„Du musst dich nicht rechtfertigen, …

… wenn du etwas nicht so gut kannst“, sagte die Joggerin zu ihrem Partner, während sie an mir vorbeizogen. Mehr von ihrem Gespräch konnte ich nicht aufschnappen, sie liefen zu schnell (und ich fragte mich, wie sie dabei noch so locker plaudern konnten).

Recht hat die Frau. Warum geben wir jeweils Erklärungen ab – entschuldigen uns manchmal gar –, wenn wir körperlich nicht so gut in Form sind? Oder nicht so stark im Rechnen? Oder schlecht bügeln und kochen? Die Rechtschreiberegeln nicht beherrschen? Keinen Nagel in die Wand schlagen können?

Abgesehen davon, dass niemand alles kann, sind die Talente zuweilen scheinbar ziemlich „ungerecht“ verteilt. Schon Jesus erzählte die Parabel der verschiedenen Talente (Matthäus 25,14ff.), ich habe sie auf dieser Website schon einmal erzählt.
Bevor er sich zu einer Reise aufmachte, gab ein Mann seinen drei Knechten einen, zwei und fünf Goldanteile zum Verwalten; er verteilte sein Vermögen also of­fenbar ungerecht. Als er zurückkehrte, erwartete und verlangte er al­lerdings auch nicht, dass alle drei gleich viel aus ihrem Startkapital gemacht hätten.

Die Moral dieser Geschichte: Wir sollen nutzen, was wir be­sitzen. Mit anderen Worten, tun, was unseren An­lagen, un­seren Fähigkeiten und unserer Kraft entspricht. Das ist ausreichend, mehr können wir nicht leisten. In diesem Sin­ne dürfen wir keinesfalls bedauern oder gar ha­dern, wenn wir nicht so gross, so stark, so schön, so intelligent sind wie andere – nehmen wir uns an, wie wir sind, mit unseren Stärken und unseren Schwächen. Und rechtfertigen oder entschuldigen wir uns nie dafür.

Stellen wir unser Licht aber auch nicht unter den Scheffel – um ein anderes Wort aus dem Neuen Testament zu zitieren. Wir sollen unsere Fähigkeiten und Stärken nicht abwerten, wir dürfen zu dem stehen, was wir gut können. Und würdigt es jemand, brauchen wir es nicht kleinzureden, sondern dürfen uns selbstbewusst am Kompliment erfreuen.

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Selbstbewusstsein: Verändert eure äussere Erscheinung!

Nein, ich meine damit nicht, wir sollten etwas für unsere Schönheit tun, eine neue Frisur, Sexy-Kleidung und solche Dinge. Das verbessert die Selbstsicherheit und das Selbstwertgefühl nicht anhaltend, wie ich schon in einem anderen Artikel erörtert habe.

Es geht mir vielmehr um die Wechselwirkung zwischen Körper und Geist. Der Körper widerspiegelt unser Denken und Fühlen. Wie Albert Schweitzer sag­te: „Mit 20 hat jeder das Gesicht, das Gott ihm ge­geben hat, mit 40 das Gesicht, das ihm das Le­ben gegeben hat, und mit 60 das Gesicht, das er verdient.“
Im Körper ist nicht so sehr gespeichert, was wir erlebt haben, sondern wie wir damit umgegangen sind. Es gibt Menschen, die mehrere schwere Schicksalsschläge erfahren mussten und deren Gesicht dennoch einen heiteren, offenen, zuversichtlichen Ausdruck zeigt. Und es gibt Menschen, denen man die Verbitterung von Weitem ansieht – obwohl ihnen im Leben nichts wirklich Schlimmes widerfahren ist.
Nicht nur das Gesicht verrät einiges über unsere innere Welt; besonders deutlich zeigt sich ein Mangel an Selbst­bewusstsein und Selbstsicherheit in der Körperhaltung.
Wir können so weit gehen zu sagen, dass alles, was wir je erlebt haben, selbst wenn wir uns bewusst nicht mehr da­ran erinnern, wie ein Abdruck in uns geprägt ist, auf der mentalen und der emotionalen Ebene, aber auch, wie Wissenschaftler glauben, in jeder Körperzelle, in den Genen. Letzteres haben Experimente mit Tieren bewiesen: Während des Lebens erfahrene und gelernte Inhalte wurden auf genetischem Weg an die Nachkommen weitergegeben.
Das bedeutet: Der Körper vergisst nichts, kein Gedanke, keine Emotion, keine Sinneswahrnehmung. Was wir heute sind, entspricht unserer vollständigen bisherigen Le­bens­geschichte.

