.

* Name aus Diskretionsgründen geändert.

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Selbstliebe und Selbstbestimmung

Wir alle scheuen uns oft allzu sehr, über unser Leben selbst zu bestimmen – wenn dabei andere in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir nehmen Rücksicht, nehmen uns zurück, bringen Opfer, bis hin zur Selbstaufgabe… Alles gut und recht, aber dabei vergessen wir, dass wir die Pflicht – ja, die Pflicht, nicht nur das Recht! – haben, unser eigenes Leben zu leben, unseren eigenen Weg zu gehen, so wie unsere Seele es will.
Sich selbst lieben heisst, seinen Lebensweg selbstbestimmt zu gehen.

Ohne weiteren Kommentar – der tatsächlich unnötig ist – zitiere ich aus zwei Büchern, die ich in letzter Zeit gelesen habe:

Wir alle haben Träume. Doch die meisten von uns scheuen davor zurück, ihre Träume in Erfüllung gehen zu lassen, obwohl es doch einzig und allein in ihrer Hand liegt, ob sie Wahrheit werden. […] Wenn wir das eine, das uns alles bedeutet, nicht haben, was ist dann der Rest wert? Wenn wir das eine aber bekommen, was schert es uns, wenn wir den Rest verlieren? […] Ich behaupte, dass wir alle diese Situation kennen. Etwas, das sich mit Gewalt in unser Leben drängt, und mit einem Mal wird alles andere unwichtig. Ein Mensch, sehr häufig ist es ein Mensch. Plötzlich steht er vor uns und erschüttert unser Leben in den Grundfesten und alles, was dort sonst eine Rolle spielt, rückt an den Rand.
Stephan M. Rother: Öffne deine Seele

Einen anderen Menschen zu lieben, ist etwas Wundervolles […] Es mag gut gehen, oder auch nicht. Aber so ist die Liebe. Wenn man sich verliebt, ist es nur natürlich, sich der Liebe hinzugeben. […] Man muss den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen. Trotz all deiner Bemühungen, werden andere Menschen verletzt, wenn für sie die Zeit gekommen ist, verletzt zu werden. Das Leben funktioniert so. Du bemühst dich zu sehr, das Leben in die Bahnen zu lenken, die deiner eigenen Lebensweise entsprechen. Willst du nicht in einer Nervenheilanstalt enden, musst du dich etwas mehr öffnen und dich dem natürlichen Lebensfluss ergeben. […] Also, stoppe, was du gerade tust, und werde glücklich. Arbeite daran, dich glücklich zu machen!
[…] wer weiss schon, was das Beste ist? Deshalb solltest du nach jeder Chance auf Glück greifen, wo immer du es findest, und dir nicht allzu viele Sorgen um andere Leute machen. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass wir nie mehr als zwei oder drei solcher Chancen in einem Menschenleben bekommen, und wenn wir sie gehen lassen, bereuen wir es für den Rest unseres Lebens.
Haruki Murakami: Norwegian Wood (von mir selbst aus dem Englischen übersetzt)

Die Selbstbestimmung ist auch das Thema des nachfolgenden Artikels mit gleichem Datum.

* Das Buch von Rother ist ein Thriller, den ich niemandem empfehlen will, der nicht über starke Nerven verfügt.
** Der Roman von Murakami ist eine nette, aussergewöhnliche Liebesgeschichte eines jungen Mannes.

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„Eheliche Pflichten“

Verständnislos, gar ungläubig, schaue ich derzeit zu, wie die sechsjährige gute und harmonische Ehe meiner Freunde Manuel* und Esther* binnen weniger Wochen in die Brüche geht. Ich hielt die beiden immer für ein perfektes Paar, ihre Beziehung – obwohl beide erst Mitte 30 sind – für „reif“, geprägt von echter Liebe, Respekt, Verständnis, Toleranz, Grosszügigkeit, frei von den banalen Alltagsnörgeleien und Streitigkeiten…
Das Problem: der Sex. Das leidige Problem in allzu vielen, wenn nicht den meisten Ehen, das man mit vier Wörtern auf den Punkt bringt: Er will, sie nicht. Was manche Männer mit Fremdgehen lösen. Aber nicht Manuel, trotz des Rates eines Bekannten, sich den Sex halt anderswo zu holen.

