Selbstvertrauen bei Kindern aufbauen

Inspiriert von einer Vorlesungsreihe zur Entwicklungspsychologie, die ich vor Kurzem besucht habe, will ich mit meinem heutigen Beitrag vor allem Eltern, oder künftige Eltern, ansprechen.
Bei anderen Erwachsenen wird es vielleicht ein Aha-Erlebnis auslösen, warum ihnen von Kind an das Selbstvertrauen fehlt. In der Tat ist es ein langwieriges, mühseliges – aber keineswegs hoffnungsloses – Unterfangen, unser Selbstwertgefühl, unser Selbstbewusstsein, unser Selbstvertrauen aufzubauen, wenn unsere Eltern es uns nicht schon von der Wiege an mit auf den Weg gegeben haben. Dies soll absolut nicht als Vorwurf an Eltern verstanden werden – sie wussten es einfach nicht besser, denn leider besteht keine „Schulpflicht“ für angehende Mütter und Väter, sich in den elementarsten Kenntnissen kindlicher Entwicklungspsychologie zu bilden. Und was als sogenanntes Allgemeinwissen in Umlauf ist, wirkt sich teilweise sogar gegenteilig aus.

Etwa das Loben und Ermutigen. Man soll seinem Kind Anerkennung für seine Leistungen aussprechen und es darin bestärken. Doch Lob ist nicht gleich Lob. Sagen wir dem Kind beispielsweise immer wieder, es sei intelligent oder habe ein bestimmtes Talent, so wird das Kind dies als unverrückbare Tatsache verinnerlichen. Die Angst zu versagen und die Eltern zu enttäuschen, ist damit vorprogrammiert. Bringt es dann einmal schlechte Noten nach Hause oder versagt es bei gewissen Aufgaben, fühlt es sich schlecht und verliert sein Selbstvertrauen recht schnell. Und wird irgendwann zu einem perfektionistischen Erwachsenen, der sich selbst nie einen Fehler verzeiht.
Besser ist es, das Kind konkret für eine gelöste Aufgabe und eine gute Note zu loben und nicht gewisse Eigenschaften und Fähigkeiten generell.

Das gleiche Problem tritt auf, wenn wir das Kind ermutigen, indem wir ihm beispielsweise sagen: „Du schaffst das, das ist nicht so schwierig.“ Oder es ermuntern, Herausforderungen anzupacken, denen es nicht gewachsen ist. Das Kind hat Angst davor, auch hier vor allem Angst, die Eltern zu enttäuschen; das wirkt sich bekanntlich bereits hinderlich aus. Gelingt das Unterfangen dann nicht, so wird wieder ein Stückchen des kindlichen Selbstwertgefühls zerstört. Und die Motivation geht verloren.
Besser ist es, das Kind zwar zu ermutigen, es zu versuchen, ihm aber gleichzeitig zu erklären, dass nicht immer alles klappt, wie man es sich wünscht, und dass es nichts macht, wenn etwas nicht geht. Wichtig ist nur, es irgendwann wieder zu versuchen.

Noch ein Wort zur Kritik. Wir dürfen unseren Kindern sagen, dass sie etwas nicht gut gemacht haben, das dient ihrem Lernprozess und ihrer Entwicklung. Aber niemals als Vorwurf! Niemals dürfen wir unsere Enttäuschung darüber zeigen! Niemals, absolut niemals, irgendeinen Fehler oder irgendeine Leistung mit unserer Wertschätzung und Liebe für das Kind verknüpfen! Bei Kindern (natürlich auch bei Erwachsenen) muss Kritik immer konstruktiv sein, erklären, dass wir aus Fehlern lernen, Vorschläge zur Verbesserung mit einbeziehen, Unterstützung anbieten.
Und nach jeder Kritik soll noch etwas Positives, Anerkennendes folgen.

Denken wir immer daran: Die beste Erziehung ist das gute Vorbild. Deshalb ist es so wichtig, dass wir auch als Erwachsene an unserem Selbstwertgefühl arbeiten und es aufbauen und stärken, sollte es zu schwach sein. Wie sollen wir es sonst unseren Kindern vermitteln?
Und noch ein Gedanke: Das Selbstwertgefühl können wir auch bei unseren erwachsenen Kindern noch aufbauen helfen und stärken.

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Ich kann nicht…

Selbstliebe erfordert Mut. Wie oft habe ich früher, als ich selbst noch am Aufbauen meiner Selbstliebe war, gesagt: „Ich kann nicht!“, wenn jemand mir in einer bestimmten Situation sagte, ich müsse lernen, Nein zu sagen, oder mich bei einer Ungerechtigkeit wehren.
Der wohl wichtigste Satz, den eine Therapeutin mir damals entgegnete, war: „Ich kann nicht, gibt es nicht, es gibt nur: Ich will nicht.“ Recht hatte sie! Weder hatte ich nämlich die Sprache verloren noch die Einsicht, was ich wirklich wollte. Das einzige, was mich jeweils daran hinderte, war meine Angst.

Inzwischen habe ich den Satz „Ich kann nicht!“ unzählige Male gehört, wenn ich jemanden ermunterte, Nein zu sagen und sich zu wehren. Und ebenso oft habe ich dann erwidert: „Du kannst nicht? Doch, du kannst! Du musst es nur wollen!“
Um die Selbstliebe, das Selbstwertgefühl und dabei vor allem das Selbstvertrauen zu stärken und die Selbstachtung nicht zu verlieren, müssen wir zuweilen über unseren eigenen Schatten springen. Anders geht es nicht. Darauf zu warten, dass es irgendwann einmal leichter wird, ist eine Illusion.

Habt ihr schon einmal eine Fliege beobachtet, die an einem Fenster hinauf und hinunter, von rechts nach links und zurück herumsurrt? Sie denkt wohl: Ich kann nicht… Dabei merkt sie nicht, dass das Fenster gleich daneben sperrangelweit offen steht und sie sich nur über den Fensterrahmen wagen müsste, um frei zu sein.

Solange wir in einer Situation denken „Ich kann nicht!“, schaffen wir es tatsächlich nicht, wir blockieren uns selbst. Seien wir dann ehrlich zu uns selbst und sagen wir: „Ich will nicht.“ Sofort wird sich in uns etwas regen, das schreit: „Doch, ich will! Ich will Nein sagen! Ich will mich wehren!“ Das ist der Moment, in dem wir es auch schaffen, über unseren Schatten zu springen, und tatsächlich Nein sagen, uns tatsächlich wehren.Artikel teilen auf:

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Selbstvertrauen durch Niederlagen

Erfolge, sowohl berufliche als auch private, stärken das Selbstvertrauen und damit das Selbstwertgefühl, hört man sagen. Immer wieder weise ich in meinen Büchern und Schriften darauf hin, dass diese Art „Stärkung“ nur vorübergehend ist, denn das so gestärkte Selbstwertgefühl währt nur so lange die Erfolge anhalten. Kurz zur Erinnerung: Das wahre, unerschüttliche Selbstwertgefühl (und damit Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Selbstachtung usw.) beruht einzig auf der Tatsache des „Ich bin“ – ich bin ein wertvolles menschliches Wesen, unabhängig von meinen Eigenschaften und Leistungen. Ich bin wertvoll einzig dadurch, dass ich bin.

Nun habe ich neulich, gewissermassen im Vorbeigehen, eine interessante These gehört: „Selbstvertrauen durch Erfolge ist vorübergehend. Selbstvertrauen durch Misserfolge hingegen ist dauerhaft und stark.“ Sich darüber ein paar Gedanken zu machen, lohnt sich, wie ich meine.

Tatsächlich kann ich dem zustimmen. Niederlagen erfahren wir alle, und wir alle werden damit irgendwie fertig, sei es durch Kämpfen oder durch gleichmütiges Erdulden, sei es, indem wir uns Hilfe holen oder uns diese „zufällt“ und wir sie annehmen. Jedenfalls ist es immer eine persönliche Leistung, über einen Misserfolg hinwegzukommen. Selbst wenn wir es bewusst nicht so wahrnehmen – oder uns aus einem Mangel an Selbstwertgefühl nicht als persönliche Leistung zugestehen –, so prägt sich dieser „Sieg“ dennoch in unser Unbewusstes ein und es bleibt die Erkenntnis hängen, dass wir es geschafft haben.
Dies stärkt auch in Zukunft unsere Zuversicht, dass wir es bei neuen Herausforderungen ebenfalls schaffen und sogar Misserfolge besser bewältigen werden. Ein Gewinn an Selbst- und Urvertrauen.Artikel teilen auf:

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Oder?

„Heute ist Mittwoch, oder?“
„Die Theateraufführung gestern Abend hat kaum den Erwartungen entsprochen, nicht wahr?“
„Die erste Mondlandung war 1969, oder nicht?“
Warum suchen wir die Bestätigung, dass was wir sagen, richtig ist, obwohl wir uns dessen sicher sind oder es unsere persönliche Meinung wiedergibt?

Auch berufen wir uns gerne auf andere oder zitieren sie:
„…………, sagt meine Freundin.“
„Ich habe gelesen, dass ……….“
„Ein bekannter Philosoph ist davon überzeugt, dass ……..“
Warum müssen wir unsere Ansicht untermauern, indem wir belegen, dass andere sie teilen?

Meine italienischen Texte lasse ich manchmal von einer Bekannten überprüfen. Sie – eine italienische Lehrerin! – traut sich jeweils kaum, meine Fehler zu korrigieren: Jede Korrektur, die sie mir angibt, leitet sie ein mit „Ich glaube, dass“ oder beendet den Satz mit „aber ich bin nicht ganz sicher“. Dabei beherrscht sie die Sprache perfekt und ist sich sicher!

Alle diese Verhaltensweisen verraten einen Mangel an Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein. Warum wagen wir es nicht, zu dem zu stehen, was wir wissen und können, und zu unserer Meinung? Warum stellen wir unser Licht so oft unter den Scheffel?

Lassen wir doch einfach alle „oder“, „nicht wahr“, „oder nicht“ weg und hören wir auf, andere zur Bestätigung unserer Aussagen zu zitieren!
Ich sage das und das. Ist jemand der Meinung, es sei falsch, oder teilt meine Ansicht nicht, kann er sich ja dazu äussern. Auch brauchen wir uns dann nicht kritisiert oder zurechtgewiesen zu fühlen, haben wir tatsächlich einmal etwas Unrichtiges gesagt. Niemand ist perfekt, wir alle machen Fehler! Aber gewissermassen vorzubeugen, indem wir unsere eigenen Aussagen in Frage stellen oder relativieren, ist unserem Selbstwertgefühl nicht förderlich. Haben wir den Mut zu uns selbst zu stehen!Artikel teilen auf:

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Mein neues Buch über Selbstliebe ist erschienen!

Nachdem ich vor über 20 Jahren zur Erkenntnis gekommen war, dass mir die Selbstliebe und das Selbstwertgefühl fast vollständig fehlten und dies die Ursache für viele meiner Probleme mit den Mitmenschen und für meine perio­disch auftretende, nicht näher definierbare Unzufriedenheit war, begann ich am Aufbau meiner Selbstliebe zu arbeiten.
Selbst einmal darin gefestigt, entwickelte ich auf der Basis meiner eigenen Er­fah­rungen eine Methode zum Aufbau und zur Stärkung der Selbst­liebe, die ich viele Jahre lang in Seminaren und Kursen lehrte. Diese Methode gebe ich nun auch mit diesem Buch weiter.

Buchtitel_Ich_liebe_mich_selbstIch liebe mich selbst und mache mich glücklich
von Karin Jundt
nada-Verlag
ISBN 978-3-907091-04-3
Paperback, 136 Seiten
EUR 17.00 / ca. CHF 23.00

Erhältlich:
• im Buchhandel und in den Online-Shops

Bei diesem Buch handelt es sich um einen übersichtlichen und struk­turierten Leitfaden; er ist wie ein Kurs mit Aufgaben und Übungen aufgebaut, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen. Und entsprechend leicht und locker ist auch die Sprache gehalten.
Darin sind auch mehrere Seiten enthalten, die der Leser wie Kursunterlagen selbst ausfüllen kann und auf die er im Lauf der Lektüre wieder zurückgreifen sollte; deshalb ist dieses Buch auch nicht als E-Book erhältlich, sondern nur in einer Druckversion.

