Was Angst mit uns macht

Ich sass im Zug am Fenster. An der Scheibe kletterte eine kleine Wespe hinauf, sie suchte einen Weg hinaus. Oben angekommen, flog sie der Scheibe entlang wieder hinunter, um erneut den ganzen Weg hinaufzukrabbeln. Ein hoffnungsloses Unterfangen, da sich die Fenster in jenem Zug nicht öffnen liessen. Und ich hatte nichts dabei, womit ich sie hätte einfangen und beim nächsten Halt durch die Tür in die Freiheit entlassen können.
Nach einer Weile flog sie ans Fenster des nächsten Abteils und begann erneut mit ihrer Sisyphusarbeit. Ich beobachtete sie weiterhin. Plötzlich schnellte eine Hand mit einer zusammengerollten Zeitung hoch und erschlug das kleine Insekt.

So viel Angst vor dieser harmlosen, nicht aggressiven Wespe, dachte ich. Es war völlig unnötig, sie zu töten. Die Person hätte, wenn schon, einfach den Platz wechseln können, der Zug war praktisch leer.

Angst ist ein schlechter Ratgeber, sagt man. Sie lässt uns unbedacht handeln, treibt uns einerseits zu unklugen Taten an, blockiert uns andererseits bei vielem, was wir gerne tun möchten.
Oft stammt Angst aus einem schwachen Selbstwertgefühl, vornehmlich in all den Situationen, in denen wir uns nicht trauen, wir selbst zu sein, um es anderen recht zu machen, von ihnen nicht verurteilt zu werden, ihre vermeintliche Wertschätzung und Liebe nicht zu verlieren.
Doch ein zufriedenes Leben in Angst ist nicht möglich! Tun wir nicht, was unsere Seele möchte, werden wir immer der inneren Zerrissenheit ausgesetzt sein, die uns langsam aber sicher auffrisst. Deshalb ist es so wichtig, unsere unbegründeten Ängste zu überwinden, an unserem Urvertrauen und Selbstwertgefühl zu arbeiten. Auf dieser Website findest du viele Anregungen, wenn du in der rechten Seitenleiste auf die entsprechenden Stichwörter klickst.

Wir sind Löwen, keine Schafe – wie uns die sinnreiche indische Geschichte lehrt, die ich hier einmal erzählt habe. Also leben wir als Löwen!
Oder als Adler – wie uns Josef Hien in seinem schönen Song „Der Adler, der ein Huhn war“ aufzeigt, den ich auf meiner Karma-Yoga-Website zitiere.

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Verantwortung in Zeiten des Coronavirus

Verantwortung – Eigenverantwortung und Verantwortung gegenüber anderen – ist ein Thema, das ich in meinen Büchern und anderen Veröffentlichungen schon oft aufgegriffen habe.
So habe ich etwa in „Ich liebe mich selbst und mache mich glücklich geschrieben:

Wir sind nie verantwortlich für mündige Menschen. Wir tragen Verantwortung für unsere Kinder, unsere Tiere, unsere Pflanzen, aber niemals für einen Erwachsenen, der in der Lage ist, seine eigenen Entscheidungen für sein Leben zu treffen.
Lassen wir uns also nie zu Sündenböcken machen, lassen wir uns keine Schuldgefühle einreden, wenn jemand zu uns sagt: „Du bist schuld, dass ich unglücklich bin“ oder „Du bist schuld, dass ich trinke, Drogen nehme, mich habe gehen lassen und mein Job weg ist.“
Nein, du bist niemals schuld, welchen Weg ein anderer auch immer einschlägt! Du hast das Recht über dein Leben zu entscheiden. Wie ein anderer damit umgeht, ist allein seine Sache und seine Verantwortung.

Wir sind also nicht verantwortlich, wie ein anderer sich fühlt, wenn wir eine Entscheidung für uns selbst treffen, etwa eine Beziehung zu beenden, ein klassisches Beispiel. Wir haben das Recht, unseren Lebensweg zu gehen; beugen wir uns den egoischen Wünschen anderer, verpassen wir unser eigenes Leben.

Die Grenze zwischen Eigenverantwortung und Rücksichtslosigkeit ist indes nicht immer leicht zu ziehen. Gerade in der gegenwärtigen Gesundheitskrise zeigt es sich recht deutlich. Man sieht beispielsweise immer wieder Menschen, die keine Gesichtsmaske tragen, wo sie vorgeschrieben ist, weil sie es für sich selbst ablehnen oder keine Angst vor Ansteckung haben. Oder Menschen, die den Abstand nicht einhalten.
Letzten Sonntag war ich wandern und als ich mit müden Beinen die Bahnstation für meine Rückreise erreichte, ein kleiner Bergbahnhof, gab es eine einzige Bank, knapp zwei Meter breit. Ein junger Mann sass am einen Ende, ich setzte mich ans andere.
Kurz darauf kam ein Wanderer, so um die 50, und setzte sich zwischen uns, so nahe zu mir, dass er mich beinahe berührte. Ich sagte zu ihm, halb scherzhaft, halb ernst: „Das sind aber keine eineinhalb Meter!“ (die in der Schweiz vorgeschriebene soziale Distanz). Er lachte nur spöttisch. Ich fragte ihn: „Stehen Sie auf oder muss ich gehen?“ Wiederum grinste er mich nur an und schüttelte den Kopf.
Also stand ich auf und entfernte mich. Auch der junge Mann auf der anderen Bankseite stand auf und ging weg.

Eine banale Situation. Und ich selbst habe keine übermässige Angst, mich anzustecken – besser gesagt, genügend Urvertrauen, die Dinge anzunehmen, wie sie mir gegeben werden. Das konnte der Mann aber nicht wissen.
Gerade in schwierigen Zeiten, ist unsere Verantwortung für andere gefragt, mehr denn je. Wir dürfen nicht denken „Mich trifft es nicht“ oder „Ich habe keine Angst vor Corona“ und uns anderen gegenüber entsprechend nachlässig verhalten. Wir tragen Verantwortung für unsere Mitmenschen, mehr denn je. Für die Gemeinschaft.

Es sind dies Zeiten, in denen wir die Chance haben, viel zu lernen. Uns manchmal etwas zurückzunehmen, gewisse Wünsche dem Gemeinwohl zu opfern. Uns selbst und andere zu respektieren.
Es sind Zeiten, in denen unser Urvertrauen erstarken kann. Lassen wir die Angst los, aber ohne rücksichtslos gegenüber denen zu werden, die Angst haben oder geschützt werden müssen.
Es sind Zeiten, in denen wir unsere Selbstliebe festigen können, indem wir nicht nur unsere Grenzen ziehen, sondern auch über unsere Grenzen hinauswachsen.
Es sind Zeiten der Achtsamkeit, der Fürsorge, des rücksichtsvollen Miteinanders. Aber auch des Mutes, für uns selbst und für andere einzustehen.


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Angst in Zeiten der Coronakrise

Es gibt seit Wochen kaum mehr andere Gesprächsthemen in den Medien. Ich selbst empfinde es als eine überaus interessante und spannende Zeit und verfolge intensiv die Pressekonferenzen der Regierungen in der Schweiz und in Deutschland und des RKI. Während die Pressekonferenzen als Livestream auf verschiedenen Websites übertragen werden, erscheinen ebenfalls die Live-Kommentare der Zuschauer. Beschimpfungen der Referenten, warum Gesichtsmasken nicht ausreichend verfügbar seien, und Beschimpfungen der Kommentarschreiber untereinander, Rufe nach strengerer Regulierung, dazu Fragen, Fragen, Fragen, oft banal oder schon hundert Mal beantwortet. In den meisten Kommentaren erkenne ich viel, viel Angst. Es stimmt mich traurig, wenn ich sehe, wie sehr die Menschen darunter leiden. Zumal ein Teil dieser Angst unnötig ist und dadurch beseitigt werden könnte, dass die einzelnen Menschen sich besser informieren. Der grössere Teil der Angst aber entspringt aus unserer Angst vor dem Unbekannten, Ungewissen – ob es nun ein weltweites Virus ist oder eine ganz persönliche Situation. All diesen Menschen rufe ich zu: Habt Vertrauen! Das Urvertrauen, dass euch nichts geschehen kann, was nicht am Ende gut für euch ist! Nutzt die derzeitige Lage, um innerlich zu wachsen, zu erstarken und die Urangst – vor dem Leiden – zu besiegen. Diese Angst hindert euch am Leben und daran, ihr selbst zu sein und euren eigenen Weg zu gehen, und dies nicht nur in Zeiten des Coronavirus.