In kürzester Zeit ist die Situation eskaliert: gegenseitige Schuldzuweisungen, Sichunverstandenfühlen, tiefe Verletzung, eine halbwegs rationale Kommunikation ist nicht mehr möglich. Der typische Verlauf halt, bei dem ein vorerst klar umrissenes, begrenztes Einzelproblem zu einem Flächenbrand ausartet. Bei dem oft nur noch verbrannte Erde und ein Trümmerhaufen zurückbleiben.
Was mich erstaunt und irgendwie auch befremdet: Bei der einen Partei erkenne ich Resignation und der mangelnde Wille für eine neue Chance, bei der anderen Partei eine sture Kompromisslosigkeit und der mangelnde Wille, alles zu versuchen. Aber es kann doch nicht sein, dass man eine wahrhaft gute Beziehung beim ersten auftauchenden Problem aufgibt und begräbt? Dass man nicht jede Möglichkeit ausschöpft, nicht bereit ist, einmal über den eigenen Schatten zu springen?
Allerdings stelle ich fest, dass die Kommunikation zwischen den beiden mittlerweile derart von Missverständnissen und der für solche Ehekrisen typischen Irrationalität geprägt ist, dass sie ohne eine Mediation nicht mehr funktionieren kann, ja sogar kontraproduktiv ist, da sich nur noch mehr Frustration und Verletzungen ansammeln. Ich habe Paartherapien schon beobachtet und halte viel davon; die Paartherapeuten wissen, wie vorgehen, um wieder ein konstruktives Gespräch in Gang zu bringen und das anstehende Problem zu lösen.

Warum ich euch das erzähle? Weil es mich beschäftigt. Und weil ich nie werde verstehen können, dass wahre Liebe nicht alle Hindernisse überwindet.
Ob es mit Selbstliebe, dem eigentlichen Thema dieser Website, zu tun hat, weiss ich nicht. Allerdings sind auch Beziehungsprobleme ein oft aufgegriffenes Thema meiner LeserInnen, was aus den vielen Kommentaren dazu klar ersichtlich ist. Hinter vielen steckt am Ende doch mangelnde Selbstliebe.

Zudem weiss ich manchmal nicht mehr, was schreiben zum engeren Thema der Selbstliebe. Mir kommt es vor, als hätte ich alles schon gesagt und teilweise x Mal wiederholt. Deshalb mein Aufruf an euch: Bitte schreibt mir im Kommentar zu diesem Artikel, welche Themen euch am Herzen liegen, zu welchen Fragen ihr meine Meinung lesen möchtet. Ihr seid mir ja immer eine Inspirationsquelle in euren Kommentaren und ich danke euch herzlich für eure Beiträge!

*Namen aus Diskretionsgründen geändert

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Wie in einem Kanu

Selbstliebe verleiht Stärke. Die Stärke zum Beispiel, mit unseren Schwierigkeiten und Leiden nicht hausieren zu gehen. Wenn wir uns in uns selbst geborgen fühlen, haben wir es nicht nötig, die Anteilnahme und das Mitleid unserer Mitmenschen zu suchen, wir hören auf, uns als Opfer zu präsentieren, um ein bisschen Zuwendung zu bekommen. Wie laden auch nicht länger unsere Probleme bei denen ab, die uns ohnehin nicht helfen können und die wir damit nur unnötig belasten.

Mein Liebster hat mir neulich ein schönes Gleichnis zu diesem Thema erzählt. Er hatte seit einiger Zeit ein Problem mit sich herumgetragen, doch er hatte nie mit mir darüber geredet, bis wir einmal – in einem anderen Zusammenhang – dieses Thema streiften. Ich fragte ihn dann, warum er nicht mit mir gesprochen habe.
„Weil du nichts zur Lösung beitragen konntest und ich sah, dass ich es selbst würde lösen können“, antwortete er. „Warum hätte ich dich dann damit belasten sollen?
Unseren gemeinsamen Lebensweg kannst du dir vorstellen, als wären wir zusammen in einem Kanu auf einem Wildbach. Ich paddle auf der linken Seite, du auf der rechten. Ich passe auf der linken Seite auf, dass wir nicht gegen Felsen prallen, nicht in Stromschnellen geraten, schön auf Kurs bleiben, du tust das Gleiche auf deiner Seite.
Solange ich mit den Herausforderungen auf meiner Seite allein fertig werde, ist es unnötig, dass ich dich darüber informiere, dich damit belaste und nur davon ablenke, auf deiner Seite aufzupassen und alles richtig zu machen.
Wenn ich jedoch sehe, dass ich eine schwierige Situation nicht allein meistern kann, dann teile ich es dir mit und bitte dich um deine Hilfe.“

Das hat mich sehr berührt, denn es war nicht nur ein Zeichen von starker Selbstliebe, sondern auch von grosser Nächstenliebe – die beiden gehen ja immer Hand in Hand.
Ich habe mir diese Kanu-Allegorie gut eingeprägt und mir vorgenommen, in Zukunft nicht mehr über die Schwierigkeiten und Herausforderungen zu reden, bei denen ich keine Hilfe benötige oder keine Hilfe möglich ist.

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Die Schlange

Wir sind immer so bemüht darum, andere nicht zu verletzen, und lassen dabei lieber zu, dass wir selbst verletzt werden – anstatt uns abzugrenzen und zu uns selbst zu stehen. Yogananda erzählte dazu einmal eine nette Geschichte.

