Selbstliebe und Selbstbestimmung

Wir alle scheuen uns oft allzu sehr, über unser Leben selbst zu bestimmen – wenn dabei andere in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir nehmen Rücksicht, nehmen uns zurück, bringen Opfer, bis hin zur Selbstaufgabe… Alles gut und recht, aber dabei vergessen wir, dass wir die Pflicht – ja, die Pflicht, nicht nur das Recht! – haben, unser eigenes Leben zu leben, unseren eigenen Weg zu gehen, so wie unsere Seele es will.
Sich selbst lieben heisst, seinen Lebensweg selbstbestimmt zu gehen.

Ohne weiteren Kommentar – der tatsächlich unnötig ist – zitiere ich aus zwei Büchern, die ich in letzter Zeit gelesen habe:

Wir alle haben Träume. Doch die meisten von uns scheuen davor zurück, ihre Träume in Erfüllung gehen zu lassen, obwohl es doch einzig und allein in ihrer Hand liegt, ob sie Wahrheit werden. […] Wenn wir das eine, das uns alles bedeutet, nicht haben, was ist dann der Rest wert? Wenn wir das eine aber bekommen, was schert es uns, wenn wir den Rest verlieren? […] Ich behaupte, dass wir alle diese Situation kennen. Etwas, das sich mit Gewalt in unser Leben drängt, und mit einem Mal wird alles andere unwichtig. Ein Mensch, sehr häufig ist es ein Mensch. Plötzlich steht er vor uns und erschüttert unser Leben in den Grundfesten und alles, was dort sonst eine Rolle spielt, rückt an den Rand.
Stephan M. Rother: Öffne deine Seele

Einen anderen Menschen zu lieben, ist etwas Wundervolles […] Es mag gut gehen, oder auch nicht. Aber so ist die Liebe. Wenn man sich verliebt, ist es nur natürlich, sich der Liebe hinzugeben. […] Man muss den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen. Trotz all deiner Bemühungen, werden andere Menschen verletzt, wenn für sie die Zeit gekommen ist, verletzt zu werden. Das Leben funktioniert so. Du bemühst dich zu sehr, das Leben in die Bahnen zu lenken, die deiner eigenen Lebensweise entsprechen. Willst du nicht in einer Nervenheilanstalt enden, musst du dich etwas mehr öffnen und dich dem natürlichen Lebensfluss ergeben. […] Also, stoppe, was du gerade tust, und werde glücklich. Arbeite daran, dich glücklich zu machen!
[…] wer weiss schon, was das Beste ist? Deshalb solltest du nach jeder Chance auf Glück greifen, wo immer du es findest, und dir nicht allzu viele Sorgen um andere Leute machen. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass wir nie mehr als zwei oder drei solcher Chancen in einem Menschenleben bekommen, und wenn wir sie gehen lassen, bereuen wir es für den Rest unseres Lebens.
Haruki Murakami: Norwegian Wood (von mir selbst aus dem Englischen übersetzt)

Die Selbstbestimmung ist auch das Thema des nachfolgenden Artikels mit gleichem Datum.

* Das Buch von Rother ist ein Thriller, den ich niemandem empfehlen will, der nicht über starke Nerven verfügt.
** Der Roman von Murakami ist eine nette, aussergewöhnliche Liebesgeschichte eines jungen Mannes.

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Entscheiden heisst verzichten

„Entscheiden heisst verzichten.“ Diesen Satz hat vor knapp zwei Wochen ein Freund von mir gesagt, der vor einer Lebensentscheidung stand, mit der er sich seit Monaten – wenn nicht seit Jahren – quälte.
Im ersten Moment habe ich ablehnend reagiert. Aber beim späteren Nachdenken gebe ich ihm Recht: Wenn man zwischen Alternativen entscheiden muss, wählt man die eine und verzichtet auf andere.
Manchmal empfindet man es nicht als Verzicht, weil die ausgeschiedenen Alternativen ohnehin nicht besonders attraktiv waren. Doch wenn zwei oder mehrere gleichwertig sind, oder fast, oder emotionale Elemente mit hineinspielen, dann trifft es durchaus zu, dass man mit seiner Wahl gleichzeitig einen Verlust erleidet.

