Alleswisserei

Mein Bruder, von Beruf Gitarrenlehrer, erzählte mir kürzlich bei einem gemeinsamen Mittagessen, wie sehr es ihn immer nervt, wenn Amateurgitarristen oder gar Menschen, die gar nicht Gitarre spielen, meinen, sie müssten ihm gegenüber mit ihrem Halbwissen über Gitarre und Flamenco (eines seiner Fachgebiete) auftrumpfen. Oft beschränken sie sich nicht einmal darauf, ihre vermeintlichen Kenntnisse zur Schau zu stellen, sondern berichtigen sogar seine fachlich absolut korrekten Aussagen, wollen ihn belehren und sind ihrerseits völlig unbelehrbar.

Ich versuchte ihn zu besänftigen, indem ich ihm erklärte, es handle sich dabei um Menschen mit wenig Selbstwertgefühl, die ihren Mangel durch eine gespielte Überlegenheit zu verbergen suchen und dabei auch sich selbst belügen, um sich wertvoller zu fühlen. Wir sollten diese Menschen nicht verurteilen, vielmehr ihren Selbstwert stärken, indem wir sie auf ihre wahren Werte aufmerksam machen – die jeder Mensch besitzt –, sodass sie es nicht mehr nötig haben, überall mitreden und sich auf Gebieten profilieren zu wollen, von denen sie nicht viel verstehen.

Als ob das Leben mich auf die Probe stellen wollte*, begegnete ich kurz darauf einer Frau, die ich als extrem besserwisserisch und rechthaberisch empfand. Und genau wie mein Bruder es jeweils erlebte, behauptete sie Dinge, von denen sie offenbar nicht viel bis gar keine Ahnung hat. Und ich rede von wissenschaftlichen und sachlichen Tatsachen, nicht von individuellen Ansichten, über die man geteilter Meinung sein kann.
Wir diskutierten eine Weile, sie ereiferte sich immer mehr, wurde beinahe wütend, dass ich mich erdreistete, ihre Aussagen zu bezweifeln und ihr zu widersprechen, und wollte mich um jeden Preis von ihren falschen Behauptungen überzeugen. Es gelang mir nicht, sie zu beruhigen, sie gab auch nicht auf, als ich ihr sagte: „Du hast deine Meinung, ich habe meine. Lassen wir es doch einfach dabei bewenden und reden wir über etwas anderes.“
So blieb mir schliesslich nichts anderes übrig, als mich höflich zu verabschieden und zu gehen. Dabei hätte ich ihr so gerne gesagt, welch wundervoller Mensch sie ist – was wirklich zutrifft, sie ist karitativ tätig, liebenswürdig, hilfsbereit, eine Seele von Mensch.
Doch sie gab mir keine Chance dazu. So konnte ich den Rat, den ich meinem Bruder gegeben hatte, selbst nicht in die Tat umsetzen. Es ist manchmal tatsächlich nicht so einfach…

* Zu den Prüfungen des Lebens findet ihr einen Artikel auf meiner Karma-Yoga-Website.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert