Wünsche habe ich nicht viele, ich versuche stets, Urvertrauen und Gleichmut zu praktizieren und dankbar anzunehmen, was mir gegeben wird, im Bewusstsein, dass es gut für mich ist.
Doch einen Wunsch hatte ich seit vielen Jahren und ich hatte das Göttliche immer wieder gebeten, ihn mir zu erfüllen, nur diesen einen: Dass meine betagte Mutter einen „schönen“ Tod haben möge. Ohne schwere Krankheit, ohne Leiden, einfach irgendwann einschlafen und nicht mehr aufwachen.
Dieser Wunsch war dann sogar spontan in mir aufgekommen, als ich eines Nachts in der Wüste Sternschnuppen sah.
Natürlich weiss ich: Auch Krankheit, auch Leiden haben einen Sinn. Und ich hätte mir nie anmassen dürfen, besser als das Göttliche zu wissen, was für meine Mutter (und mich) gut ist. Aber es ist halt menschlich, ich habe es mir einfach gewünscht, dass sie eines Tages ohne Schmerzen gehen darf.
Als meine Mutter vor wenigen Monaten erkrankte und wir dann seit etwa Mitte Dezember den Tod kommen sahen, haderte ich mit dem Göttlichen. Warum hast du mir diesen Wunsch nicht erfüllt? Ich bitte dich doch ganz selten um etwas! Warum muss sie jetzt so leiden, warum hast du uns das nicht erspart?
Es war für mich sehr schwer. Nicht, ihren Tod anzunehmen, sondern ihr Leiden mitzuerleben. Ich wünschte mir manchmal, sie wäre zuvor unerwartet gestorben.
Vor wenigen Wochen hat sie dann diese Welt verlassen. Friedlich, ruhig, gefasst und in grosser Würde.
Erst danach, als mein Schmerz und meine Trauer ein bisschen verebbt waren – relativ schnell, denn ich hatte den grössten Schmerz und die intensivste Trauer schon vor ihrem Tod vorweg gelebt –, empfand ich eine riesige Dankbarkeit. Für diese Wochen, die uns geschenkt wurden, in denen wir so viele tiefe und bereichernde Gespräche hatten wie nie zuvor. Für die Liebe, Nähe und Fürsorge, die ich ihr noch schenken durfte, mehr als je zuvor in meinem Leben. Für ihre Nähe und Liebe, die sie mir noch schenkte. Für diese tiefe Erfahrung, sie in den Tod begleiten zu dürfen.
So habe ich nun verstanden, warum meine Mutter nicht schnell und unerwartet sterben durfte, und bin dem Göttlichen unendlich dankbar dafür.
Ich hoffe, ich werde mich in Zukunft daran erinnern, sollte ich wieder einmal mit meinem Schicksal hadern.
Wieder einmal habe ich eine lange, lange, heftige Schmerzphase. Lange Zeit halte ich das durch mit dem Wissen, dass es meine Entwicklung vorantreibt. Aber dann kommt oft eine Phase der Niedergeschlagenheit, der Hilflosigkeit, halt auch des psychischen Leidens. In der stecke ich gerade. Und da ist dann nichts mehr da von Urvertrauen.
Dein Artikel oben hat mich angesprochen. Ich weiß ja – eigentlich -, dass es so ist. Aber es tut gut, mitzukriegen, dass auch andere diese Erfahrung machen. Dies hilft, das eigene Leiden anzunehmen in dem Wissen, dass es gut ist für mich. Ja, und jetzt muss ich wieder weinen!
Inanna
Liebe Ruth
Das erfahre ich auch immer wieder, dass Wissen das eine ist, die Gefühle aber etwas ganz anderes sind. Da sind wir dann so machtlos, trotz unserem ganzen theoretischen Wissen…
Die letzten Tage habe ich in einer Gegend verbracht, in der ich oft mit meiner Mutter war, eine Gegend, die sie geliebt hat. So ist in mir wieder der Schmerz hochgekommen, die Traurigkeit.
Durch diese Phasen müssen wir hindurch, so leidvoll sie auch sind. Und selbst wenn wir meinen, das Urvertrauen nicht zu spüren, so wissen wir irgendwo tief in uns doch, dass ein Licht uns den Weg erleuchtet und wir wieder aus dem Dunkel herausfinden.
Jetzt kommen auch mir gerade wieder die Tränen in die Augen.
Ich wünsche dir viel Kraft und Zuversicht, um deine schwere Zeit durchzustehen, ich denke liebevoll an dich.
Karin
Vielen Dank, Karin!