Ebenso viel Angst erkenne ich allerdings bei den Entscheidungsträgern der Regierungen. Die Angst, etwas falsch zu machen, zu strenge oder zu lockere Massnahmen zu treffen. Wobei ich mit der Art und Weise, wie die Corona-Krise in der Schweiz und in Deutschland gehandhabt wird, recht zufrieden bin. Doch auch hier ist die Menschlichkeit teilweise verloren gegangen: Wenn Sterbenden die Möglichkeit verwehrt wird, im Tod ihre Lieben um sich zu haben, wenn Kinder von einem Elternteil und Liebende voneinander getrennt werden durch strikt geschlossene Grenzen, wenn die wirtschaftliche Existenz kleiner Gewerbetreibender zerstört wird. Da haben die Regierungen das gesunde Augenmass verloren. Und ich wünsche mir, dass sie bei ihren Entscheidungen künftig nicht nur den Verlust von Menschenleben aufgrund des Coronavirus in die Waagschale legen, sondern auch den Verlust der Menschlichkeit und Wärme.

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„Geteiltes Leid ist…

… halbes Leid“, sagt das Sprichwort. Zweifellos tragen wir leichter an unserem Schicksal, wenn jemand uns zur Seite steht, uns auf einem schweren Gang begleitet; es tut uns gut, mit jemanden reden zu können, Mitgefühl zu spüren, uns an einer starken Schulter anlehnen oder ausweinen zu können.

Ich aber behaupte: Geteiltes Leid ist doppeltes Leid. Laden wir Kummer, Schmerz, Sorgen bei einem Mitmenschen, der uns liebt oder mag, ab, so wird er mit uns mit-leiden. Nützt uns das etwas? Nein!
Bitte nicht missverstehen: Wenn wir Hilfe brauchen und jemand uns helfen kann, dann sollen wir darum bitten. Es ist wichtig für eine gesunde Selbstliebe, dass wir es wagen, uns auch schwach und bedürftig zu zeigen.

Aber wie oft, obwohl wir wissen, dass ein anderer uns nicht helfen kann, jammern wir bloss, klagen, stellen uns als Opfer dar, suchen Anteilnahme und Mitleid. Mit-Leid – im wahren Sinn des Wortes – verursachen wir dann. Das zeugt eher von Egoismus als von gesunder Selbstliebe.
Um unsere Selbstliebe und unser Urvertrauen zu stärken und um zu lernen, uns in uns selbst geborgen zu fühlen, sollten wir der Versuchung widerstehen, andere unnötig mit unseren Sorgen zu belasten. Schweigen ist oft tatsächlich Gold.

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Weise Sprüche

Im Internet, vor allem in den sozialen Medien, kursieren weise Sprüche zum Thema Selbstliebe zu Tausenden und werden millionenfach weiterverbreitet. Sinnvoll und nützlich sind sie meistens nicht, sie hören sich nur beim oberflächlichen Lesen gut an. Hier zwei Beispiele, die mir neulich begegnet sind:

„Glück bedeutet nicht, alles zu haben, was man will, sondern die Menschen zu haben, die man braucht.“

„Nichts und niemand ist es wert, dass du dich selbst kaputt machst. Sag öfter mal Nein und nimm dir Zeit. Ganz für dich allein.“

Die vielen „likes“ und positiven Kommentare in den sozialen Medien zu solchen Sprüchen liessen vermuten, dass die Zustimmung sehr gross ist; allerdings glaube ich, dass nur diejenigen reagieren, die zustimmen, die anderen melden sich nicht. Und ich gebe zu, ich schreibe auch nur äusserst selten dagegen – sonst wäre ich bald den ganzen Tag mit nichts anderem beschäftigt.
Für den ersten der oben erwähnten Sprüche will ich es an dieser Stelle tun, um aufzuzeigen, wie oberflächlich solche „Lebensweisheiten“ oft daherkommen, ja geradezu falsch und deshalb sogar schädlich sind. „Die Menschen haben, die man braucht“ – braucht? Ist es denn gut, jemanden zu brauchen? Bedeutet dies nicht Abhängigkeit von diesem Menschen? Doch! Und Abhängigkeit von anderen steht immer Widerspruch zur Selbstliebe.

Betrachtet man es genauer, sind solche „Weisheiten“ ohnehin nutzlos.
Es gibt nämlich drei wesentliche Arten, wie wir sie bewerten und aufnehmen:

1. Unsere Selbstliebe ist bereits stark, wir stimmen dem Spruch zu, ohne weiter darüber nachzudenken; in diesem Fall nützt er uns also nichts, da wir bereits danach leben. Er schadet uns auch nicht, er ist einfach überflüssig.