Auf einem Felsen, ausserhalb eines Dorfes, lebte eine Kobra, die schon viele Menschen durch ihren Biss getötet hatte. Deshalb baten die Dorfältesten einen heiligen Mann, etwas dagegen zu unternehmen.
Er ging zu der Schlange und sagte zu ihr: „Hör auf, die Leute meines Dorfes anzugreifen.“ Berührt durch die Kraft der spirituellen Liebe versprach sie es ihm.
Als der Heilige nach einer langen Wallfahrt zurückkehrte und am Felsen vorbeikam, fand er die Kobra verwundet und blutend da liegen. „Was ist mit dir geschehen?“, fragte er erstaunt.
Mit schwacher Stimme antwortete sie: „Die Kinder des Dorfes haben gemerkt, dass ich seit deinem Besuch harmlos bin. Jetzt werfen sie mit Steinen nach mir, sooft sie mich irgendwo entdecken.“
Der Heilige legte seine Hand auf die Schlange und heilte ihre Wunden. Dann lächelte er verschmitzt und sagte: „Ich habe dir auferlegt, nicht zu beissen – aber warum hast du nicht gezischt?“

Yogananda kommentierte die Geschichte wie folgt:
„Lass nicht zu, dass andere dich verletzen; du sollst kein Gift gegen sie sprühen, aber halte sie von dir fern, indem du klar und bestimmt mit ihnen sprichst.“

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Selbstliebe – ein Element der glücklichen Liebesbeziehung

Liebesbeziehungen – ein wichtiger Lebensbereich, der viel zu unserem Glück oder zu unserem Leid beiträgt. Im Zusammenhang mit der Selbstliebe will ich deshalb heute auf zwei auf den ersten Blick banale Weisheiten eingehen, die ich auf dieser Website schon öfters zitiert habe*:

• Wer sich nicht selbst liebt, muss sich lieben lassen.
• Wer sich selbst nicht liebt, kann auch andere nicht richtig lieben.

Beide Faktoren, das Bedürfnis nach Liebe und die Unfähigkeit zu wahrer Liebe, verhindern, dass wir in unserer Beziehung glücklich sind.

Wenn wir die Liebe des Partners brauchen, machen wir uns von ihm abhängig. Das führt zu einer mehr oder weniger offenkundigen, ständig vorhandenen Angst, den Geliebten zu verlieren, was Eifersucht, Machtspiele und mehr an destruktiven Verhaltensweisen mit sich bringt; über kurz oder lang vergiften diese die Beziehung, sodass wir den geliebten Menschen tatsächlich verlieren.
Umgekehrt tun wir alles, um den Geliebten an uns zu binden, auch eine Menge Dinge, die wir gar nicht tun möchten, was wiederum uns selbst nicht gut tut – bis wir es nicht mehr aushalten und die Beziehung auflösen oder es gar so weit kommen lassen, dass wir daran zerbrechen.

Aus der Verlustangst entsteht auch unsere Angst, dem geliebten Menschen nicht zu genügen: nicht schön oder attraktiv genug zu sein, seinem Idealbild nicht zu entsprechen, die Erwartungen in Bezug auf Sex, Witz, Bildung, Intelligenz nicht zu erfüllen… und dass er sich deshalb früher oder später von uns abwenden könnte. Dieser Angst entstammt unser Bedürfnis, von ihm immer wieder bestätigt zu bekommen, dass wir schön, unterhaltsam, interessant usw. sind, dass er uns liebt und begehrt – tut er das nach unserem Ermessen nicht in ausreichendem Mass, zweifeln wir an uns (und an ihm!). Das führt zu Konflikten.
Zu weiteren Konflikten kommt es, weil wir das, was er sagt oder tut, oft auf dem Hintergrund dieser Angst, nicht zu genügen, bewerten und dabei zu völlig irrationalen oder einseitigen Schlüssen kommen und entsprechend übertrieben reagieren.

All das macht uns unglücklich, wir fühlen uns verzweifelt und ohnmächtig. Oder dann „arbeiten“ wir daran, den Partner zu ändern, ihn zu einem Idealbild umzuformen, zu einem Menschen, der nie etwas falsch macht, uns nie verletzt, uns 24 Stunden pro Tag von seiner ewigen Liebe überzeugt… Unnötig zu sagen, dass dies unmöglich ist. Kein Mensch wird je unserem Perfektionsideal entsprechen und uns die Sicherheit geben können, die wir suchen – und selbst wenn, wir würden es nicht merken und ihn weiterhin zu verändern versuchen, da unsere Wahrnehmung auf der Basis unserer Verlustangst verzerrt ist und wir nach wie vor „Mängel“ in ihm sähen, sehen wollten.

Also, was nun? Wie finden wir zu einer Liebesbeziehung, die uns glücklich macht? Indem wir uns in erster Linie selbst lieben.