Es ist uns meistens weniger bewusst, aber wie der Geist auf den Körper wirkt, so beeinflusst auch der Körper den Geist. Ändern wir die äußere Haltung, so wandelt sich auch die in­nere. Darauf beruhen körperorientierte psychologische Therapieformen, Tanz- und Bewegungs­thera­pien, die Kinesiologie und weitere Methoden.
In der Regel ist es für uns einfacher, mit dem Körper zu arbeiten, als innere Einstellungen zu ändern. Oft wissen wir auch nicht (mehr), woher unsere traurigen Augen, die eingezogenen Schultern stammen, und können deshalb nicht auf der psychischen Ebene einwirken. Auf dieses Wissen sind wir jedoch nicht angewiesen; es kann sich, im Gegenteil, sogar kontraproduktiv auswirken, wenn wir negative oder traumatische Ereignisse wieder an die Oberfläche ho­len – und die Vergangenheit lässt sich oh­nehin nicht mehr ändern.
Es geht also darum, unseren Körper, wie er gegenwärtig ist, zu betrachten und eine neue Haltung einzuüben, die Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit ausdrückt. Wir ge­winnen diese Eigenschaften nicht allein dadurch, dass wir unser Äußeres ändern. Doch eine selbstbewusste Ausstrahlung unterstützt die übrigen Bemühungen, einerseits; an­drerseits begegnen uns die Mitmenschen mit mehr Respekt und neigen weniger dazu, uns zu erniedrigen, zu dominieren oder auszunutzen, was es uns wiederum erleichtert, tatsächlich selbst­bewusst auf sie zuzugehen.

Ich schlage euch zwei einfach Übungen vor, um auf der körperlichen Ebene an eurem Selbstwertgefühl zu arbeiten.

1. Schaut euch einmal euer Gesicht im Spiegel an.
• Was drückt es aus? Traurigkeit, Enttäuschung, Unsicherheit, Überheblichkeit, …?
• Worin genau erkennt ihr diese Eigenschaften? Heruntergezogene Mundwinkel, gepresste Lippen, zusammengekniffene Augen, hochgezogene Brauen, tiefe Stirnfalten, …?
• Verändert dann vor dem Spiegel bewusst und willentlich die dafür verantwortlichen Stellen des Gesichts: lächeln, die Lippen entspannen, locker in die Ferne schauen, alle Muskeln loslassen, … Achtet bei dieser Übung darauf, dabei an etwas Erfreuliches zu denken oder euch ein liebliches, schönes Bild (eine Blume, eine Landschaft, ein lachendes Kindergesicht) vor euer inneres Auge zu holen, vielleicht auch heitere Mu­sik zu hören.
• Prägt euch diesen neuen Gesichtsausdruck jetzt mit ge­schlossenen Augen ein, spürt gut, wie er sich anfühlt, und merkt euch diese Empfindung. Übt ihn über einen längeren Zeitraum täglich mindestens einmal vor dem Spiegel und seid im Alltag achtsam, ihn wieder einzunehmen, wenn ihr merkt, dass der alte zurückgekehrt ist.

2. Schaut eure Körperhaltung im Spiegel an, frontal und von der Seite.
• Was drückt sie aus? Niedergeschlagenheit, Angst, Trägheit, Tendenz sich zu ducken, zu un­terwerfen, auszuweichen, …?
• Worin genau erkennt ihr diese Eigenschaften? Gesenkter Kopf, ein- oder hochgezogene Schultern, zu breiter oder zu schmaler Stand, rückwärts ­geneigter Oberkörper, schlaffe Haltung, gebeugter Rü­cken, …?
• Verändert dann vor dem Spiegel bewusst und willentlich eure Haltung, sodass ihr aufrecht, locker und entspannt (aber nicht träge) steht und den Blick geradeaus richtet, nicht nach unten. Ein Tipp: Um den Körper aufzurichten, hebt das Brustbein an; das ist besser, als den Kopf oder das Kinn anzuheben oder die Schultern nach hinten zu ziehen. Achtet bei dieser Übung darauf, dabei an etwas Erfreuliches zu denken oder euch ein liebliches, schönes Bild (eine Blume, eine Landschaft, ein lachendes Kindergesicht) vor euer in­ne­­­res Auge zu holen, und vielleicht auch heitere Musik zu hören.
• Prägt euch diese neue Haltung jetzt mit geschlossenen Augen ein, spürt gut, wie sie sich anfühlt, und merkt euch diese Empfindung. Übt sie über einen längeren Zeitraum täglich mindestens einmal vor dem Spiegel und seid im Alltag achtsam, sie wieder einzunehmen, wenn ihr merkt, dass die alte zurückgekehrt ist.