In den ersten Kapiteln habe ich die Grundlagen des Selbstwertgefühls und der Selbst­liebe dargelegt. Der Hauptteil befasst sich mit der Selbstanalyse und der Betrachtung der Verhaltens­muster, die auf ein zu niederes Selbstwertgefühl und eine zu schwache Selbstliebe hinweisen, und zeigt dann den Weg auf, um neue Verhaltensweisen Schritt für Schritt einzuüben und alte hinderliche Muster abzulegen. Wie immer schreibe ich nur über Erkenntnisse und Methoden, die ich selbst erfahren habe und in meinem Alltag praktiziere.
Auch werdet ihr darin viele ermutigende Worte finden, eure Schritte auf diesem Weg der Selbst­bestimmung und Selbst­verwirklichung zu wagen.

Vertiefende Erläuterungen und auflockernde Ge­schichten stehen in separaten Kästen am Ende jedes Kapitels, um den Textfluss nicht zu unterbrechen. Verweise am Seitenrand erleichtern das Auffin­den von verwandten oder ergänzenden Aussagen.

Dieser Wegweiser ist konsequent praxisbezogen. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass gerade im Fall mangelnder Selbstliebe das theoretische Wissen nicht hilft, wenn es nicht mit konkreten, anwend­baren Anleitungen zur Selbstveränderung ergänzt wird. Wir entwickeln uns schliesslich nicht allein dadurch, dass wir etwas wissen, sondern erst wenn wir dieses Wissen auch nutzen und umsetzen. Das ist Bildung im wahren Sinn des Wortes: Wir bilden unsere Persönlichkeit und unseren Charakter, wir gestalten unser Leben und unser Schicksal.
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Noch eine Bitte: Falls euch das Buch gefällt und euch auf eurem Weg zu mehr Selbstliebe unterstützt, wäre es für mich sehr hilfreich, wenn ihr eine Bewertung/Rezension in einem oder mehreren Online-Shops abgebt. Vielen Dank!Artikel teilen auf:

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Verschiebe nicht auf morgen…

… was du heute kannst besorgen, sagt das Sprichwort. Oft ist es ein Zeichen von Unlust oder Faulheit, wenn wir zu erledigende Dinge vor uns herschieben.

Es kann aber auch ein Zeichen für mangelndes Selbstwertgefühl sein. Wir schieben etwas auf, weil wir es uns nicht zutrauen, weil wir Angst haben, es nicht richtig oder gut zu erledigen oder sogar daran zu scheitern. Nach dem Motto: Solange ich nichts mache, kann ich auch nichts falsch machen – und niemand kann mich dafür tadeln oder zurechtweisen.
Manchmal schieben wir auch Arbeiten oder Pflichten auf, die gar nicht „nach aussen“ sichtbar werden, denn vor uns selbst wollen wir ebenso wenig als unfähig dastehen.
Dabei ist es nur die unbegründete Angst vor dem Scheitern! Meistens erleben wir nämlich, dass wir es können und schaffen, wenn wir es dann einmal anpacken.

Das Pendant dazu ist der Perfektionismus. Wenn wir eine Aufgabe gestellt bekommen, arbeiten wir daran bis zum Umfallen, wir geben uns nie mit einem Ergebnis zufrieden, meinen immer noch etwas mehr, etwas besser machen zu können. Dahinter verbirgt sich ebenfalls nur die Angst vor Kritik und Tadel – sei es seitens unserer Mitmenschen, sei es durch unseren „inneren Richter“.

Gegen diese Äusserung mangelnden Selbstwertgefühls gibt es ein relativ einfaches Mittel: Erledige immer sofort, was es zu erledigen gibt, und tue alles so gut, wie du es kannst.
Dann brauchst du dir von niemandem – auch nicht von dir selbst – vorwerfen zu lassen, du hättest nicht dein Möglichstes getan, unabhängig davon, wie das Ergebnis ausfällt. Mehr kannst du doch einfach nicht leisten!Artikel teilen auf:

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Urvertrauen = Selbstvertrauen