Ich will versuchen, in aller Kürze einige Anregungen zu geben – sie werden nie für alle stimmen und nicht für jede Situation. Also spürt in euch selbst, was für eure individuelle Lage anwendbar ist und was nicht.
In meinen folgenden Erörterungen klammere ich ferner den Fall aus, in dem der Partner existentielle Werte missachtet (er ist z.B. gewalttätig, wiederholt untreu, einer Sucht verfallen usw.), sodass eine Trennung meistens die einzige Lösung ist. Es geht hier vielmehr um die „normalen“, alltäglichen Beziehungsgeschichten.

• Unterlassen wir alle Versuche, den Partner zu ändern, und arbeiten wir stattdessen an uns selbst, bemühen wir uns insbesondere, unsere Selbstliebe, unser Selbstwertgefühl aufzubauen und zu stärken; auf dieser Website finden sich viele Hinweise dazu. Unter anderem sollten wir uns (im Sinne einer „Selbstüberzeugung“ mit dem Ziel der Selbstveränderung) immer wieder selbst Dinge sagen wie:
– Ich brauche die Liebe meines Partners nicht, es ist zwar schön, wenn er mich liebt – wenn aber nicht, dann wird jemand anders mich lieben, es wird immer jemanden geben, für den ich wichtig und liebenswert bin;
– Ich bin genau richtig, so wie ich bin; wenn mein Partner mich anders haben möchte, so liegt das an seinen individuellen Vorstellungen, denen ich nicht genügen muss, sie sind nicht der allgemeingültige Massstab;
– Ich habe keine Angst, meinen Partner zu verlieren; viel wichtiger und beglückender ist, dass ich mir selbst treu bleibe;
– und mehr dergleichen.

• Hören wir auf, in alles, was der Partner sagt oder tut, etwas hineinzuinterpretieren und auf uns zu beziehen; wenn uns etwas nicht klar ist, fragen wir ihn, ansonsten kämpfen wir mit all unserer Kraft dagegen an, zu grübeln und uns dem Teufelskreis unserer Gedanken und Gefühle auszuliefern.

• Hören wir auch auf, den Partner ständig zu be- und verurteilen – akzeptieren wir ihn, so wie er ist. Wir möchten doch auch, dass er uns annimmt und liebt, wie wir sind! Wir sind doch alle nur schwache Menschen, die sich so verhalten, wie sie es halt vermögen, wie sie es gelernt haben…
Seien wir versöhnlich und nachsichtig. Wenn er etwas sagt oder tut, das uns nicht gefällt oder uns gar verletzt, versuchen wir zu verstehen, warum er es tut, und augenblicklich zu verzeihen – meistens ist es doch gar nicht böswillig gegen uns gerichtet, sondern geschieht aus seinem eigenen Unvermögen, aus Unkenntnis, vielleicht zwar aus Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit, jedenfalls nicht um uns wehzutun. In diesem Zusammenhang nochmals: Beziehen wir nicht immer alles so eng auf uns selbst! Auch dazu brauchen wir ein gesundes Selbstwertgefühl, damit wir uns dabei nicht schwach, entwürdigt, zurückgewiesen vorkommen.

• Bemühen wir uns in jedem Augenblick darum, wahrhaft vorbehaltlos zu lieben. Vorbehaltlos lieben heisst im wahren Sinne des Wortes „keine Vorbehalte haben“: Unsere Liebe hängt folglich nicht davon ab, wie sich der Partner verhält. Selbst wenn wir wütend sind, enttäuscht, traurig, verletzt: Diese Gefühle richten wir auf sein Verhalten, seine Worte, seine Tat, aber nicht auf ihn als Menschen. Egal was er sagt, egal was er tut, das ändert nichts an unserer Liebe.

• Bemühen wir uns in jedem Augenblick darum, wahrhaft bedingungslos zu lieben. Bedingungslos lieben heisst im wahren Sinne des Wortes „keine Bedingungen stellen“: Wir lieben ihn nicht, weil… wenn… sofern… Wir lieben ihn einfach. Es macht uns glücklich zu lieben, nicht weil wir etwas dafür bekommen – genau betrachtet, nicht einmal, um wiedergeliebt zu werden. Das ist nicht einfach, zugegeben, dafür müssen wir hart an uns selbst arbeiten.
Wir haben also auch keine Erwartungen, stellen keine Forderungen. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Wünsche nicht äussern sollen – aber als Wunsch, nicht als Forderung. Und die Erwartungen lassen wir sofort fallen: Wenn unser Wunsch, ein ausgesprochener oder unausgesprochener, vom Partner erfüllt wird, gut; wenn nicht, so nehmen wir es nicht persönlich (auch dazu brauchen wir unsere Selbstliebe!) und es ändert nichts an unserer inneren Zufriedenheit. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch der nächste Punkt:

• Bei aller Selbstliebe: Uns selbst zu lieben, bedeutet nicht, unseren sogenannten oder vermeintlichen Bedürfnissen ein riesiges Gewicht zu verleihen. Elementare Bedürfnisse sollen wir nicht vernachlässigen, das ist richtig und wichtig! Aber es ist vielmehr ein Zeichen von Selbstliebe und Stärke, wenn wir unsere „Bedürfnisslein“ nicht so ernst nehmen, sie nicht zur Staatsaffäre aufbauschen und sie einfach loslassen. Meistens tragen sie nämlich überhaupt nichts zu unserem wahren Glück bei, wenn sie erfüllt werden.

