Die Schönen und Reichen

Ich habe einige Tage in einem Kurort am Meer verbracht, wo sich die Schönen und Reichen treffen. Nein, ich gehöre nicht dazu – zumindest nicht zu den Reichen *smile*. Aber ich mag den langen Sandstrand dort und auch die Landschaften im Hinterland.

Es war recht viel los, und wenn ich jeweils müde von den langen Wanderungen in einem Restaurant draussen sass, beobachtete ich interessiert die Vorbeiziehenden.
Junge Frauen, die trotz dicken Beinen ganz selbstbewusst kurze Röcke tragen – ich sehe ihnen an, dass sie es aus Freude an der Mode, am Ausprobieren, vor allem für sich selbst tun und sich wenig darum scheren, wie sie auf andere wirken. In dieser Selbstsicherheit liegt ihre Stärke und lässt sie schön erscheinen.
„Ältere“ Frauen (ab etwa 40 bis zu meinem Alter und zum Teil noch darüber), perfekt gestylt, mit teurer Garderobe, geliftet und gebotoxt, teilweise auch mit Silikon im Busen, extrem schlank bis magersüchtig – ich sehe, wie sehr sie sich nach Bewunderung sehnen und wie sehr sie dennoch in ihrem Inneren verunsichert sind („Wie wirke ich? Wie beurteilt man mich?“). Es stimmt mich immer ein bisschen traurig, wenn jemand sich auf diese Weise so ungemein bemüht, ein bisschen Anerkennung, ein bisschen Liebe zu bekommen… Unweigerlich denke ich zurück, als ich noch ein dummer Teenager war, an meine Mini-Jupes, knapper geht nicht, knallenge Hosen – was habe ich schon alles getan, um ein bisschen (männliche) Anerkennung, ein bisschen Liebe zu bekommen… Bis ich endlich gemerkt habe, dass was ich für meine „sexy“ Kleidung bekam, oft nicht viel mit echter Anerkennung und wahrer Liebe zu tun hatte. Und ich endlich gelernt habe, mich selbst zu lieben und nur noch darauf zu zählen.
Interessant waren auch die mittelalterlichen Männer. Sie schienen viel weniger auf ihr eigenes Äusseres zu geben – dafür führten sie stolz ihre mindestens 20 Jahre jüngere Freundin vor.

Ja, ich weiss, eine Menge Clichés. Sie wurden mir halt wieder einmal so gehäuft und so deutlich vor Augen geführt. Wobei sie nicht nur in der Welt der Reichen vorkommen und in fast jedem von uns etwas davon mitspielt.

Und ich kann die „Moral von der Geschichte“ nur einmal mehr wiederholen: Wenn wir unser Selbstwertgefühl aus Äusserem beziehen – vor allem aus der Schönheit –, verlieren wir es unweigerlich irgendwann. Wie ein amerikanischer Folksong treffend sagt:

So come all ye young lovers,
Take a warning from me,
And never place your affections
On a green growin‘ tree,
Ooh, on a green growin‘ tree.
‚Cause the leaves they will wither
Roots will decay,
And the beauty of a young maid,
Will soon fade away,
Ooh, soon fade away.

(Sinngemäss: Ihr jungen Verliebten, hört auf mich und hängt eure Liebe nicht an einen wachsenden Baum. Denn die Blätter werden welken und die Wurzeln werden vermodern, und die Schönheit einer jungen Frau wird bald vergehen.)

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2 Gedanken zu “Die Schönen und Reichen

  1. Hallo Karin Jundt

    Habe in der Zeitschrift „vita sana“ einen Artikel über Selbstliebe und Selbstwertgefühl gelesen und bin nun auf dieser Website gelandet. Finde Deine Artikel super gut und fühle mich sehr angesprochen. Sehe oft meine Fehler vergangener Tage, aber durchaus auch meine positive Entwicklung in den vergangenen 15 Jahren (bin 53).

    Habe den Artikel in der vita sana auch meiner Tochter zum Lesen gegeben, quasi als Vorbeugung.

    Vielen Dank und Gruss

    Silvia

  2. Danke, Silvia!

    Du sagst es: seine vergangenen „Fehler“ in einem objektiven Licht ansehen, aber vor allem auch mit Freude auf das zurückschauen, was man gelernt hat!

    Ich wünsche dir und deiner Tochter weiterhin viele positive Entwicklungsschritte,
    Karin

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