2. Oder unsere Selbstliebe ist zwar nicht stark genug, aber wir wissen eigentlich, dass wir genau das, was der Spruch vorschlägt, an uns ändern müssten, und stimmen ebenfalls zu (ohne die Aussage einer eingehenderen Prüfung zu unterziehen). Doch wie wir es konkret machen sollen, wird uns nicht gesagt, es bleibt in diesem Sinne beim „Sprüche klopfen“ und nützt uns nichts für die Stärkung unserer Selbstliebe. Haben wir solche Sprüche denn nicht schon zur Genüge gesagt bekommen? „Du musst halt Nein sagen, wenn du etwas nicht willst.“ „Lass dich nicht immer benutzen!“ „Steh zu dir selbst!“
Ich gebe zu, dass ich auf meinen Websites und in meinen Büchern zuweilen auch „weise“ Sprüche, eigene und zitierte, verwende. Doch ich lasse sie nicht unkommentiert stehen, ich bemühe mich jeweils zu erläutern, wie wir sie in unserem Alltag konkret umsetzen können, um unsere mangelnde oder schwache Selbstliebe und Urvertrauen aufzubauen und zu stärken. Ich bemühe mich – ich will nicht behaupten, dass es mir immer gelingt.

3. Unsere Selbstliebe ist schwach und der Spruch beweist uns einmal mehr, wie unvollkommen wir sind, dass wir auch hier versagen, während andere (die Sprücheschreiber) all das perfekt können. Denn die Menschen, die wir zu brauchen meinen, haben wir nicht, sie lieben uns vermeintlich nicht. Und wir machen uns selbst kaputt, mit Selbstvorwürfen, Schuldgefühlen, Versagensempfinden. Und Nein sagen können wir auch nicht! Zudem: „Nimm dir Zeit für dich allein“ – aber ich bin ja schon allein, ich fühle mich einsam, ich will doch nichts lieber, als Menschen um mich zu haben, die mich wertschätzen, doch ich habe keine.
Diese Sprüche, unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt, wirken also kontraproduktiv, sie schwächen unser Selbstwertgefühl noch mehr und machen uns noch unglücklicher; sie treiben die Spirale versagen – Selbstvorwürfe – schwaches Selbstwertgefühl – erst recht versagen – noch mehr Selbstvorwürfe – noch schwächeres Selbstwertgefühl an.

Darum: Betrachtet die „Weisheiten“, die ihr hier und dort lest, kritisch, denkt darüber nach, ob sie sich nicht nur schön anhören, sondern auch wahr sind, und nützlich. Und seid euch vor allem bewusst: Sprüche machen ist einfach, aber auch diejenigen, die ach so weise scheinen, leben oft nicht nach ihrer eigenen Weisheit (ich bin da manchmal auch keine Ausnahme!). Wir sind alles nur schwache Menschen auf dem Weg zur Vollkommenheit.

Ich will allerdings noch hinzufügen: Es gibt auch viele schöne, tiefsinnige, förderliche Sprüche und Zitate 🙂Artikel teilen auf:

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Selbstvertrauen durch Niederlagen

Erfolge, sowohl berufliche als auch private, stärken das Selbstvertrauen und damit das Selbstwertgefühl, hört man sagen. Immer wieder weise ich in meinen Büchern und Schriften darauf hin, dass diese Art „Stärkung“ nur vorübergehend ist, denn das so gestärkte Selbstwertgefühl währt nur so lange die Erfolge anhalten. Kurz zur Erinnerung: Das wahre, unerschüttliche Selbstwertgefühl (und damit Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Selbstachtung usw.) beruht einzig auf der Tatsache des „Ich bin“ – ich bin ein wertvolles menschliches Wesen, unabhängig von meinen Eigenschaften und Leistungen. Ich bin wertvoll einzig dadurch, dass ich bin.

Nun habe ich neulich, gewissermassen im Vorbeigehen, eine interessante These gehört: „Selbstvertrauen durch Erfolge ist vorübergehend. Selbstvertrauen durch Misserfolge hingegen ist dauerhaft und stark.“ Sich darüber ein paar Gedanken zu machen, lohnt sich, wie ich meine.

Tatsächlich kann ich dem zustimmen. Niederlagen erfahren wir alle, und wir alle werden damit irgendwie fertig, sei es durch Kämpfen oder durch gleichmütiges Erdulden, sei es, indem wir uns Hilfe holen oder uns diese „zufällt“ und wir sie annehmen. Jedenfalls ist es immer eine persönliche Leistung, über einen Misserfolg hinwegzukommen. Selbst wenn wir es bewusst nicht so wahrnehmen – oder uns aus einem Mangel an Selbstwertgefühl nicht als persönliche Leistung zugestehen –, so prägt sich dieser „Sieg“ dennoch in unser Unbewusstes ein und es bleibt die Erkenntnis hängen, dass wir es geschafft haben.
Dies stärkt auch in Zukunft unsere Zuversicht, dass wir es bei neuen Herausforderungen ebenfalls schaffen und sogar Misserfolge besser bewältigen werden. Ein Gewinn an Selbst- und Urvertrauen.Artikel teilen auf:

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Der Fluss in der Wüste

Zu Ostern erzähle ich euch eine Geschichte aus dem Sufismus, die auch etwas mit Auferstehung zu tun hat.