Inzwischen hat dieser Freund seine Entscheidung gefällt. Und jetzt leidet er unsäglich wegen dem, was er verliert. Dazu auch eine Pauschalweisheit: Wenn es so sehr weh tut, dann weil die Seele aufschreit.
Er hat nämlich – nicht zum ersten Mal in seinem Leben – eine Entscheidung getroffen zugunsten eines anderen Menschen und dabei sträflich seine eigenen Bedürfnisse und die Stimme seiner Seele missachtet. Er hat so entschieden, weil er einem anderen Menschen nicht wehtun will, in erster Linie, und in zweiter Linie weil es die Wahl ist, die einen geringeren – oder gar keinen – zwischenmenschlichen Konflikt hervorruft. Das kann kein gutes Ende nehmen, zumal diese Entscheidung auf einer grossen Lüge gründet.

Es ist durchaus richtig, unsere kleinen Bedürfnisse zugunsten eines Mitmenschen zurückzustellen und uns selbst nicht so wichtig zu nehmen. Dies gilt jedoch nur für Alltägliches, niemals für existentielle Fragen, nicht wenn es um Entscheidungen für das eigene Leben geht.
Ein aus Liebe erbrachtes Opfer tut nicht weh und hat keine Konsequenzen für die physische und psychische Gesundheit. Wenn wir etwas für einen geliebten Menschen tun, dabei jedoch leiden und unglücklich sind, so haben wir gegen uns selbst gehandelt; ein echtes Opfer aus Liebe schmerzt niemals, vielmehr lässt es uns eine tiefe innere Zufriedenheit und Ruhe fühlen. Wenn es weh tut, war die Entscheidung falsch.

Im Fall meines Freundes, dessen Geschichte ich sehr gut kenne, auch in den Details, wage ich zu behaupten: Ja, er hat die falsche Entscheidung getroffen. Und er weiss es auch, das schmerzt ihn noch mehr. Doch erst die Zukunft wird es wirklich zeigen.
Und mir blutet das Herz zu wissen, wie sehr er leidet, nur weil er einmal mehr nicht sein Recht auf das eigene Leben wahrgenommen hat und sich die Verantwortung für das Leben und das Glück anderer aufbürdet.

Natürlich gibt es keine absolut „richtigen“ und keine absolut „falschen“ Entscheidungen. Ich glaube nicht an Vorbestimmung, sondern daran, dass sich das Leben in jedem Augenblick neu entfaltet und zwar aus den Gegebenheiten des Augenblicks. Die Gegenwart bestimmt die Zukunft – ändert sich die Gegenwart (und das tut sie in jeder Sekunde!), ändert sich auch die Zukunft. Keine Entscheidung verdammt oder rettet uns für alle Ewigkeit.

Trotzdem tun sich viele Menschen oft schwer, eine Entscheidung zu treffen: Sie fürchten die Konsequenzen und das Leiden, das daraus entstehen könnte.
Das Hauptproblem aber ist, dass sie nicht wissen, auf welcher Grundlage sie entscheiden sollen. Selten kann man Vor- und Nachteile einander klar gegenüber stellen und gewichten und rational entscheiden.
Rational entscheiden? Eine Studie hat gezeigt, dass auch in grossen Firmen Entscheide selbst über Millionenbeträge hauptsächlich aus dem Bauch getroffen werden und rationale Argumente dann nur dazu dienen, diese irrationalen Entscheide zu begründen und zu rechtfertigen.
Irrationale Entscheide? Nein! Es sind Entscheide „von innen“ und es sind jeweils die richtigen, um dieses Wort doch zu verwenden. Unser Verstand kennt nie sämtliche Fakten, Kriterien, Bedingungen und schon gar nicht die Konsequenzen. Unsere Seele hingegen weiss alles, und vor allem weiss sie, was für uns gut ist und was nicht. Die Entscheide unserer Inneren Stimme sind immer richtig. Was nicht heisst, dass dann immer alles glatt läuft; aber es sind die Entscheide, die uns auf unserem Lebensweg weiterführen, die unserer inneren Entwicklung förderlich sind.