Zum Schluss noch etwas Grundlegendes: Es ist nicht die Pflicht oder Aufgabe unseres Partners, uns glücklich zu machen. Glücklichsein lässt sich nicht delegieren, das können ausschliesslich wir selbst tun. Und in diesem Zusammenhang abschliessend eine radikale Äusserung meinerseits: Wenn es uns nicht gelingt, in einer „schwierigen“ Beziehung, mit einem „unvollkommenen“ Partner glücklich zu werden, wird es uns in einer einfachen, mit einem „perfekten“ Partner auch nicht gelingen. Wie der Dichter sagt: Wenn du dein Glück in der Hölle nicht findest, findest du es auch nicht im Paradies. An uns liegt es, an unserer Selbstliebe, nicht an den äusseren Umständen.

* Hier findet ihr weitere Aspekte zu diesen Aussagen:
Anhaftung und Abhängigkeit
Warum Beziehungen zerbrechen
Wieder einmal zum Thema Nächstenliebe
Liebe „sammeln“

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Innere Leere und die Sehnsucht nach wahrer Liebe

In den letzten Monaten bin ich mehrmals auf das Thema einer undefinierbaren Einsamkeit in Verbindung mit dem Wunsch nach einer tiefen, wahren Liebe angesprochen worden – und zwar immer von Männern zwischen 50 und 65 Jahren. Mit dem heutigen Artikel löse ich mein Versprechen ein, das ich einem dieser Männer gegen Ende des letzten Jahres gegeben habe, nämlich einmal spezifisch etwas über dieses Thema zu schreiben.

Eine der treffendsten Formulierungen, die ich in diesem Zusammenhang gehört habe: „Ich erlebe ein Gefühl der inneren Leere und einen Mangel an einer tiefen und befriedigenden Liebe, dies obwohl mein Umfeld äusserlich sehr viele positive Aspekte hat.“

Die Erfahrung, dass alles Äussere stimmte, beruflich, privat, finanziell, und mir trotzdem etwas fehlte und ich nicht zutiefst glücklich war, habe ich schon früh in meinem Leben gemacht, und diese Empfindung ist periodisch immer wieder aufgetreten. Ich habe es einmal wie folgt formuliert:

Trotz einer glücklichen Partnerschaft und Erfüllung im Beruf, trotz Freunden und Freizeitbeschäftigungen, ob­wohl es ihnen an nichts mangelt, sie alles haben um glücklich zu sein, empfinden einige Menschen eine leise, stets vorhandene Einsamkeit oder diese überfällt sie von Zeit zu Zeit. Dann spüren sie, dass das äusserlich glück­liche Leben ihnen nicht genügt oder dass kein Mensch ihnen geben kann, wonach sie dürsten – oft wissen sie selbst nicht, was ihnen eigentlich fehlt, wonach sie suchen, es ist vielmehr eine unbestimmte Empfindung, eine unerklärliche, vage Sehnsucht.

Den Worten von Sri Aurobindo folgend

„Die innere Einsamkeit kann nur durch die innere Erfahrung der Einheit mit dem Göttlichen geheilt werden; keine menschliche Beziehung kann diese Leere füllen.“

habe ich nach dem Tod meines langjährigen Lebenspartners diese Sehnsucht schliesslich als die Sehnsucht nach dem Höheren, dem Göttlichen erkannt und die Erfüllung in meinem spirituellen Weg gefunden.

Aber darüber will ich heute nicht schreiben, sondern über die Sehnsucht nach einer irdischen, menschlichen Liebe – eine Liebe jedoch, die über unsere gewöhnliche, unvollkommene, besitzergreifende, erwartende, fordernde Liebe hinausgeht. Auch die Selbstliebe, das eigentliche Thema dieser Website, lasse ich für einmal ausser Acht.

Wenn wir noch jünger sind, haben wir an Liebesbeziehungen meistens andere Erwartungen, zuerst Leidenschaft, wilde Zeiten, Spass, Intensität, dann mit dem Gründen einer Familie eher Sicherheit, sich aufeinander verlassen können, gut harmonieren. Schliesslich kommen wir in ein Alter, in dem diese Anforderungen nicht mehr an erster Stelle stehen, wir haben vieles schon erlebt, auch verschiedene Beziehungen mit Trennung und Scheidung, wir haben eine ganze Menge Lebenserfahrung gewonnen, sind etwas gleichmütiger, zugleich aber auch anspruchsvoller geworden, indem wir uns nicht mehr mit dem Durchschnittlichen, nur halbwegs Befriedigenden begnügen.
Sei es, dass man inzwischen wieder Single ist, sei es dass man in einer Beziehung lebt, es mag sich eine unbestimmte Unzufriedenheit, Melancholie oder das erwähnte Gefühl der Leere breitmachen. Die tieferen Gründe und der Zeitpunkt, in dem das aufzutreten beginnt, sind individuell, deshalb will ich mich darüber auch nicht weiter auslassen. Hingegen glaube ich zu wissen, was diese Sehnsucht nach wahrer Liebe ist, wobei natürlich auch hier von Mensch zu Mensch Unterschiede bestehen.