Ein Fluss entsprang einer Quelle im Gebirge und strömte hinab ins Tal, durch Wälder und Wiesen, bis er schließlich die Wüste erreichte. Er hatte alle bisherigen Hindernisse überwunden und sich seinen Weg sogar durch harten Fels erkämpft. Doch so sehr er sich auch bemühte, die Wüste zu durchqueren, sein Wasser versickerte im Sand. Er spürte aber, dass seine Bestimmung jenseits der Wüste lag, nur wusste er nicht, wie er sein Ziel erreichen könnte.
Der Sand sagte zu ihm: „Der Wind überquert die Wüste ­– vertrau dich ihm an, er wird dich hinübertragen.“
Der mächtige Strom, der seinen Weg bisher immer selbst gefunden hatte, war nicht angetan von der Idee, sich dem Wind zu ergeben. Und ein bisschen Angst hatte er auch, denn er konnte es sich nicht vorstellen.
Der Sand schien seine Gedanken zu erraten und erklärte ihm: „Der Wind nimmt dein Wasser auf, weht es über die Wüste und lässt es als Regen fallen, sodass es wieder zu einem Fluss werden kann.“
Der Strom zögerte, er wollte sich nicht verändern und seine Eigenart nicht aufgeben. „Du kannst in keinem Fall bleiben, was du bist“, ermahnte ihn der Sand. „Du musst dich wandeln. Gibst du dich nicht dem Wind hin, stirbst du in der Wüste. Doch glaube mir: Das Wesentliche an dir wird bestehen bleiben, das, was du in Wahrheit bist.“
So ließ der Fluss seinen Dunst aufsteigen, der Wind trug ihn immer höher und wehte ihn über die Wüste hinweg bis zu einem Gebirge. Dort regnete er sanft herab. Der Strom erkannte, dass er sich zwar verändert hatte, aber freudig weiterfließen konnte.

(Aus meinem Buch: Der Sinn des Lebens und die Lebensschule)

Eine weitere Auferstehungsgeschichte findet ihr auf meiner Website Karma Yoga.Artikel teilen auf:

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Wie Gefühle unsere Wahrnehmung beeinflussen

In den vergangenen Wochen habe ich mehrere Vorlesungen zum Thema Wahrnehmung und Wirklichkeit besucht. Über eine davon, mit dem Titel „Gefühl und Wahrnehmung“ von Guido Gendolla, Professor für Psychologie an der Universität Genf, will ich berichten. Er sagte gleich zu Beginn: „Unsere Wahrnehmung ist nicht wie ein Fotoapparat, der alles exakt abbildet – bestenfalls wie einer mit Filtern und Effekten.“

Wie diese beiden optischen Täuschungen beweisen:

Optische Täuschung

Linker Bildteil: Wir halten die obere waagrechte Linie für länger als die untere – beide sind jedoch absolut identisch.
Rechter Bildteil: Wir empfinden den linken roten Kreis als kleiner – auch das ist nur eine Illusion, beide sind gleich.

Getäuscht werden wir, weil die Umgebung sich auf unsere Wahrnehmung auswirkt. Und zwar nicht nur bei solchen Bildspielereien, sondern auch im „richtigen“ Leben.
Professor Gendolla erzählte von einem Experiment, bei dem Menschen gebeten wurden, ihre globale Lebenszufriedenheit zu bewerten, die einen Testpersonen an einem Tag mit gutem Wetter, die anderen an einem mit schlechtem. Die Beurteilung fiel entsprechend dem Wetter besser oder schlechter aus, denn dieser äussere Faktor beeinflusste die Stimmung der Versuchsteilnehmer und wirkte unbewusst mit.
Wurden die Testpersonen jedoch vorher auf die Wettersituation aufmerksam gemacht, so wirkte sie sich nicht auf die Bewertung aus. Sie erkannten dann nämlich, dass das Wetter ihre Stimmung beeinflusste, und konnten ihre Lebenszufriedenheit objektiver beurteilen, ohne diesen Faktor mit einzubeziehen.