Um unserer Inneren Stimme bedingungslos zu gehorchen, anstatt uns von unseren Ängsten leiten zu lassen, brauchen wir Urvertrauen. Das Urvertrauen, dass alles so kommt, wie es für alle Beteiligten am besten ist.
Dieses Urvertrauen kann uns die Entscheidungen leicht machen. Weil wir wissen: Egal wie wir entscheiden, den Erfahrungen, die wir auf unserem Lebensweg für unsere innere Entwicklung machen müssen, entkommen wir nicht. Das Schicksal – oder Höhere Mächte, wie man es auch nennen will – werden uns immer wieder in die Richtung lenken, die für uns gut ist.

Wie ich weiter oben gesagt habe: In jedem Augenblick legen wir die Grundsteine für unsere Zukunft. In jedem Augenblick. Jeder Augenblick unseres Lebens ist neu und einmalig und im nächsten Augenblick schon Vergangenheit. Scheuen wir uns deshalb nicht, in jedem Augenblick unsere Entscheidungen zu treffen – und im nächsten Augenblick neue.

Richtige und falsche Entscheidungen – ich habe geschrieben, dass es sie nicht gibt. Doch, eine falsche gibt es: Nicht auf die Innere Stimme zu hören, das ist die einzige falsche Entscheidung, die wir je treffen können.

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Das Leben in fünf Kapiteln

Den folgenden Text von Portia Nelson (von mir ins Deutsche übertragen) hat mir neulich ein Freund geschickt. Ich konnte nicht glauben, dass ich diesen tiefen, wahren Gedanken nicht früher schon begegnet war!

Autobiografie in fünf kurzen Kapiteln

Kapitel 1
Ich gehe eine Strasse entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich falle hinein.
Ich bin verloren… ich bin hilflos.
Es ist nicht mein Fehler.
Es dauert eine Ewigkeit, bis ich herausgefunden habe.

Kapitel 2
Ich gehe die gleiche Strasse entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich tue so, als sähe ich es nicht.
Ich falle wieder hinein.
Ich kann nicht glauben, wieder am gleichen Ort zu sein.
Aber es ist nicht mein Fehler.
Es dauert immer noch lange, bis ich herausgekommen bin.

Kapitel 3
Ich gehe die gleiche Strasse entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich sehe, dass es da ist.
Ich falle trotzdem noch hinein… es ist die Gewohnheit.
Meine Augen sind offen.
Ich weiss, wo ich bin.
Es ist mein Fehler.
Ich komme sofort heraus.

Kapitel 4
Ich gehe die gleiche Strasse entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich umgehe es.

Kapitel 5
Ich gehe eine andere Strasse entlang.

Dieser Text hat mich tief getroffen und zu Tränen gerührt. Wie oft fallen wir doch in die gleichen Löcher, obwohl wir sie kennen! Es ist fast unbegreiflich, aber es ist so, etwas in uns treibt uns da hinein.
Und wie lange braucht es jeweils, bis wir gelernt haben! Eine Erkenntnis steht jeweils am Anfang, aber bis wir es dann schaffen, anders zu handeln…
Das einzige Richtige ist, einen anderen Weg zu wählen. Von Anfang an. Uns gar nicht erst in die Gefahrensituation zu begeben. So logisch. Und so unendlich schwierig!

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Vergessen

Man sagt, bei der Geburt würden wir „vergessen“, dass wir aus einer geistigen Welt kommen – und das Leiden im Diesseits beginnt.
Könnten wir uns daran erinnern, dass wir in Wahrheit eine unsterbliche, unverwundbare Seele sind und von Höheren Mächten durch dieses Leben geführt und getragen werden, blieben wir von viel Schmerz verschont.

Doch irgendwann in unserem Leben begegnen wir diesem Urvertrauen wieder, sei es, dass wir auf einen Menschen treffen, der uns davon erzählt, sei es, dass wir in einer schwierigen Lebenslage diese Zuversicht in uns drinnen entdecken.