Es ist die Sehnsucht, ich selbst zu sein. So sein zu dürfen und dabei vom Partner so angenommen zu werden, wie ich bin.

An Anfang einer neuen Beziehung zeigen wir für gewöhnlich unsere besten Seiten und unterdrücken die negativen. Mit der Zeit lässt das zwar nach, aber meistens behalten wir – auch in langjährigen Beziehungen – einen Teil unserer Maske auf, weil wir wissen oder zu wissen meinen, dass der Partner bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen nicht mag, sie gar verurteilt, und wir Angst haben vor Konflikten, den Partner nicht verletzen oder verlieren wollen und Ähnliches. In erster Linie ist es natürlich die Angst, nicht mehr geliebt zu werden, falls wir die Erwartungen des Partners nicht erfüllen. Wie oft habe ich von Männern den Satz schon gehört: „Ich tue doch alles, um es ihr recht zu machen, wenn sie mich doch nur wieder so liebt wie früher!“
Im Grunde genommen möchten wir aber alle, dass unser Partner uns so annimmt wie wir sind, ohne dass wir uns verstellen müssen, und uns liebt, egal wie wir sind, unsere Eigenschaften oder Verhaltensweisen nicht verurteilt und ablehnt. Doch weil wir wissen oder zu wissen glauben (und meistens trifft es sogar zu), dass es nicht so ist, spielen wir eine Rolle, die mit der Zeit zu einer festen Gewohnheit wird, und leben mit dem mehr oder weniger bewussten Schmerz, nicht authentisch zu sein, oder – positiv ausgedrückt – mit dieser Sehnsucht, ganz wir selbst sein zu wollen.

Es ist tatsächlich schwierig, sich in einer bestehenden Beziehung plötzlich anders zu zeigen. Tut man es, versteht der Partner das oft nicht und reagiert befremdet, verunsichert, auch mit Ablehnung und Zurückweisung: „Was ist plötzlich los mit dir? So warst du doch früher nicht!“ Unsere Veränderung stösst bei den Mitmenschen häufig auf Widerstand – vor allem wenn diese Veränderung ihre eigenen Interessen tangiert.
Das mag unter vielen anderen auch einer der Gründe für einen Partnerwechsel sein, denn in einer neuen Beziehung sehen wir die Chance, uns von Anfang an ein bisschen echter zu zeigen. Und wie gesagt, mit zunehmendem Alter wird uns das immer wichtiger.

Die Liebesbeziehung, nach der wir uns sehnen, ist eine ehrliche: Ich darf so sein, wie ich bin, ohne eine Maske zu tragen. Ich darf meinem Partner alles sagen, was ich denke, was ich fühle, was ich mir wünsche, was ich nicht mag – und stosse dabei auf Offenheit und Interesse, ich werde nicht abgelehnt oder kritisiert, schon gar nicht verurteilt, sondern fühle mich immer gleichermassen angenommen und geliebt. Das Gleiche darf und soll natürlich auch mein Partner tun: Die Gewissheit, dass er in seinen Worten und seinem Verhalten offen und ehrlich zu mir ist, ist mir mindestens so wichtig und auch ich nehme ihn bedingungslos und vorbehaltlos an. Dadurch fallen alle Machtspiele weg, jegliche Art von (sanfter) Manipulation und Taktik, Tabus und Klischees und und und.
Damit verbunden ist der gegenseitige Respekt, für mich eine der unerlässlichen Eigenschaften in einer Beziehung. Ich respektiere das Wesen meines Partners, seine Eigenart, seine Entscheidungen. Ich traue ihm zu, das für ihn Richtige zu tun, so gut er es halt kann. Ich mute ihm auch zu, mit Schwierigkeiten umgehen und Schweres tragen zu können: Deshalb kann ich einerseits offen und aufrichtig sein, und andererseits mische ich mich nicht in sein Leben ein, ich lasse zu, dass er seine eigenen Erfahrungen macht und daraus lernt.