Denkt daran: Euer Gesichtsausdruck und eure Körperhaltung haben sich über Jahrzehnte gebildet. Es wird Monate oder Jahre dauern, bis die neuen zu euren „normalen“ werden. Aber jedes Mal, wenn ihr willentlich einen anderen Gesichtsausdruck, eine andere Haltung einnehmt, trägt ihr zu dieser äußeren Wandlung bei. Und, noch viel bedeutsamer, zur inneren.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus Kapitel 5 meines Buches „Ich liebe mich selbst 2“.

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Mein neues Buch über Selbstliebe ist erschienen!

Nachdem ich vor über 20 Jahren zur Erkenntnis gekommen war, dass mir die Selbstliebe und das Selbstwertgefühl fast vollständig fehlten und dies die Ursache für viele meiner Probleme mit den Mitmenschen und für meine perio­disch auftretende, nicht näher definierbare Unzufriedenheit war, begann ich am Aufbau meiner Selbstliebe zu arbeiten.
Selbst einmal darin gefestigt, entwickelte ich auf der Basis meiner eigenen Er­fah­rungen eine Methode zum Aufbau und zur Stärkung der Selbst­liebe, die ich viele Jahre lang in Seminaren und Kursen lehrte. Diese Methode gebe ich nun auch mit diesem Buch weiter.

Buchtitel_Ich_liebe_mich_selbstIch liebe mich selbst und mache mich glücklich
von Karin Jundt
nada-Verlag
ISBN 978-3-907091-04-3
Paperback, 136 Seiten
EUR 17.00 / ca. CHF 23.00

Erhältlich:
• im Buchhandel und in den Online-Shops

Bei diesem Buch handelt es sich um einen übersichtlichen und struk­turierten Leitfaden; er ist wie ein Kurs mit Aufgaben und Übungen aufgebaut, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen. Und entsprechend leicht und locker ist auch die Sprache gehalten.
Darin sind auch mehrere Seiten enthalten, die der Leser wie Kursunterlagen selbst ausfüllen kann und auf die er im Lauf der Lektüre wieder zurückgreifen sollte; deshalb ist dieses Buch auch nicht als E-Book erhältlich, sondern nur in einer Druckversion.

In den ersten Kapiteln habe ich die Grundlagen des Selbstwertgefühls und der Selbst­liebe dargelegt. Der Hauptteil befasst sich mit der Selbstanalyse und der Betrachtung der Verhaltens­muster, die auf ein zu niederes Selbstwertgefühl und eine zu schwache Selbstliebe hinweisen, und zeigt dann den Weg auf, um neue Verhaltensweisen Schritt für Schritt einzuüben und alte hinderliche Muster abzulegen. Wie immer schreibe ich nur über Erkenntnisse und Methoden, die ich selbst erfahren habe und in meinem Alltag praktiziere.
Auch werdet ihr darin viele ermutigende Worte finden, eure Schritte auf diesem Weg der Selbst­bestimmung und Selbst­verwirklichung zu wagen.

Vertiefende Erläuterungen und auflockernde Ge­schichten stehen in separaten Kästen am Ende jedes Kapitels, um den Textfluss nicht zu unterbrechen. Verweise am Seitenrand erleichtern das Auffin­den von verwandten oder ergänzenden Aussagen.