Wir wir es gefunden haben, vergessen wir es aber auch immer wieder. Wenn es uns nicht gut geht, wenn wir meinen, die uns auferlegte Last nicht mehr tragen zu können, oft auch einfach, weil wir zu sehr von den Ängsten und Wünschen unseres Ego beherrscht werden.

Es ist auch meine persönliche Erfahrung, dass ich mich immer wieder selbst daran erinnern muss. Und das möchte ich deshalb euch allen ans Herz legen:
• Wenn die Dinge im Leben nicht so laufen, wie wir es gerne hätten, wenn wir mit unserem Schicksal hadern, erinnern wir uns daran: Alles ist und kommt so, wie es gut für uns ist.
• Wenn wir nicht weiter wissen, erinnern wir uns daran: Wir werden durchs Leben geführt und getragen, vertrauen wir uns dieser Führung an, hören wir auf, selbst die Richtung vorgeben zu wollen, lassen wir los.
• Wenn wir krank sind, uns schlecht fühlen oder jemand uns verletzt hat, erinnern wir uns daran: Wir sind eine unsterbliche, unverwundbare Seele.
• Wenn unsere Wünsche nicht in Erfüllung gehen, erinnern wir uns daran: Etwas Besseres wartet auf uns.
• Wenn traurige, deprimierende, verzweifelte Gedanken uns überfallen, erinnern wir uns daran: Sie gehören nicht zu uns, in uns ist nur Friede und Licht.
• Wenn Hindernisse auf unserem Weg auftauchen, die Dinge plötzlich eine andere Wende nehmen, erinnern wir uns daran: Es hat etwas zu bedeuten, es will uns etwas sagen, wir werden es verstehen.
• Wenn geliebte Menschen von uns gehen, erinnern wir uns daran: Andere Menschen werden kommen und ein Stück auf dem Lebensweg mit uns gehen.
• Wenn wir mit uns selbst unzufrieden sind, uns verurteilen, uns Vorwürfe machen, erinnern wir uns daran: Wir sind auf dieser Welt, um zu lernen, uns innerlich zu entwickeln, jeder „Fehler“ ist nur eine Erfahrung.

Erinnern wir uns immer daran! Und vergessen wir nicht, uns daran zu erinnern.

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Das Glück nicht delegieren!

Eine Aussage aus Steffis Kommentar auf dieser Website hat mich zum heutigen Text inspieriert, nämlich

Meine Umgebung ist nicht länger verantwortlich dafür, ob ich mich gut oder schlecht fühle.

(Bei dieser Gelegenheit empfehle ich euch, auch den davorstehenden langen Beitrag von R. Vangelis zu lesen.)

Oft erwarten wir, dass wir glücklich gemacht werden. Sagen wir nicht etwa zu unserem Partner: „Du machst mich glücklich“? Oder: „Ich brauche dich“ und meinen damit „Ich brauche dich, damit ich glücklich bin“?
Noch öfter werfen wir jemandem vor, uns unglücklich zu machen.

Wahre Selbstliebe bedeutet jedoch, von niemandem abhängig zu sein. Oder andersrum: Solange wir unser Glück von einem anderen Menschen abhängig machen, sind wir auch von diesem Menschen abhängig. Das hindert uns daran, jederzeit wir selbst zu sein, das hindert uns daran, uns selbst zu lieben.

Ganz abgesehen davon, dass wir nie die Garantie haben, dass der betreffende Mensch uns für immer glücklich machen wird. Dieses Recht haben wir auch nicht, wir können nicht über andere verfügen, über sie bestimmen, wir können sie nicht zwingen, sich so zu verhalten, wie wir es gerne hätten.
Wenn wir also unser Glück und unser Wohlbefinden darauf gründen, dass wir es von aussen bekommen, dass jemand es uns schenkt, leben wir in der ständigen Ungewissheit, wie lange es tatsächlich bei uns bleiben wird, und in der ständigen Angst, es zu verlieren.