Was ich bis hierher geschrieben habe, trifft auf beide Geschlechter gleichermassen zu. Jetzt will ich noch auf etwas eingehen, was Männer in ihrer Paarbeziehung auch oft vermissen und wonach sie sich sehnen.
Dafür muss ich schnell bis zu Adam und Eva zurückzugehen, nämlich zur Verschiedenartigkeit von Mann und Frau. Und ich bin mir bewusst, dass das, was ich im Folgenden schreibe, bei vielen Frauen (und vielleicht auch Männern) Unverständnis, Empörung und heftigen Widerspruch auslösen wird. Betrachtet es einfach als meine persönliche Meinung, die in immerhin bald 57 Jahren Erfahrung herangereift ist, und missversteht es nicht in der Richtung, als würde ich Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung von Mann und Frau über den Haufen werfen wollen.
Mann und Frau sind unterschiedlich, das bestreitet wohl niemand, in ihrem Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in ihren Bedürfnissen. Daraus entstehen viele Schwierigkeiten und Konflikte in Paarbeziehungen. Und viel eigene Frustration, Entmutigung, Unzufriedenheit und, wie gesagt, vor allem mit zunehmendem Alter und grösserer Lebenserfahrung mehr und mehr diese Sehnsucht, so sein zu dürfen, wie man ist, mitsamt den geschlechtsspezifischen Eigenheiten.
Eine wahrhaftige, für beide bereichernde Liebesbeziehung ist meines Erachtens nur möglich, wenn Mann und Frau ihrem Naturell folgen und sich nicht der missverstandenen emanzipatorischen „Gleichmachung“ unterwerfen. Von Natur aus ergänzen sich Mann und Frau nämlich in dem, was sie brauchen, und dem, was sie zu geben vermögen, so wie sich im Tierreich Männchen und Weibchen perfekt ergänzen.
Ohne zu übersehen, dass wir Menschen alle eine grosse Portion an Egoismus in uns haben, ist die Frau von Natur aus grösserer Hingabe fähig als der Mann, sie ist sanfter, weicher, kann aber auch besser zurückstecken und, ohne darunter zu leiden, die eigenen egoistischen Interessen hinter das Wohlergehen des Partners stellen.
Genau das ist es, wonach der Mann sich sehnt: eine hingebungsvolle, sanfte, zärtliche Frau. Und damit meine ich nicht eine unterwürfige Frau, die keine eigene Meinung hat oder immer zu allem ja und amen sagt! Aber eine, die aus ihrer inneren Stärke heraus weich und liebevoll ist. Die sich hinter ihren Mann stellt und ihn stützt. Die ihre Rolle innerhalb der Partnerschaft kennt und erfüllt, sich nicht dem undifferenzierten emanzipatorischen Diktat der Gleichmachung verschrieben hat und dennoch dem Mann eine ebenbürtige Partnerin ist.
Mehr ins Detail will ich nicht gehen, der individuelle Spielraum der Rollenverteilung innerhalb einer Beziehung ist sehr gross. Ebenso wenig will ich hier auf die komplexe Thematik der Sexualität eingehen, bei der die unterschiedlichen Bedürfnisse und Erwartungen von Mann und Frau ein besonders Problempotential darstellen.

So weit meine Gedanken zum Thema der Sehnsucht nach wahrer Liebe. Einige wenige – was ich im Rahmen einer solchen Website eben sagen kann. Es gäbe so vieles zu ergänzen, auszuführen, aber dann müsste ich ein Buch darüber schreiben!

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Anhaftung und Abhängigkeit

Eine banale Weisheit: Wenn wir uns selbst nicht lieben, müssen wir uns lieben lassen. Dadurch machen wir uns von denjenigen, die uns lieben, abhängig; Anhaftung ist ein Anzeichen dafür.

Eine Möglichkeit, unsere Selbstliebe zu stärken, besteht darin, uns aus dieser Anhaftung und Abhängigkeit zu befreien. Zugegeben, das muss fast „gewaltsam“ erfolgen, indem wir in uns selbst die Symptome der Anhaftung bekämpfen, sie nicht mehr zulassen: Es sind dies in erster Linie Empfindungen des Vermissens, der Sehnsucht, der Verlustangst, natürlich auch der Eifersucht und jeglicher Art von Besitzanspruch. Und es gibt keinen anderen Weg, als solche Empfindungen, sobald sie aufkommen, aus uns hinauszuwerfen, ihnen keinen Raum zu geben und ihnen keinesfalls gedanklich und emotional nachzuhängen.
Aber auch unseren Wunsch nach einem lieben Wort, einem Telefonanruf, einem Zeichen oder einer Bestätigung der Liebe müssen wir ablegen.

All das lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Wir geben jegliche Erwartungen und Forderungen an den geliebten Menschen auf. Führen wir uns diesen Grundsatz immer wieder vor Augen, indem wir bei unseren Gedanken und Empfindungen jeweils prüfen, ob es sich dabei um Erwartungen oder Forderungen handelt – wenn ja, lassen wir sie fallen.

Keine leichte Aufgabe, es braucht dazu Einsicht, Willenskraft und Selbstdisziplin. Aber es lohnt sich! Denn wir stärken dadurch nicht nur unsere Selbstliebe – die uns erst zu tiefer Zufriedenheit im Leben verhilft –, sondern wir tun gleichzeitig etwas für unsere Liebesbeziehung: Ohne Erwartungen und Forderungen wird sie leichter, sorgloser und glücklicher.