Dieser Wegweiser ist konsequent praxisbezogen. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass gerade im Fall mangelnder Selbstliebe das theoretische Wissen nicht hilft, wenn es nicht mit konkreten, anwend­baren Anleitungen zur Selbstveränderung ergänzt wird. Wir entwickeln uns schliesslich nicht allein dadurch, dass wir etwas wissen, sondern erst wenn wir dieses Wissen auch nutzen und umsetzen. Das ist Bildung im wahren Sinn des Wortes: Wir bilden unsere Persönlichkeit und unseren Charakter, wir gestalten unser Leben und unser Schicksal.
Leseprobe herunterladen

Noch eine Bitte: Falls euch das Buch gefällt und euch auf eurem Weg zu mehr Selbstliebe unterstützt, wäre es für mich sehr hilfreich, wenn ihr eine Bewertung/Rezension in einem oder mehreren Online-Shops abgebt. Vielen Dank!

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I am what I am

Diesen Song hört man zur Zeit in der Schweiz in einem Fernsehspot. Er stammt aus dem Musical „La cage aux folles“, das auf ein Theaterstück und dessen weltberühmte Verfilmung aus den 1970-er Jahren zurückgeht, und wird von einem Homosexuellen gesungen.

Den ganzen Text auf Englisch findet ihr hier (aus Copyright-Gründen veröffentliche ich ihn nicht auf meiner Website).

Gibt es eine treffendere Beschreibung für Selbstliebe und Selbstwertgefühl?

Ich bin, was ich bin…
Das Leben ist nichts wert, bis du sagen kannst: Ich bin, was ich bin…
Das Leben ist Betrug, bis du schreien kannst: Ich bin, was ich bin…
Ich bin, was ich bin, und dafür brauche ich mich nicht zu entschuldigen…
Hey, Welt, ich bin, was ich bin!

Dazu braucht es keinen weiteren Kommentar meinerseits. Seid, was ihr seid. Freut euch darüber, wie ihr seid, und steht dazu, vor der ganzen Welt.

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Endlose Diskussionen

Bestimmt habe ich mehrmals schon darauf hingewiesen, dass es eine ganze Menge Verhaltensweisen gibt, die uns erkennen lassen, wie es mit unserem Selbstwertgefühl steht. Darunter fallen auch die Besserwisserei und die Rechthaberei.

Sofort durchschaubar sind sie, wenn wir auf jede Aussage eines anderen etwas zu sagen/erwidern/hinzuzufügen/anzumerken haben, und selbst wenn die Aussage korrekt, klar und unmissverständlich ist, sie etwas präzisieren müssen. Warum tun wir das? Aus einem Bedürfnis, ständig zu beweisen, was wir wissen, um uns selbst in den Vordergründ zu rücken beziehungsweise andere in den Hintergrund zu verdrängen und ähnlichen Gründen. Das haben wir aber nicht nötig, wenn wir über ein starkes Selbstwertgefühl verfügen!

Eine subtilere Form sind die endlosen Diskussionen, gehe es um allgemeine Themen oder um persönliche, wenn wir auf jede Entgegnung unseres Gegenübers immer noch ein Argument und noch eines vorbringen. Es ist uns unheimlich wichtig, ja nicht als „Verlierer“ dazustehen, und bei ideologischen Streitgesprächen auch darum, den anderen um jeden Preis zu überzeugen. Warum können wir nicht unsere Meinung sagen, vielleicht noch eine Erläuterung anfügen, sollte es der Gesprächspartner beispielsweise missverstanden haben, und dann aber einfach so stehen lassen?
Damit beweisen wir Grösse und Stärke (und Selbstvertrauen!), und nicht indem wir auf etwas herumreiten und es ins Endlose ziehen!

Selbst wenn es um Meinungsverschiedenheiten geht, von denen wir meinen, sie müssten unbedingt geklärt werden, ist es meistens hoffnungslos, wenn es nicht mit den ersten zwei oder drei Argumenten gelingt. Dann ist es sinnvoller und für beide befriedigender, das Thema abzuschliessen und wirklich einen Schlussstrich darunter zu ziehen. Selbst wenn unser Gegenüber zu den Menschen gehört, die es einfach nicht sein lassen können… gegen unser Schweigen ist er machtlos!