Es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Selbstliebe, diese Erwartungshaltung anderen gegenüber aufzugeben und uns einzugestehen: Ich muss selber dafür sorgen, dass ich glücklich bin und mich wohl fühle.
Da wir die äusseren Umstände und unsere Umgebung nicht beliebig beeinflussen können, kann der Weg nur darin bestehen, unsere innere Haltung zu ändern, das Glück in uns zu finden. Daran müssen wir arbeiten, nicht an der Veränderung unserer Mitmenschen und unseres Umfelds!
Wie? Auf dieser Website habe ich schon viele Hinweise dazu gegeben und weitere werden folgen. Fangt einfach irgendwo an, es ist nicht so wichtig wo, Hauptsache ihr macht einen ersten Schritt und dann noch einen und noch einen… Es ist ein langer Weg, aber auch ein spannender und überaus bereichernder.

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Die Angst vor dem Versiegen des Brunnens

Die Angst vor dem Versiegen des Brunnens ist ebenso leidvoll wie der Durst selbst. Sagt eine Weisheit aus der Wüste – oder so ähnlich.

Wie oft lassen wir uns doch von düsteren Zukunftsvisionen die Lebensfreude rauben! Wälzen Gedanken, was passieren, wie negativ sich etwas entwickeln könnte, wir (be)fürchten bestimmte Ereignisse… und leiden unter diesen Vorstellungen.
Um irgendwann zu erkennen, dass das Befürchtete gar nie eingetreten ist. Oder wenn doch, dass es nicht halb so schmerzhaft ist wie die Angst, die wir davor hatten.

Genau diese Erfahrung habe ich neulich gemacht. Als ich – bildlich gesprochen – in den Brunnen hineinschaute, dessen Versiegen ich gefürchtet hatte, und feststellte, dass er tatsächlich versiegt ist, musste ich mir eingestehen, dass ich gar nicht so arg Durst hatte und gut bis zum nächsten Brunnen weiterwandern konnte.

Aber es ist schwer, unser Urvertrauen über Tage und Monate aufrechtzuerhalten, den Glauben nicht zu verlieren, dass wenn der Brunnen wirklich versiegt, uns nicht weit entfernt eine Quelle mit frischem, klarem Wasser erwartet.

Wir müssen die düsteren Gedanken beim ersten Auftreten verjagen, ihnen auf keinen Fall nachhängen, und sie immer und immer wieder vertreiben, denn sie sind hartnäckig.
Wir müssen uns konsequent weigern, an eventuell eintretende befürchtete Dinge zu denken, und ebenso konsequent das damit verbundene Leiden nicht zulassen. Das ist das einzige Mittel, die Angst vor dem Versiegen des Brunnens zu verlieren.

Wir müssen aufhören, die Zukunft in Gedanken vorwegzunehmen. Die Zukunft bildet sich selbst in jedem Augenblick neu, sie ist nicht etwas, was heute schon feststeht. Wir bilden unsere Zukunft – durch unsere Taten, aber auch durch unsere Gedanken. Wenn wir das Scheitern, einen Misserfolg, etwas Schlimmes fürchten, laden wir das Scheitern, den Misserfolg, das Schlimme ein.

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Gesichtsverlust

Kürzlich habe ich wieder einmal eine Woche in einer Kultur verbracht, in der es enorm wichtig ist, sein Gesicht nicht zu verlieren, und das kann in solchen Ländern recht schnell passieren und aus für unser Verständnis banalen Gründen. Vor allem für Männer trifft dies zu.

Aber auch hier werde ich hie und da von Menschen gefragt, ob sie ihr Gesicht verlieren würden, wenn sie sich in einer bestimmten Situation so und so verhielten. „Was meinst du denn genau damit?“, frage ich jeweils. Daraufhin bekomme ich als Synonyme meistens die Begriffe Würde und Selbstachtung zu hören.

Interessant.
Von Nah- bis Fernost hat der Gesichtsverlust damit zu tun, wie man nach aussen dasteht.
Bei uns offenbar ebenfalls wie man vor sich selbst dasteht.
Zu letzterem passen Aussagen wie: Wenn ich das und das täte, würde ich die Achtung vor mir selbst verlieren. – Wenn ich mich so verhielte, empfände ich es als würdelos. – Wie kann man sich bloss derart unter seiner Würde benehmen?

Selbstachtung ist wichtig und hat eine Menge mit Selbstliebe zu tun. Mit anderen Worten bedeutet es, auf uns selbst zu hören, nichts zu tun, was wir nicht wirklich wollen, stets unserer Inneren Stimme zu folgen.

Wie steht es aber damit, wenn wir unsere Würde, also das Gesicht wahren wollen, nach aussen? (Und ich spreche jetzt ausdrücklich nur von unserer Kultur.) Geht es dabei nicht vielmehr darum, unsere Maske aufrechtzuerhalten? Keine Schwäche zu zeigen, keine Fehler zugeben zu müssen, tadel- und makellos dazustehen?
Das ist in der Tat kein Anzeichen für Selbstliebe, sondern für mangelnde Selbstliebe! Es steckt meistens viel Ego darin, wenn wir uns bemühen, unser Gesicht nicht zu verlieren.

Für unsere Selbstachtung hat es keine Bedeutung, wie andere uns beurteilen. Nur für uns selbst muss es stimmen. Und niemand kann uns unsere Selbstachtung nehmen, egal was er von uns denkt. Im Gegenteil: Unsere Selbstachtung verlieren wir gerade dann, wenn wir uns bemühen, von anderen positiv beurteilt, akzeptiert und geschätzt zu werden. Dann stehen wir nämlich nicht zu uns selbst, wir nehmen uns nicht an, wie wir nun einmal sind.

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Verletzende Lügen

Gleich vorneweg: Auf die Frage, ob es berechtigte Lügen, also Gründe zu lügen, gibt oder nicht, gehe ich heute nicht ein. Und dass wir nicht immer unaufgefordert alles sagen müssen, versteht sich von selbst.

Warum wir grundsätzlich nicht lügen sollten, vor allem im Hinblick auf unser Selbstwertgefühl, habe ich auf dieser Website verschiedentlich dargelegt, siehe hier und hier.

Lügen stehen zudem im Widerspruch zum Urvertrauen, weil wir uns anmassen, die Wahrheit nach unserem Gutdünken zu verbiegen und nicht darauf vertrauen, dass egal wie wir uns verhalten – lügen oder die Wahrheit sagen – stets alles so kommt, wie es für alle Beteiligten gut und richtig ist.

Heute ist jedoch ein verwandter Aspekt mein Thema. Manchmal nehmen wir für uns in Anspruch, aus edlen Motiven zu lügen*, beispielsweise um jemandem mit der Wahrheit nicht weh zu tun. Manchmal auch aus einem in unseren Augen berechtigten Selbstschutz. Welche Gründe uns auch zu einer Lüge bewegen: Überlegen wir uns dabei je, was der Angelogene dabei empfindet?
Lüge/Wahrheit ist einer jener typischen Bereiche, in denen wir für uns selbst etwas erwarten, was wir anderen nicht zugestehen. Wir selbst wollen nicht angelogen werden, nicht wahr? Warum vergessen wir dann stets, dass andere das ebenso wenig wollen?

Bitte denkt einen Augenblick nach und holt euch eine Begebenheit in eure Erinnerung, als ein Mensch, der euch etwas bedeutet, euch einmal angelogen hat. Wie habt ihr euch dabei gefühlt?
Genau. Verletzt, enttäuscht, gedemütigt, vielleicht auch wütend… Nicht gut, jedenfalls. Ebenso wie ich mich neulich gefühlt habe.

Kürzlich hat ein Mensch, den ich mag und achte und mit dem ich eine aufrichtige Beziehung pflege und darauf Wert lege, mich angelogen.
Meine erste Empfindung dabei war Verletzung. Ich fühlte mich verletzt, dass dieser Mensch mir nicht zutraute, mit der Wahrheit umgehen, sie ertragen zu können.
Meine zweite Empfindung war Enttäuschung. Ich war enttäuscht, dass ein Mensch, von dem ich viel halte, lügt, weil er einen allfälligen Konflikt mit mir scheut oder aus Angst vor meiner Reaktion oder aus welchen Ängsten/Befürchtungen auch immer.
Und um diese beiden Empfindungen lag noch mein Unverständnis über diese in meinen Augen völlig überflüssige Lüge.

