Urvertrauen = Selbstvertrauen

Unser Vertrauen ins Leben, ins Schicksal, in eine Höhere Macht, in das Göttliche – was wir Urvertrauen nennen – können wir ebenso als Vertrauen in uns selbst verstehen, als Selbstvertrauen im wahren Sinne des Wortes.
Unsere Seele weiss ja stets, was für uns gut ist, und sie teilt es uns auch mit, durch die innere Stimme, unsere Intuition, Inspiration, innere Wahrnehmung – oder wie wir diese Empfindung, die wir alle besitzen, nennen wollen. Leider vertrauen wir ihr, uns, in der Regel viel zu selten. Einerseits mischt sich sofort der Verstand ein, der uns mit allerlei „logischen“ Argumenten von etwas anderem überzeugen will, andererseits sind es oft auch unsere „lieben“ Mitmenschen, die meinen, besser zu wissen, was für uns gut ist. Zu letzterem ist mir eine hübsche Geschichte begegnet, die ich euch heute erzählen will (ja, ich weiss, ich habe schon in meinem letzten Beitrag eine Geschichte erzählt – aber ich mag sie halt: sie lehren auf sanfte Weise und haben die angenehme „Nebenwirkung“, dass sie das Herz erwärmen oder ein Lächeln auf unsere Lippen zaubern). Es ist eine russische Legende.

Auf einer Insel lebten drei fromme alte Männer. Ihr Ruf der Heiligkeit hatte sich weit verbreitet und es kamen viele Menschen zu ihnen, um von ihnen zu lernen.
So hörte auch der Metropolit* in St. Petersburg von ihnen und wollte selbst sehen, was daran Wahres sei. Als er ankam, fand er sich drei ärmlichen Gestalten gegenüber, die in einer einfachen Hütte lebten und ihm nichts anderes anbieten konnten, als etwas Brot und Salz und frisches Quellwasser.
Er fragte sie: „Man sagt, ihr hättet die Gotteserfahrung. Könnt ihr mir darüber erzählen?“
Die drei schauten einander verständnislos an; schliesslich antwortete der eine: „Wir freuen uns an Gott, wenn die Sonne scheint, ebenso wie wenn der Regen fällt. Wir freuen uns an Ihm am hellen Tag, und wir freuen uns wenn es rundum dunkel ist.“
Der zweite ergänzte: „Ja, und wir freuen uns an Gott, wenn das Korn wächst und die Äpfel reifen; und an der Quelle, die nicht aufhört uns Wasser zu spenden.“
Und der dritte fügte noch hinzu: „Ja, viel Freude haben wir an Ihm, auch wenn die Gläubigen kommen mit ihren Gaben. Und wenn wir beisammen sitzen, singen und beten, und wenn wir nachher gemeinsam essen und trinken…“
Da wollte der Metropolit wissen, wie sie denn zu Gott beteten. Die drei erröteten und antworteten schüchtern: „Unser einziges Gebet ist folgendes: Wir sind drei – Ihr seid drei – macht uns frei!“
Der Kirchenmann war entsetzt darüber und lehrte sie daraufhin ein richtiges Gebet, das Vaterunser. Die drei alten Männer waren überglücklich, von einem hohen Geistlichen unterwiesen zu werden, und sagten es eins ums andere Mal auf, bis sie es auswendig konnten.
Zufrieden kehrte der Metropolit an den Strand zurück und das Schiff legte ab. Es war noch nicht weit draussen im Meer, als er Rufe hörte. Er wandte sich in Richtung der Insel – und sah drei Gestalten, die Hand in Hand über das Wasser angeeilt kamen. Als sie das Schiff erreichten, riefen sie ausser Atem: „Wir haben es vergessen! Wie geht es weiter nach ‚geheiligt werde dein Name‘?“
Der Metropolit war tief berührt und antwortete: „Betet einfach, wie ihr es immer getan habt!“
Erleichtert gingen die drei über die Wellen zurück auf ihre Insel.

* Metropolit: Oberbischof in der orthodoxen Kirche

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