Als konkretes Beispiel erzähle ich euch von einem solchen Gespräch, das ich vor wenigen Tagen mit einem guten Freund hatte, der ein recht starkes Selbstbewusstsein besitzt.
1) Ich machte eine ihn betreffende Aussage, die überaus liebevoll gemeint war, die ich jedoch mit einer Prise Humor würzte.
2) Er reagierte recht heftig und ich empfand seinen Antwortsatz als respektlos mir gegenüber und spürte eine gewisse Empörung in mir.
3) Das teilte ich ihm bestimmt und nüchtern mit; weil ich aufgrund seiner Reaktion annahm, er hätte meine Aussage 1) missverstanden, erläuterte ich sie ihm nochmals mit anderen Worten.
4) Er verstand, was ich meinte, und antwortete, er sehe in seiner Aussage 2) nichts Respektloses – er verhalte sich mir gegenüber nie respektlos – und er würde mir den gleichen Satz jederzeit genau so wieder sagen. Für ihn sei die Angelegenheit damit erledigt.

Und für mich war sie es auch! Hätte ich mich nochmals erklären sollen, darauf beharren, es sei doch respektlos gewesen und ähnliches und eine endlose Diskussion heraufbeschwören – die ja ohnehin gar nicht möglich war, wenn er nicht mitspielte? Reine Zeit- und Energieverschwendung!
Meine Empörung war schlagartig verschwunden – ich nickte und lächelte. Und wir gingen zu einem bereichernden Thema über…

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Das Bedürfnis nach positiver Fremdbewertung

Seit gut einem Monat bin ich wieder ein regelmässiger Gast im Fitness-Center, nachdem ich einige Jahre lang ausgesetzt hatte. Ich mag dieses Training an den Maschinen, so ganz für mich allein, es hat etwas Meditatives und es zwingt mich, ganz bei mir selbst zu sein, mich nur auf eine Muskeln zu konzentrieren und alle Gedanken loszulassen.
Doch natürlich schaffe ich das nicht immer und ich beobachte dabei auch gerne die anderen Trainierenden. Die einen mit zu hoch angesetzten Gewichten verzerren ihr Gesicht vor lauter Schmerz. Andere schauen ständig um sich, ob auch ja jemand bemerkt, wie stark sie sind. Einzelne erhöhen sogar, nachdem sie ihre Übung beendet haben, noch verstohlen das Gewicht, bevor sie die Maschine verlassen, um den nächsten damit zu beeindrucken.

Warum haben wir es so oft nötig, anderen zu zeigen, wie stark, gut, schön, intelligent, mutig wir sind? Weil wir unser Selbstbewusstsein – unser Selbstwertgefühl – daraus beziehen, wie andere uns bewerten.
Wenn wir uns jedoch darauf abstützen, versuchen wir uns stets so zu verhalten, dass ihr Urteil positiv ausfällt. Das kann dazu führen, dass wir ständig Angst haben, etwas falsch zu machen, etwas Dummes zu sagen oder uns blöd anzustellen und uns deshalb unter Menschen nicht wohl fühlen, schüchtern, unsicher, gehemmt, blockiert, introvertiert sind.
Weil wir uns stets bemühen, unseren Mitmenschen nicht zu missfallen, versuchen wir, uns immer nur von unserer besten Seite zu zeigen – oder gar so, wie wir gar nicht sind. Diese Maske, die wir tragen, kostet uns viel Energie, denn wir spielen ja fortwährend eine Rolle und sind nie wirklich wir selbst!

Es ist ungemein wichtig, dass wir dieses Bedürfnis nach positiver Fremdbewertung ablegen. Fangen wir damit an, nichts mehr vorzuspielen. Wenn wir etwas nicht können oder nicht wissen, geben wir das zu und versuchen nicht, es zu vertuschen. Wenn uns etwas auf der Zunge liegt, sagen wir es und überlegen nicht zuerst, wie es beim Gegenüber wohl ankommt. Wir ziehen nicht länger den Bauch ein, wenn wir an einem Strassencafé vorbeigehen. Und und und… Übungsmöglichkeiten in unserem Alltag gibt es genug!

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Die Schönen und Reichen

Ich habe einige Tage in einem Kurort am Meer verbracht, wo sich die Schönen und Reichen treffen. Nein, ich gehöre nicht dazu – zumindest nicht zu den Reichen *smile*. Aber ich mag den langen Sandstrand dort und auch die Landschaften im Hinterland.