Was können wir daraus lernen in Bezug auf unser Selbstwertgefühl und unsere Selbstliebe? Dass unsere Wahrnehmung dieser Eigenschaften nicht objektiv ist, sondern je nach der Umgebung und der Stimmung, in denen wir uns gerade befinden, variiert. Aber auch, und das ist der springende Punkt, dass wir uns dieser äusseren Beeinflussung entziehen können, falls wir uns ihrer bewusst sind.
Wenn wir uns also einmal wertlos fühlen oder spüren, dass uns das Selbstbewusstsein, die Selbstsicherheit, das Selbstvertrauen fehlen:
• Schauen wir uns um, nehmen wir die Umgebung und unsere Stimmung wahr. Suchen wir nach einem Grund, warum unser Selbstwertgefühl gerade geschwächt sein könnte, und machen wir uns dann bewusst, dass diese äussere Ursache nichts mit unserem wahren Selbstwertgefühl zu tun hat.
• Wirken wir auf die äusseren Umstände so ein, dass sie unsere Stimmung und somit unser Selbstwertgefühl verbessern – schauen wir schöne Bilder an, hören wir liebliche Musik, tun wir uns etwas Gutes. Professor Gendolla gibt dazu noch einen ganz einfachen Tipp: mit der rechten Hand einen kleinen Gummiball kneten; dadurch wird der linke Bereich an der Stirnseite des Gehirns stimuliert, der präfrontale Cortex, der für das emotionale Erleben relevant ist, was zu positiven Gefühlen führt (bei Linkshändern umgekehrt).

Nun zu einem anderen Teil der Vorlesung, den ich ebenfalls besonders interessant finde: Stark beeinflusst wird unsere Wahrnehmung auch durch Angst und Bedrohung. Der Referent erläuterte dies ausführlich und belegte es mit Studien, was ich hier nicht im Detail wiedergeben will. Seine Kernaussagen dazu: Die Wahrnehmung von Bedrohungen, beispielsweise von gefährlichen Tieren, wie Spinnen und Schlangen, aber auch von Menschen, die uns nicht wohlgesinnt sind, ist wichtig für das Überleben. Deshalb hat die Evolution uns in dieser Hinsicht geprägt. Dinge, die wir fürchten, nehmen wir schneller und intensiver wahr. Beispielsweise fällt uns in einer Menschenmenge derjenige mit einem grimmigen, bösen Gesicht sofort auf, denn er stellt eine potentielle Bedrohung dar. Solche Gefahrenreize wirken auch auf der unbewussten Ebene auf uns, das heisst, wenn wir unsere Aufmerksamkeit gar nicht darauf richten oder die Gefahr nicht einmal bewusst sehen.

Angst spielt im Zusammenhang mit der Selbstliebe insofern eine Rolle, als wir einen Mangel an Selbstliebe durch Liebe von aussen zu kompensieren versuchen. Keine Liebe zu bekommen oder sie wieder zu verlieren, ist deshalb eine unserer grossen Ängste. Also bemühen wir uns stets darum, geliebt zu werden – durchaus sinnvoll aus dem Blickwinkel der Evolution, denn wenn uns jemand liebt, oder zumindest mag, dann ist er keine Bedrohung.
Aber in unserer Kultur ist jemand, der uns nicht wertschätzt, uns gar feindlich gesinnt ist, nicht gefährlich, er bringt uns nicht gleich um. Hingegen schadet es uns, wenn wir uns aus Angst, nicht geliebt zu werden, verbiegen: Wir tun Dinge, die wir nicht tun möchten, und wir tun Dinge nicht, die wir tun möchten, dabei werden wir uns selbst untreu, weshalb wir unsere Selbstachtung verlieren und unser Selbstwertgefühl schwindet, sodass wir uns noch stärker um Anerkennung bemühen und wiederum Dinge tun… ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.
Ich habe es schon so oft gesagt und geschrieben: Unser Wert beruht niemals auf der Wertschätzung anderer – wir sind wertvoll an sich, einfach weil wir menschliche Wesen sind, egal wie wir sind und was wir tun. Und als diese wertvollen Wesen haben wir das Recht, uns selbst zu lieben.