Warum tun wir das denn unseren Mitmenschen an? Das müssen wir uns überlegen, jedes Mal, wenn wir meinen, jemanden, den wir lieb haben, anlügen zu müssen. Dann sollte uns die Wahrheit leichter über die Lippen kommen. Und besonders wachsam müssen wir immer genau dann sein, wenn wir merken, dass wir im Begriff sind zu lügen und uns augenblicklich dieses unbestimmte ungute Gefühl überkommt, etwas wie ein schlechtes Gewissen, die innere Stimme, die uns davon abhalten will.

Denkt ja nicht, eine Lüge, die nicht „offiziell“ enttarnt wird, tue nicht weh! Die meisten Menschen haben sehr feine Antennen für Lügen. Gemäss der Wissenschaft verändert sich bei einer Lüge die Tonlage des Sprechenden, auch gewisse Gesichtszüge verändern sich, es werden bestimmte Formulierungen gewählt – alles Verhaltensweisen, die uns eine Lüge erkennen lassen.
Darüber hinaus erzeugt eine Lüge jedoch einfach eine Dissonanz, eine Disharmonie, eine ungute Schwingung, oder wie man es nennen will. Der Belogene weiss möglicherweise nicht, dass was er gerade zu hören bekommt, eine Lüge ist, aber er spürt, dass etwas nicht stimmt.
Den wenigstens Menschen entgeht diese „falsche“ Schwingung. Weil wir dabei jedoch oft nicht wissen, was wir da genau spüren, sprechen wir den Lügenden nicht unmittelbar darauf an. Doch bei einer späteren Gelegenheit, vielleicht bei einer ähnlichen Aussage oder einer Aussage, die in uns wiederum diese bestimmte Schwingung auslöst, erkennen wir dann plötzlich die Lüge; es ist nicht einmal nötig, dass der Lügende sich verplappert oder sich sonstwie verrät.
Das ist dann der Moment, in dem die Lüge uns verletzt, enttäuscht, uns schlecht fühlen lässt.

Wie aber sollen wir reagieren, wenn wir merken, dass wir belogen wurden? Emotionen wie Verletzung, Wut, Angst und andere sind schlechte Ratgeber, deshalb sollten wir – wenn möglich – nicht spontan damit herausplatzen, sondern zumindest einmal eine Nacht darüber schlafen und nachdenken.
Ob wir dann den Lügner darauf ansprechen oder nicht, ist in jedem einzelnen Fall zu erwägen, eine allgemein gültige Regel kann es nicht geben. Ich kann in diesem Zusammenhang nur wiederholen, was ich immer wieder sage: Das Leben ist nicht schwarz und weiss, es gibt unendlich viele Grautöne. So ist auch eine Lüge und unsere Reaktion darauf nicht immer nur schwarz oder weiss.

Eines sollten wir auf jeden Fall immer tun, egal wie wir im Übrigen reagieren: Schlussendlich Verständnis haben für die Schwäche unseres Mitmenschen – wir selbst sind ja auch nicht perfekt! – und verzeihen.

*Nur kurz zur Definition der Lüge: Wir lügen nicht nur, wenn wir etwas Unwahres sagen; Lügen sind auch Teilwahrheiten, absichtliches Verschweigen von Tatsachen, von denen wir wissen, dass wir sie mitteilen sollten, bewusst missverständliche Aussagen usw.

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Das Leben ist so einfach!

Neulich sprach ich mit Ariane*, einer Freundin, über eine gemeinsame Bekannte, die gerade in einer Krise steckt – wobei deren Probleme, objektiv betrachtet, nicht wirklich schwerwiegend und durchaus erträglich sind, sogar relativ leicht lösbar wären.

Ariane sagte zu mir: „Warum machen es sich die Menschen bloss so schwer? Das Leben ist doch so einfach!“
Und das sagte die Mutter eines kleinen Jungen, der soeben ein Jahr lang mit Chemotherapie und intensiver Bestrahlung gegen eine extrem aggressive Krebserkrankung kämpfen musste und der noch nicht als definitiv geheilt gilt!