Es war recht viel los, und wenn ich jeweils müde von den langen Wanderungen in einem Restaurant draussen sass, beobachtete ich interessiert die Vorbeiziehenden.
Junge Frauen, die trotz dicken Beinen ganz selbstbewusst kurze Röcke tragen – ich sehe ihnen an, dass sie es aus Freude an der Mode, am Ausprobieren, vor allem für sich selbst tun und sich wenig darum scheren, wie sie auf andere wirken. In dieser Selbstsicherheit liegt ihre Stärke und lässt sie schön erscheinen.
„Ältere“ Frauen (ab etwa 40 bis zu meinem Alter und zum Teil noch darüber), perfekt gestylt, mit teurer Garderobe, geliftet und gebotoxt, teilweise auch mit Silikon im Busen, extrem schlank bis magersüchtig – ich sehe, wie sehr sie sich nach Bewunderung sehnen und wie sehr sie dennoch in ihrem Inneren verunsichert sind („Wie wirke ich? Wie beurteilt man mich?“). Es stimmt mich immer ein bisschen traurig, wenn jemand sich auf diese Weise so ungemein bemüht, ein bisschen Anerkennung, ein bisschen Liebe zu bekommen… Unweigerlich denke ich zurück, als ich noch ein dummer Teenager war, an meine Mini-Jupes, knapper geht nicht, knallenge Hosen – was habe ich schon alles getan, um ein bisschen (männliche) Anerkennung, ein bisschen Liebe zu bekommen… Bis ich endlich gemerkt habe, dass was ich für meine „sexy“ Kleidung bekam, oft nicht viel mit echter Anerkennung und wahrer Liebe zu tun hatte. Und ich endlich gelernt habe, mich selbst zu lieben und nur noch darauf zu zählen.
Interessant waren auch die mittelalterlichen Männer. Sie schienen viel weniger auf ihr eigenes Äusseres zu geben – dafür führten sie stolz ihre mindestens 20 Jahre jüngere Freundin vor.

Ja, ich weiss, eine Menge Clichés. Sie wurden mir halt wieder einmal so gehäuft und so deutlich vor Augen geführt. Wobei sie nicht nur in der Welt der Reichen vorkommen und in fast jedem von uns etwas davon mitspielt.

Und ich kann die „Moral von der Geschichte“ nur einmal mehr wiederholen: Wenn wir unser Selbstwertgefühl aus Äusserem beziehen – vor allem aus der Schönheit –, verlieren wir es unweigerlich irgendwann. Wie ein amerikanischer Folksong treffend sagt:

So come all ye young lovers,
Take a warning from me,
And never place your affections
On a green growin‘ tree,
Ooh, on a green growin‘ tree.
‚Cause the leaves they will wither
Roots will decay,
And the beauty of a young maid,
Will soon fade away,
Ooh, soon fade away.

(Sinngemäss: Ihr jungen Verliebten, hört auf mich und hängt eure Liebe nicht an einen wachsenden Baum. Denn die Blätter werden welken und die Wurzeln werden vermodern, und die Schönheit einer jungen Frau wird bald vergehen.)

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Schaf oder Löwe?

Eine trächtige Löwin stiess eines Tages auf eine Schafherde und griff eines der Tiere an. Doch diese Anstrengung war zuviel für sie: Das Löwenbaby kam zur Welt, seine Mutter starb. Die Schafe nahmen das Kleine an und zogen es auf; ihrem Beispiel folgend frass es Gras und blökte. Auch als dieser prächtige, starke Löwe erwachsen wurde, meinte er immer noch, er sei ein Schaf.
Eines Tages kam ein anderer Löwe in diese Gegend und war sehr erstaunt, einen Artgenossen friedlich inmitten der Schafe zu sehen. Er wollte sich ihm nähern, doch wie die anderen Schafe flüchtete auch der Schaf-Löwe. Mehrmals versuchte es der Löwe noch, doch der andere versteckte sich jedes Mal.
Eines Morgens überraschte er ihn endlich im Schlaf und bevor er fliehen konnte, sagte er zu ihm: „Du bist doch ein Löwe, warum fürchtest du dich vor mir?“
„Ich bin ein Schaf“, entgegnete der andere blökend.
Der Löwe konnte ihn schliesslich davon überzeugen, mit ihm zu einem See zu gehen. „Schau ins Wasser“, forderte er ihn da auf, „ist dein Spiegelbild nicht etwa gleich wie meines?“
Der immer noch verängstigte Schaf-Löwe schaute hinein und augenblicklich erkannte er die Wahrheit. Er brüllte los und blökte nie wieder.