Ein weiterer Aspekt. Die Evolution hat uns nicht nur dahin gebracht, Bedrohliches wachsamer wahrzunehmen als Angenehmes, sondern auch dazu, es besser im Gedächtnis zu speichern. Denn uns nicht zu erinnern, wo genau im Wald ein gefährliches Raubtier lauert oder wo die Siedlung des Feindes liegt, kann lebensgefährlich sein, während wir in der Regel nicht daran sterben, falls wir einmal eine gute Gelegenheit verpassen.
Kritik, Erniedrigung, Tadel können unser Selbstwertgefühl schwächen, das wissen wir alle. Natürlich steigt es dann wieder mit jedem Zuspruch, den wir bekommen, aber leider nicht im gleichen Verhältnis: Kritik und Tadel schwächen unser Selbstwertgefühl stärker und nachhaltiger, als Anerkennung und Lob es aufbauen. Wie gesagt, weil wir einerseits die Aufmerksamkeit eher auf das Negative fokussieren und ihm mehr Bedeutung zumessen, andrerseits weil es stärker und länger im Gedächtnis haften bleibt.
Diese Tatsache sollte uns ebenfalls in der Einsicht bestärken, dass die Wahrnehmung unseres Selbstwerts nicht objektiv ist, und uns dabei helfen, uns generell nicht von Fremdurteilen beeinflussen zu lassen.

Abschliessend zitiere ich Professor Gendollas Zusammenfassung der Vorlesung wörtlich (mit seiner freundlichen Genehmigung), treffender kann man es in wenigen Sätzen nicht formulieren:

• Wahrnehmung ist ein aktiver, konstruktiver Prozess, der durch Gefühle vielfältig beeinflusst wird.
• Gefühle haben einen systematischen Einfluss auf die Aufmerksamkeitsorientierung.
• Insbesondere Furcht beeinflusst die automatische Aufmerksamkeit auf potentiell bedrohliche Reize – auch bei unbewusster Wahrnehmung.
• Gefühle haben einen systematischen Einfluss auf die Urteilsbildung.
• Auch sogenannte „unbewusste Gefühle“ beeinflussen die Urteilsbildung.

Ich denke, es ist ein wichtiger Schritt, wenn wir uns all dessen schon nur einmal bewusst sind. Mit etwas Achtsamkeit gelingt es uns dann, unsere momentanen Gefühle wahrzunehmen und zu relativieren und so zu verhindern, dass sie unsere Entscheidungen und unser Verhalten allzu sehr beeinflussen.Artikel teilen auf:

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Mein neues „Sonnwandeln“

Vor gut zehn Jahren begann ich, Sonnwandeln zu schreiben, eine Schriftenreihe für spirituelle Entwicklung im Alltag. Es entstanden schliesslich dreissig thematische Ausgaben, insgesamt über 600 Seiten. Den Namen Sonnwandeln wählte ich in der dop­pelten Be­deutung von „auf dem sonnigen Lebensweg wandeln“ und „sich zu einem sonnigen Gemüt wandeln“. Diese Schriftenreihe, die es nur in elektronischer Form gab, habe ich jetzt in gedruckte Bücher umgeformt und bei dieser Gelegenheit gründlich überarbeitet. Der erste Band mit dem Titel „Der Sinn des Lebens und die Lebensschule“ ist soeben erschienen, die übrigen vier erscheinen nach und nach.
Jedes Kapitel entspricht einer Ausgabe der früheren Schriftenreihe und weist die gleiche Struktur auf: „Einführende Gedanken“ stellt eine Einleitung ins Thema dar und wirft auch Fragen auf, die ich dann in den weiteren Rubriken „Vertiefende Aspekte“ und „Fragen & Antworten“ konkret und alltagsbezogen be­handle, wie es meine Art ist.
Zu jedem Thema gibt es eine Aufgabe für die innere Entwicklung, ergänzt durch Vorschläge für Affirmationen, eine Ima­gination oder Meditation und unterstützende Heilsteine und Bach-Blüten.

Das Konzept von Sonnwandeln ist einzigartig in seiner Ganzheitlichkeit und seinem Alltagsbezug.
Dabei geht Sonnwandeln einen Schritt weiter als die meisten Ratgeber-Bücher und die spirituelle Literatur, indem es die behandelten Themen nicht nur in einen konkreten Alltagsbezug stellt, vielmehr auch Entwicklungsziele Schritt für Schritt klar definiert und die entsprechenden Aufgaben dazu stellt.

Gebet und Meditation sind eine Seite der Spiritualität, eine wichtige – doch darüber gibt es schon viel Literatur und manche Website.
Deshalb konzentriert sich Sonnwandeln darauf zu zeigen, wie wir die spirituelle Ebene in unseren Alltag einbringen können, im Beruf, in Partnerschaft und Familie, bei Freizeitaktivitäten, mit Freunden und all unseren Mitmenschen, in unseren täglichen Entscheidungen und Taten, durch Krisen und Herausforderungen: Wir lernen Ängste und Wünsche abzubauen, Selbstwert, Urvertrauen und Gleichmut zu stärken – dadurch wachsen wir innerlich und kommen dem Göttlichen näher.