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Ich will ihm nicht wehtun!

Wie oft habe ich auf dieser Website schon geschrieben, dass wir keine Angst haben sollen, jemandem wehzutun? (Natürlich nicht böswillig, sondern einfach weil wir auf uns selbst hören.)

In den letzten Wochen ist mir diese Erfahrung auch wieder einmal nicht erspart geblieben. Und wieder einmal habe ich deutlich gespürt, wie schwer es ist! Umso schwerer, je näher uns jemand steht.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe es nicht geschafft. Ich habe mehrmals geschwiegen, obwohl ich etwas hätte sagen sollen. Ich wollte einen Freund, den ich sehr lieb hatte und der stark an mir hing, nicht verletzen und wurde deshalb mir selbst untreu.
Gott straft sofort, sagt man. Dem stimme ich natürlich nicht zu, es ist niemals eine Strafe, sondern immer eine Lektion in der Lebensschule, damit wir etwas lernen. Jedenfalls ist die Lektion postwendend über mich hereingebrochen!

Hier die Geschichte. Gut zwei Monate lang pflegte ich mit Martin* einen äusserst intensiven Kontakt, mehrere Stunden täglich, sei es per E-Mail oder im persönlichen Gespräch. Allerdings hatte ich von Anfang an gemerkt, dass er auf der alltäglichen Ebene, vor allem in zwischenmenschlichen Beziehungen, ein sehr schwieriger – um nicht zu sagen absolut nicht umgänglicher! – Mensch ist. Ich sah darüber hinweg, akzeptierte seine Eigenheiten und schwieg oft, obwohl mir etwas auf der Zunge lag. Ich betrachtete es als eine herausfordernde Aufgabe für mich, zu lernen, damit umzugehen, mich nicht gekränkt zu fühlen und mich ganz auf seine positiven Seiten zu konzentrieren.
Doch im Grunde genommen war es mir zu viel. Rein zeitlich beanspruchte er mich über das hinaus, was meine Arbeit und meine anderen Verpflichtungen erlaubten; zudem war die Kommunikation über die Massen aufreibend und oft so unbefriedigend für mich, dass ich keine Chance sah, eine dauerhafte Beziehung aufzubauen, und den Kontakt am liebsten schon nach zwei Wochen wieder abgebrochen hätte.
Aber er hing doch so sehr an mir! Er brauchte mich! Und vor allem: Ich wusste, dass ich ihm wehtun würde, wenn ich unsere Beziehung beendete, sehr weh. Das wollte ich nicht, obwohl meine innere Stimme mir deutlich sagte, ich solle es tun, und zwar unverzüglich (die gleiche Geschichte unter diesem Aspekt könnt ihr im unmittelbar nachfolgenden Artikel lesen; mehr zum Aspekt der Verhaltensmuster auf meiner Website Karma-Yoga).
Jedenfalls brachte ich es nicht übers Herz, machte weiter wie bis anhin, mit all den Schwierigkeiten.

Zusammenfassend: Ich habe nicht auf mich gehört, bin mir selbst untreu geworden, habe nicht das gemacht, was ich in meinem Innern als richtig spürte – um jemanden nicht zu verletzen.

Wie gesagt, die Lektion des Lebens kam unverzüglich! Vor einer knappen Woche. An jenem Tag hatten wir schon mehrere E-Mails ausgetauscht, eine angeregte stündige Unterhaltung geführt, alles recht harmonisch und respektvoll.
Kurz vor Feierabend schickte ich ihm noch eine E-Mail, um einen schönen Abend zu wünschen. Seine Antwort, die für gewöhnlich länger und überschwänglich bis leicht pathetisch ausfiel, traf umgehend ein, diesmal drei kurze Zeilen, ohne Gruss, ohne Unterschrift:
„Danke.
Ich liebe dich.
Trotzdem.“

Ich traute zuerst meinen Augen nicht. Dann dachte ich bei mir: „Was ist denn jetzt wieder passiert?“ Allerdings nahm ich das Ganze nicht ernst – eine solche Situation war mir schliesslich nicht neu! – und reagierte nicht.
Es vergingen drei Tage ohne ein Lebenszeichen von ihm. Dann eine E-Mail, fast genau so kurz, aber eindeutig:
„Ich habe vergessen, dir alles Gute für deinen weiteren Lebensweg zu wünschen. Martin“
Das wars also. Was ich mich nicht getraut habe, um ihm nicht wehzutun, ist ihm ganz leicht gefallen!!! Er hat die Beziehung abgebrochen, kalt, kurz und bündig, ohne Begründung.
Welch grosse Lektion in meiner Lebensschule!

Manchmal muss ich eine Erfahrung einfach wieder einmal am eigenen Leib machen, um an meine eigenen Lehrsätze erinnert zu werden!

* Name aus Diskretionsgründen geändert.

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