Unser Vertrauen ins Leben, ins Schicksal, in eine Höhere Macht, in das Göttliche – was wir Urvertrauen nennen – können wir ebenso als Vertrauen in uns selbst verstehen, als Selbstvertrauen im wahren Sinne des Wortes.
Unsere Seele weiss ja stets, was für uns gut ist, und sie teilt es uns auch mit, durch die innere Stimme, unsere Intuition, Inspiration, innere Wahrnehmung – oder wie wir diese Empfindung, die wir alle besitzen, nennen wollen. Leider vertrauen wir ihr, uns, in der Regel viel zu selten. Einerseits mischt sich sofort der Verstand ein, der uns mit allerlei „logischen“ Argumenten von etwas anderem überzeugen will, andererseits sind es oft auch unsere „lieben“ Mitmenschen, die meinen, besser zu wissen, was für uns gut ist. Zu letzterem ist mir eine hübsche Geschichte begegnet, die ich euch heute erzählen will (ja, ich weiss, ich habe schon in meinem letzten Beitrag eine Geschichte erzählt – aber ich mag sie halt: sie lehren auf sanfte Weise und haben die angenehme „Nebenwirkung“, dass sie das Herz erwärmen oder ein Lächeln auf unsere Lippen zaubern). Es ist eine russische Legende.

Auf einer Insel lebten drei fromme alte Männer. Ihr Ruf der Heiligkeit hatte sich weit verbreitet und es kamen viele Menschen zu ihnen, um von ihnen zu lernen.
So hörte auch der Metropolit* in St. Petersburg von ihnen und wollte selbst sehen, was daran Wahres sei. Als er ankam, fand er sich drei ärmlichen Gestalten gegenüber, die in einer einfachen Hütte lebten und ihm nichts anderes anbieten konnten, als etwas Brot und Salz und frisches Quellwasser.
Er fragte sie: „Man sagt, ihr hättet die Gotteserfahrung. Könnt ihr mir darüber erzählen?“
Die drei schauten einander verständnislos an; schliesslich antwortete der eine: „Wir freuen uns an Gott, wenn die Sonne scheint, ebenso wie wenn der Regen fällt. Wir freuen uns an Ihm am hellen Tag, und wir freuen uns wenn es rundum dunkel ist.“
Der zweite ergänzte: „Ja, und wir freuen uns an Gott, wenn das Korn wächst und die Äpfel reifen; und an der Quelle, die nicht aufhört uns Wasser zu spenden.“
Und der dritte fügte noch hinzu: „Ja, viel Freude haben wir an Ihm, auch wenn die Gläubigen kommen mit ihren Gaben. Und wenn wir beisammen sitzen, singen und beten, und wenn wir nachher gemeinsam essen und trinken…“
Da wollte der Metropolit wissen, wie sie denn zu Gott beteten. Die drei erröteten und antworteten schüchtern: „Unser einziges Gebet ist folgendes: Wir sind drei – Ihr seid drei – macht uns frei!“
Der Kirchenmann war entsetzt darüber und lehrte sie daraufhin ein richtiges Gebet, das Vaterunser. Die drei alten Männer waren überglücklich, von einem hohen Geistlichen unterwiesen zu werden, und sagten es eins ums andere Mal auf, bis sie es auswendig konnten.
Zufrieden kehrte der Metropolit an den Strand zurück und das Schiff legte ab. Es war noch nicht weit draussen im Meer, als er Rufe hörte. Er wandte sich in Richtung der Insel – und sah drei Gestalten, die Hand in Hand über das Wasser angeeilt kamen. Als sie das Schiff erreichten, riefen sie ausser Atem: „Wir haben es vergessen! Wie geht es weiter nach ‚geheiligt werde dein Name‘?“
Der Metropolit war tief berührt und antwortete: „Betet einfach, wie ihr es immer getan habt!“
Erleichtert gingen die drei über die Wellen zurück auf ihre Insel.

* Metropolit: Oberbischof in der orthodoxen KircheArtikel teilen auf:

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Leave the shelter!

Mit einem muslimischen jungen Mann, der in der Schweiz studierte, bin ich eng befreundet; ich begleitete ihn während der ersten Zeit, nachdem er in die Schweiz gezogen war.
Nach wenigen Wochen stürzte er in eine schwere Krise: Er entdeckte, dass nicht alles „vom Teufel“ ist, was wir hier in Europa tun – und wusste plötzlich nicht mehr, was richtig und was falsch ist, was gut und was böse. Die Normen und Regeln, die ihm in seiner islamischen Heimat eingepflanzt worden waren (und er war nie ein Fundamentalist, im Gegenteil offen und tolerant!), taugten plötzlich nicht mehr. Er begann, sie durch seine eigenen Massstäbe zu ersetzen, selbst zu entscheiden, was Allah gefällig sein könnte und was nicht. Das hiess, die Verantwortung für sich selbst übernehmen und für die Konsequenzen seines Tuns – ohne klare Verhaltensregeln, die einem jede Eigenverantwortung abnehmen.
Er nannte es „to leave the shelter“: den Schutz, den geschützten Raum, die Geborgenheit verlassen – und er tauschte diese Sicherheit, immer genau zu wissen, was man darf und was nicht, durch einen „freieren Willen“ ein, ohne feste Normen und Regeln. Das hat sein Leben enorm bereichert, aber auch erschwert.

Die meisten Menschen fühlen sich nämlich sicherer, wenn sie wissen, was sie dürfen und was nicht, was „gut“ und was „böse“ ist. Doch das menschliche Ego ist sehr stark und so umgehen selbst religiöse Fundamentalisten auf äusserst kreative Weise die Regeln, an die sie im Prinzip glauben und die sie eigentlich befolgen möchten, jedoch durch ihre „menschliche Schwäche“ immer wieder missachten (müssen). Nur vier Beispiele aus den Weltreligionen zur Veranschaulichung.
• Für Juden ist der Sabbat heilig, sie dürfen an diesem siebten Tag, an dem Gott nach der Erschaffung der Welt ruhte, keine Arbeit verrichten. Sie dürfen also zum Beispiel auch kein Feuer machen, was in unserer Zeit auf alles ausgedehnt wird, was mit Elektrizität zu tun hat, somit dürfen sie auch keinen Lichtschalter betätigen. Gut gibt es Zeitschalter, die sich vor dem Sabbat programmieren lassen!
• Im Hinduismus ist das Töten von Lebewesen nicht gestattet. Wie kommt man also zu Fleisch? Man opfert den Gottheiten Tiere und muss nachher, gemäss Gesetz, das Geopferte essen.
• Sex ausserhalb der Ehe ist im Islam strengstens verboten, man wird in einigen Ländern heute noch dafür zum Tode verurteilt. Dass es für Männer äusserst schwer ist, sich daran zu halten, ist bekannt. Und da es im Islam die Männer sind, welche neue Interpretationen des islamischen Rechts festlegen (durch eine Fatwa = Rechtsgutachten zur Klärung einer Rechtsfrage), erstaunt es nicht, dass auch dafür ein „Trick“ gefunden wurde: die „Ehe auf Zeit“. Man geht sie ein für eine Stunde, einen Tag, einen Monat, die Frau hat überhaupt keine Rechte, bekommt aber meistens Geld oder Geschenke für die Dauer der „Ehe“. Wir hier nennen das Prostitution.
• Und im Katholizismus schliesslich gibt es die Beichte, die jede begangene Sünde wieder ungeschehen macht.

Doch sogar Menschen, die ohne religiöse Gesetze leben, kennen diesen Schutz durch Regeln – ich würde ihn allerdings Einengung nennen. Was wurde uns als Kind doch eingetrichtert: Das darf man nicht! Das macht man nicht! (Meine Mutter sagt das heute noch manchmal zu mir, ich erwidere jeweils: Wer ist man? Ich bin nicht man!) Auch viele andere Normen, Regeln und Konventionen unserer Gesellschaft sitzen tief in uns.
Und sie geben uns Sicherheit. Nicht die Sicherheit vor einem „strafenden“ Gott, an den wir nicht (mehr) glauben. Aber die Sicherheit uns so zu verhalten, dass wir akzeptiert, angenommen, geliebt werden – das ist es, was wir unbedingt wollen, bewusst oder unbewusst. Und das ist es, was uns einengt, in unserer inneren Entwicklung, in unserem Leben überhaupt, was uns daran hindert zutiefest glücklich zu sein.

Kein Mensch ist gleich wie der andere, kein Mensch hat die gleiche Aufgabe wie der andere – das ist die wunderbare Vielheit in dieser Welt! Haben wir also den Mut uns selbst zu leben, nicht die anderen, vertrauen wir uns selbst, wagen wir, auf unsere innere Stimme zu hören – auch wenn sie uns zu etwas rät, was man nicht sagt, was man nicht macht!

Leave the shelter!Artikel teilen auf:

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Alltägliche Verhaltensmuster

In unserem Alltag gibt es Situationen, in denen wir deutlich spüren, dass uns Selbstwertgefühl, Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen fehlen: Wenn wir uns eine Aufgabe nicht zutrauen oder Angst haben, zu versagen; wenn wir in Gesellschaft anderer Menschen schüchtern sind, Mauerblümchen an einer Party, bei neuen Bekanntschaften „keinen Ton herauskriegen“; wenn wir uns nicht trauen, für unser Recht einzustehen, unsere Meinung zu sagen… In solchen Momenten fühlen wir uns nicht wohl in unserer Haut, wir merken, dass etwas nicht stimmt – wir leiden. Dennoch schaffen wir es nicht, mit all unserer Einsicht und Willenskraft, unser Verhalten zu ändern.

Es gibt aber auch unzählige Situationen in unserem Alltagsleben, in welchen wir automatisch in einer bestimmten Weise reagieren, ohne es als „falsch“ zu empfinden – wir sind uns nicht bewusst, dass auch solches Verhalten auf einen Mangel an Selbstwertgefühl deutet. Ebenso zeugen viele unserer Ängste davon.
Gelingt es uns, diese einfacheren „Fehlverhalten“ zu überwinden, wächst unser Selbstwertgefühl und führt mit der Zeit dazu, dass auch die anderen, bedeutenderen und belastenden Verhaltensmuster wie von selbst verschwinden.

Die folgende Fragen-Checkliste zeigt euch auf, wo eure Selbstliebe noch nicht stark genug ist:
• Habe ich Angst gespürt, dass ein geliebter Mensch mich nicht mehr liebt oder ich ihn verlieren könnte?
• War ich eifersüchtig oder neidisch?
• Habe ich aus Angst, den anderen zu verletzen oder seine Liebe zu verlieren, etwas nicht gesagt? Habe ich etwas „heruntergeschluckt“?
• Habe ich aus Angst, die Anerkennung oder Liebe eines Menschen zu verlieren, etwas getan, was gegen meine Überzeugung oder meinen Willen ging?
• Habe ich aus Angst, jemanden zu enttäuschen, nicht so gehandelt, wie ich es eigentlich wollte?
• Habe ich mich nicht getraut, nein zu sagen?
• Habe ich mich emotional erpressen lassen? („Ich tue doch so viel für dich“ – „Wenn du mich liebst, dann tust du…“)
• Habe ich meine eigenen Bedürfnisse (wegen eines anderen Menschen) missachtet?
• Bin ich einem Konflikt aus dem Weg gegangen (aus Angst)?
• Habe ich mich nicht getraut, eine berechtigte Reklamation oder Kritik anzubringen?
• Habe ich Schuldgefühle, weil ich etwas gesagt oder getan habe?
• Habe ich gelogen (aus Angst)?
• Habe ich mich gerechtfertigt für etwas, was ich getan oder gesagt habe?
• Habe ich krampfhaft versucht, mich zu erklären, damit andere Verständnis für mich haben?
• Habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was andere von mir denken, im Allgemeinen oder bei einer bestimmten Gelegenheit?
• Habe ich es nicht gewagt, mich so zu zeigen, wie ich bin? Habe ich etwas vorgespielt?
• Habe ich mich gescheut, eine Frage zu stellen oder einen Kommentar abzugeben, obwohl ich es eigentlich wollte?
• Habe ich mich minderwertig oder nutzlos gefühlt, weil ich nicht gebraucht werde?
• Habe ich zu viel von mir erwartet? Habe ich mich verurteilt, weil ich meine Erwartungen nicht erfüllt habe? War ich zu perfektionistisch?
• Habe ich mich schlecht gefühlt, weil jemand mich getadelt, verurteilt, angegriffen hat?
• Habe ich mich schlecht gefühlt, weil etwas nicht so gelaufen ist, wie ich es mir wünschte, oder ich einen „Misserfolg“ erlitten habe?
• Habe ich mich jemanden unterlegen gefühlt?
• War ich arrogant (hochmütig) oder besserwisserisch?
• War mir etwas peinlich?
• Ist es mir schwer gefallen, etwas anzunehmen?
• Habe ich Hilfe abgelehnt, obwohl ich sie gebraucht hätte?
• Habe ich mich gescheut, jemanden um Hilfe zu bitten?