Sonnwandeln steht keiner Religion, Lehre, Kirche, Sekte oder Organisation nahe, ist völlig unabhängig und keiner bestimmten Ideologie verpflichtet. Ich schöpfe aus weltweiter spiritueller, philosophischer und psychologischer Weisheit. Eine Gottfigur der Gebote und Verbote, mit Belohnung und Strafe, findet darin keinen Platz, wohl aber das Göttliche als Absolutes, Einheit, Allheit.

Buchtitel_Der_Sinn_des_LebensDer Sinn des Lebens und die Lebensschule
von Karin Jundt
nada-Verlag
ISBN 978-3-907091-05-0
Paperback, 220 Seiten
EUR 19.00 / ca. CHF 25.00

Erhältlich:
• im Buchhandel und in den Online-Shops

Die Kapitel:
1. Der Sinn des Lebens und unsere Lebensaufgabe
2. Lebensphasen und Lebenskrisen
3. Zufall und Schicksal
4. Freier Wille oder Vorbestimmung?
5. Wille und Wollen
6. Unsere Innere Stimme

Sonnwandeln zeigt Wege auf
• wie wir mit weniger Angst und Sorgen gleichmütiger und zufriedener durch das Leben wandern,
• und im alltäglichen Handeln spirituell wachsen können,
• mit beiden Füssen fest in dieser Welt verankert, ohne asketische Praktiken und Entsagung.

Leseprobe herunterladen

Noch eine Bitte: Falls euch das Buch gefällt und euch auf eurem spirituellen Weg unterstützt, wäre es für mich sehr hilfreich, wenn ihr eine Bewertung/Rezension in einem oder mehreren Online-Shops abgebt. Vielen Dank!Artikel teilen auf:

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Alles hat einen Sinn

Vor einigen Wochen erzählte mir Marisa*, sie stecke in ihrem Leben gerade fest und wisse nicht weiter. „Ich arbeite in Zürich, mein Freund wohnt in Trieste und ich habe eine Wohnung in Firenze gekauft, meiner Heimatstadt, wohin ich wieder ziehen möchte. Mein Freund will dann mitkommen, sobald er seine Wohnung verkaufen kann. Im Moment pendle ich wöchentlich in diesem Städtedreieck von über 1000 Kilometern, ein unhaltbarer Zustand. Aber… in Zürich habe ich einen guten Job, in Firenze werde ich kaum einen finden, in meinem Alter sowieso nicht mehr. Und die Wohnung in Firenze ist seit Monaten nicht bezugsbereit, der Umbau verzögert sich, immer werde ich mit Ausreden vertröstet; ich reise ständig dahin, um denen Beine zu machen, aber es nützt alles nichts. Ich weiss nicht mehr, was ich machen soll. Vielleicht sind meine Pläne doch falsch… ich bin ziemlich verunsichert.“

Vor ein paar Tagen traf ich Marisa wieder. Sie strahlte. „Stell dir vor“, erzählte sie mir, „ich war letzte Woche in Firenze. Vom Wohnungskauf bin ich zurückgetreten und habe ein unglaublich schönes Haus gekauft! Es ging alles ganz schnell, sogar den Notartermin haben wir in dieser kurzen Zeit hinbekommen. Und es geht noch weiter: Mein Freund hat einen Käufer für seine Wohnung gefunden. Und das Allerbeste: Ich hatte in Firenze ein Bewerbungsgespräch für einen total spannenden Job!“
Ich kam nicht dazu, mein Staunen auszudrücken, da fuhr sie schon fort: „Natürlich ging nichts von alleine, ich habe mich schon bemüht. Aber es schien irgendwie schon alles aufgegleist, und als der erste Dominostein fiel, folgte die ganze Reihe! Wahnsinn, was? Ich hätte es wissen sollen, dass die baulichen Verzögerungen einen Sinn hatten!“

Ja, alles hat immer einen Sinn. Wie oft werden uns doch Hindernisse in den Weg gelegt, nur damit wir vom „falschen“ Weg endlich absehen und einen besseren einschlagen. Ich weiss, solange wir in den Schwierigkeiten drin stecken, ist es schwer, das zu erkennen und gelassen abzuwarten. Aber Urvertrauen bewährt sich immer. Wie eine chronisch schwerkranke Freundin von mir immer sagt: Es chunnt eso wie’s chunnt, und so wie’s chunnt, chunnt’s ebe guet (Es kommt so wie es kommt, und so wie es kommt, kommt’s eben gut).

* Name aus Diskretionsgründen geändertArtikel teilen auf:

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