Die Dankbarkeit für jeden Tag, der ihr mit ihrem Kind zusammen geschenkt wird, spricht aus dieser Frau. Und das Urvertrauen, dass es so kommen wird, wie es sein soll. Kein Hadern mit dem Schicksal, kein Selbstmitleid – und ich weiss gut, wie oft sie im letzten Jahr immer wieder an ihre Grenzen stiess, wie sie kämpfen und stark sein musste.
Aber sie findet, das Leben sei einfach. Sie soll uns allen ein Vorbild sein, wenn wir uns jeweils von unseren Problemchen überwältigt, vom Leben ungerecht behandelt fühlen.

*Name aus Diskretionsgründen geändert.

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„Eheliche Pflichten“

Verständnislos, gar ungläubig, schaue ich derzeit zu, wie die sechsjährige gute und harmonische Ehe meiner Freunde Manuel* und Esther* binnen weniger Wochen in die Brüche geht. Ich hielt die beiden immer für ein perfektes Paar, ihre Beziehung – obwohl beide erst Mitte 30 sind – für „reif“, geprägt von echter Liebe, Respekt, Verständnis, Toleranz, Grosszügigkeit, frei von den banalen Alltagsnörgeleien und Streitigkeiten…
Das Problem: der Sex. Das leidige Problem in allzu vielen, wenn nicht den meisten Ehen, das man mit vier Wörtern auf den Punkt bringt: Er will, sie nicht. Was manche Männer mit Fremdgehen lösen. Aber nicht Manuel, trotz des Rates eines Bekannten, sich den Sex halt anderswo zu holen.

In kürzester Zeit ist die Situation eskaliert: gegenseitige Schuldzuweisungen, Sichunverstandenfühlen, tiefe Verletzung, eine halbwegs rationale Kommunikation ist nicht mehr möglich. Der typische Verlauf halt, bei dem ein vorerst klar umrissenes, begrenztes Einzelproblem zu einem Flächenbrand ausartet. Bei dem oft nur noch verbrannte Erde und ein Trümmerhaufen zurückbleiben.
Was mich erstaunt und irgendwie auch befremdet: Bei der einen Partei erkenne ich Resignation und der mangelnde Wille für eine neue Chance, bei der anderen Partei eine sture Kompromisslosigkeit und der mangelnde Wille, alles zu versuchen. Aber es kann doch nicht sein, dass man eine wahrhaft gute Beziehung beim ersten auftauchenden Problem aufgibt und begräbt? Dass man nicht jede Möglichkeit ausschöpft, nicht bereit ist, einmal über den eigenen Schatten zu springen?
Allerdings stelle ich fest, dass die Kommunikation zwischen den beiden mittlerweile derart von Missverständnissen und der für solche Ehekrisen typischen Irrationalität geprägt ist, dass sie ohne eine Mediation nicht mehr funktionieren kann, ja sogar kontraproduktiv ist, da sich nur noch mehr Frustration und Verletzungen ansammeln. Ich habe Paartherapien schon beobachtet und halte viel davon; die Paartherapeuten wissen, wie vorgehen, um wieder ein konstruktives Gespräch in Gang zu bringen und das anstehende Problem zu lösen.

Warum ich euch das erzähle? Weil es mich beschäftigt. Und weil ich nie werde verstehen können, dass wahre Liebe nicht alle Hindernisse überwindet.
Ob es mit Selbstliebe, dem eigentlichen Thema dieser Website, zu tun hat, weiss ich nicht. Allerdings sind auch Beziehungsprobleme ein oft aufgegriffenes Thema meiner LeserInnen, was aus den vielen Kommentaren dazu klar ersichtlich ist. Hinter vielen steckt am Ende doch mangelnde Selbstliebe.

Zudem weiss ich manchmal nicht mehr, was schreiben zum engeren Thema der Selbstliebe. Mir kommt es vor, als hätte ich alles schon gesagt und teilweise x Mal wiederholt. Deshalb mein Aufruf an euch: Bitte schreibt mir im Kommentar zu diesem Artikel, welche Themen euch am Herzen liegen, zu welchen Fragen ihr meine Meinung lesen möchtet. Ihr seid mir ja immer eine Inspirationsquelle in euren Kommentaren und ich danke euch herzlich für eure Beiträge!

*Namen aus Diskretionsgründen geändert

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