Wie in einem Kanu

Selbstliebe verleiht Stärke. Die Stärke zum Beispiel, mit unseren Schwierigkeiten und Leiden nicht hausieren zu gehen. Wenn wir uns in uns selbst geborgen fühlen, haben wir es nicht nötig, die Anteilnahme und das Mitleid unserer Mitmenschen zu suchen, wir hören auf, uns als Opfer zu präsentieren, um ein bisschen Zuwendung zu bekommen. Wie laden auch nicht länger unsere Probleme bei denen ab, die uns ohnehin nicht helfen können und die wir damit nur unnötig belasten.

Mein Liebster hat mir neulich ein schönes Gleichnis zu diesem Thema erzählt. Er hatte seit einiger Zeit ein Problem mit sich herumgetragen, doch er hatte nie mit mir darüber geredet, bis wir einmal – in einem anderen Zusammenhang – dieses Thema streiften. Ich fragte ihn dann, warum er nicht mit mir gesprochen habe.
„Weil du nichts zur Lösung beitragen konntest und ich sah, dass ich es selbst würde lösen können“, antwortete er. „Warum hätte ich dich dann damit belasten sollen?
Unseren gemeinsamen Lebensweg kannst du dir vorstellen, als wären wir zusammen in einem Kanu auf einem Wildbach. Ich paddle auf der linken Seite, du auf der rechten. Ich passe auf der linken Seite auf, dass wir nicht gegen Felsen prallen, nicht in Stromschnellen geraten, schön auf Kurs bleiben, du tust das Gleiche auf deiner Seite.
Solange ich mit den Herausforderungen auf meiner Seite allein fertig werde, ist es unnötig, dass ich dich darüber informiere, dich damit belaste und nur davon ablenke, auf deiner Seite aufzupassen und alles richtig zu machen.
Wenn ich jedoch sehe, dass ich eine schwierige Situation nicht allein meistern kann, dann teile ich es dir mit und bitte dich um deine Hilfe.“

Das hat mich sehr berührt, denn es war nicht nur ein Zeichen von starker Selbstliebe, sondern auch von grosser Nächstenliebe – die beiden gehen ja immer Hand in Hand.
Ich habe mir diese Kanu-Allegorie gut eingeprägt und mir vorgenommen, in Zukunft nicht mehr über die Schwierigkeiten und Herausforderungen zu reden, bei denen ich keine Hilfe benötige oder keine Hilfe möglich ist.

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4 Gedanken zu “Wie in einem Kanu

  1. Liebe Karin,

    wow, danke für diesen wundervollen, wirkllich berührenden Kanubeitrag! Da ich begeisterte Kanufahrerin bin, spricht mich diese Selbst-Nächstenliebemetapher besonders an! Auf den anderen zu achten, aber dabei auch niemals sich selbst aus den Augen zu verlieren = ein Zeichen für gesunde Beziehungsfähigkeit.
    Ganz liebe Grüsse sendet Ihnen
    Nana

  2. Hallo Karin !

    Eine schöne Kanu-Geschichte, die so sicher zutreffen kann. Ist es aber manchmal nicht auch so, dass man andere aus eigener Scham nicht belasten will, weil man Angst hat, dass andere auf einmal eine ganz ungewohnte (schwache) Seite entdecken, die man nicht preisgeben will. Auf jeden Fall geht man gestärkt aus solchen Situation heraus, wenn sie gelöst wurden.

    Silvia

  3. Liebe Silvia

    Es gibt mehrere Gründe, warum wir andere nicht belasten wollen, häufig wie du sagst, weil wir uns nicht als schwach, hilfsbedürftig, verwundbar zeigen wollen – was dann ein Mangel an Selbstwertgefühl verrät.

    Im geschilderten Beispiel war dies jedoch nicht der Fall und es ging mir um die Thematik, dass wir manchmal andere unüberlegt und leichtsinnig mit unseren Problemen belasten, obwohl es uns selbst überhaupt nicht hilft. Ausser dass wir vielleicht ein bisschen Mitgefühl bekommen.

    Herzlichst,
    Karin

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