Eine neue Richtung in einer alten Geschichte

Vor einiger Zeit habe ich hier über Natalie* erzählt, die es in über 15 Jahren zutiefst unglücklicher Ehe nicht geschafft hat, sich von ihrem Mann zu trennen – hauptsächlich aus mangelnder Selbstliebe.

Vor einigen Monaten hat das „Schicksal zugeschlagen“ – was es immer tut, früher oder später, wenn wir nicht auf uns selbst hören und uns unserem Weg verweigern. Natalie, am Ende ihrer körperlichen und psychischen Kräfte, hat ein Burnout erlitten, einen Nervenzusammenbruch hätte man es früher genannt. Der Arzt verschrieb ihr Psychopharmaka, die sie seither nimmt. Und eine Psychotherapie.
Auch dabei hat das Schicksal gewirkt – was es ebenfalls immer tut, wenn wir ganz am Boden sind, Hilfe brauchen und bereit sind, diese anzunehmen.
Sie hat durch eine Anzahl „glücklicher Zufälle“ die richtige Therapeutin gefunden, eine Frau, die ihr von Anfang an klar gemacht hat, dass sie nicht in die Therapie zu kommen brauche, wenn sie nur jemanden suche, der ihr die Kraft gebe, so weiterzumachen wie bisher! „Wenn Sie jedoch Ihr Leben in die Hand nehmen und hinschauen wollen, was Sie zum gegenwärtigen Zustand geführt hat, und bereit sind, eigene Schritte auf einem neuen Weg zu gehen – dann kann ich Ihnen dabei helfen“, sagte die Psychologin.
Natalie hat gespürt, dass sie keine Wahl hat, will sie nicht ganz zugrunde gehen und ihre Kinder mit in den Abgrund reissen, und sie hat die Chance erkannt, die sich ihr hier bietet.

Seit einigen Monaten besucht sie regelmässig ihre Therapeutin und hat einen Wandlungsprozess in Gang gesetzt; er ist nicht schmerzfrei, wie sie sagt, im Gegenteil, sie hat viel geweint – am meisten über all das, was sie bisher mit sich hat machen lassen und sich selbst angetan hat.

Vor einigen Tagen habe ich lange mit ihr telefoniert und sie hat mir erzählt – voller Stolz und gleichzeitig noch etwas verunsichert –, dass sie ihrem Mann zum ersten Mal die Stirn geboten hat.
Zu ihrem Geburtstag wollte er ihr eine Abenteuerreise (zusammen mit ihm) schenken – gerade das richtige für ihre angeschlagene Gesundheit, die nichts als Ruhe braucht!
Sie sagte ihm, dass sie das nicht wolle. Dennoch buchte er die recht teure Reise für sie beide. Als noch Zeit gewesen wäre, alles kostengünstig zu stornieren, gab Natalie ihm nochmals deutlich zu verstehen, dass sie nicht mit ihm verreisen würde.
Er aber glaubte einfach nicht, dass sie es ernst meinte – zu lange hatte sie sich ihm immer gefügt, immer nachgegeben.
Erst am Tag vor der geplanten Abreise musste er einsehen, dass seine Frau tatsächlich nicht die Ferien mit ihm verbringen würde und er viel Geld für nichts ausgegeben hatte. Ich weiss nicht, was ihn mehr schmerzte, die gekränkte Männlichkeit oder der finanzielle Verlust.

Ich bin glücklich, dass Natalie diesen ersten wichtigen Schritt zu sich selbst gemacht hat. Ein weites Stück Weg liegt noch vor ihr, doch zum ersten Mal in all den Jahren bin ich sicher, dass sie ihn gehen und zu ihrer Selbstachtung und Selbstliebe finden wird.

*Name aus Diskretionsgründen geändert.

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Ein Gedanke zu “Eine neue Richtung in einer alten Geschichte

  1. Ganz anschaulich Ihre Geschichte, aber ein winziges Bisschen einseitig, da solche ehelichen Situationen meist komplex sind und am nicht einschätzen können beider Partner liegen. Distanz ist in solchen Situationen immer hilfreich, falls möglich der Blick in die eigenen Abgründe auch. Ich hoffe für die betroffene Frau, dass die Wahl der Therapeutin wirklich gut war und zu ihrem und nicht der Therapeutin Weg führt.

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