Die Fragen, auf die ihr mit Ja antworten, verraten euch die Verhaltens- und Empfindungsweisen, bei denen eure Selbstliebe nicht stark genug ist. Fühlt euch deswegen aber keinesfalls „wertlos“, selbst wenn ihr viele Ja bei euch entdeckt haben! Es sind dies nämlich Verhaltensweisen, an denen die allermeisten Menschen „leiden“ – beobachte doch nur die anderen!
Wichtig ist, es zu erkennen und langsam, nach und nach bei sich zu verändern; beschäftigt euch aber jeweils nur mit einem dieser Muster aufs Mal – das ist genug!
Seid wachsam in eurem Alltagsleben – da haben wir ja genügend Übungsmöglichkeiten! –, achtet auf euer Verhalten und euer Empfinden. Am Anfang werdet ihr euer seit langem praktiziertes Muster automatisch wiederholen und es jeweils erst danach merken. Macht euch keine Vorwürfe, verzweifel nicht, tappt ihr auch hundert Mal in die gleiche Falle! Das ist absolut normal. Sagt nicht: Das werde ich nie schaffen; fasst einfach mit Bestimmtheit erneut den Vorsatz, euch zu ändern. Irgendwann wird es euch ein Mal gelingen. Dann vielleicht wieder zwei, drei Mal nicht. Auch das ist normal: Solche eingravierten, vom Unbewussten gesteuerten Muster brauchen lange, um „umprogrammiert“ zu werden, es kann viele Wochen, gar Monate dauern.
Oft geschieht das wie hinter einem Schleier: Lange seht ihr keine Veränderung, als ob sich nichts bewegte, im Unbewussten aber tut sich eine ganze Menge. Und eines Tages werdet ihr überrascht und freudig feststellen: „Es ist lange her, dass ich mich so und so verhalten habe!“ Dieses eine Verhaltensmuster habt ihr abgelegt. Dann könnt ihr euch ans nächste machen…

In  anderen Textbeiträgen auf dieser Website erläutere ich einzelne dieser Verhaltensmuster noch detaillierter.Artikel teilen auf:

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Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit und mehr – eine Unterscheidung

Im Zusammenhang mit der Selbstliebe werden verschiedene Begriffe verwendet, die zum Teil synonym gebraucht werden, zum Teil feine Nuancen kennzeichnen. Nachfolgend sind sie kurz erläutert, wobei jeweils unterschieden wird zwischen der „richtigen“ Art der Selbstliebe, bei welcher wir stark und eigenständig sind, und der „falschen“ Art, die uns bestenfalls ein vorübergehendes, labiles Selbstwertgefühl verleiht.

Selbstbewusstsein
Richtig: Ich bin mir meines Selbst bewusst, „Selbst“ verstanden als Sein, Existenz, menschliches Wesen, auch als unsterbliche Seele oder göttlicher Funke (je nach Glaube).
Falsch: Ich bin mir bewusst, dass ich für andere interessant, schön, anziehend usw. bin.

Selbstvertrauen/Selbstannahme
Richtig: Ich vertraue mir selbst (meinem Höheren Selbst, meiner Seele, meiner inneren Stimme) und dass ich alles „richtig“ mache.
Falsch: Ich vertraue auf meinen Besitz, meine Eigenschaften, meine Fähigkeiten.

Selbstsicherheit
Richtig: Ich fühle mich in mir selbst sicher, geborgen; ich weiss, dass mir nichts geschehen kann, was nicht (am Ende) gut für mich ist.
Falsch: Ich beziehe meine Sicherheit aus äusseren Umständen, daraus dass andere mich brauchen, dass ich reich bin, eine Familie habe usw.

Selbstwertgefühl/Selbstachtung
Richtig: Ich weiss, dass ich wertvoll bin an sich, weil ich ein menschliches (Göttliches) Wesen bin mit einer unverwundbaren und unsterblichen Seele.
Falsch: Ich beziehe meinen Wert aus den Werten, die ich besitze, aus dem Lob und der Anerkennung anderer Menschen usw.

Quintessenz: Beziehe ich meinen Wert von aussen (Eigenschaften, Besitz, Verhalten, Umfeld und mehr), bin ich von der Aussenwelt abhängig und richte mich nach ihr anstatt nach den Wünschen meiner Seele.
Und es braucht nicht viel, diesen von der Aussenwelt (meinen Mitmenschen) geschaffenen Wert zu zerstören…Artikel teilen auf:

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