Hören wir auf, uns wie Schafe zu verhalten und ängstlich zu blöken! Wir alle sind Löwen, schön, stark, selbstbewusst, mutig: Lieben wir uns als Löwen und leben wir als Löwen. Es braucht nur ein bisschen Mut, das Schafsfell abzulegen – auch wenn es bei der momentanen Kälte ganz angenehm ist! – und unsere wahre Natur zu fühlen.

Versucht es doch einfach einmal, jetzt wo das Jahr noch jung ist und alle Möglichkeiten offen stehen, versucht es wenigstens ein einziges Mal, einfach sagen, was euch auf der Zunge liegt, einfach tun, wozu ihr Lust habt, einfach ihr selbst sein.
Ihr werdet staunen, wie eure Mitmenschen sofort den Löwen in euch erkennen und euch nicht mehr als Schaf betrachten! Ihr braucht nur euer wahres Selbst zu leben…

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Die zehn Gebote der Selbstliebe

Willkürlich von mir zusammengestellt – selbstverständlich könnte man auch viele, viele andere Gebote noch aufführen. Für Anregungen bin ich dankbar!
Wenn ihr damit arbeiten wollt, dann solltet ihr nicht gleich alle zehn zusammen befolgen, sondern euch eines, maximal zwei, herauspicken und versuchen, es im Alltag umzusetzen. Erst wenn ihr euch dabei ziemlich sicher fühlt – und das kann Monate dauern! –, geht ihr zum nächsten. Geduld ist dabei unerlässlich, etwas Mut auch und vor allem: Lasst nie Frustration oder Entmutigung aufkommen, wenn es euch nicht auf Anhieb gelingt! Das ist völlig normal. Fasst einfach jedes Mal von neuem den Vorsatz: „Das nächste Mal versuche ich es wieder.“
Falls die Reaktion eurer Mitmenschen auf euer neugewonnenes Selbstwertgefühl nicht positiv ausfällt: Bleibt trotzdem dabei! Es ist klar, dass es denjenigen nicht gefällt, die eure schwache Selbstliebe immer ausnutzten oder sich zumindest überlegen fühlten, weil ihr nicht nein sagen konntet, euch abhängig machtet und vieles mehr.

Hier sind sie also, meine zehn Gebote der Selbstliebe. Ihr könnt sie übrigens auch als PDF-Datei herunterladen – vielleicht ausdrucken, eventuell vergrössern und irgendwo aufhängen, wo ihr sie immer wieder einmal seht (ich hatte solche „Gebote“, an die ich mich erinnern wollte, früher oft an der Toilettentür – innen – aufgehängt!).

1. Du sollst dich selbst lieben, achten, wertschätzen, wie du deine Mitmenschen liebst, achtest, wertschätzest.

2. Du sollst zu dir selbst verständnisvoll, nachsichtig, verzeihend sein, wie du es meistens mit deinen Mitmenschen bist.

3. Du sollst dir selbst gönnen, was du anderen nicht verwehren würdest.

4. Du sollst dich nicht für das Denken, Fühlen, Handeln anderer verantwortlich fühlen.

5. Du sollst dir selbst vertrauen, dass du stets das tust, was gut und richtig für dich ist.

6. Du sollst jederzeit das tun, was du spürst, und niemals Angst haben, Fehler zu machen oder zu versagen.

7. Du sollst dich von niemandem abhängig fühlen oder machen und nicht fürchten, die Anerkennung und Liebe anderer zu verlieren.

8. Du sollst dir nicht einreden lassen, du seiest ein Egoist, weil du mutig deinen Weg gehst.

9. Du sollst dich nicht mit anderen vergleichen, dich nicht an und mit ihnen messen und dich nicht auf Konkurrenzkämpfe einlassen.

10. Du sollst dich nicht selbst erniedrigen in Gedanken, Worten und Taten und dich nicht selbst verurteilen.

Und noch das elfte Gebot – nicht ganz ernst gemeint, aber in der Richtung darf es schon es gehen:
Du machst immer alles richtig, brauchst dich nie schuldig zu fühlen!

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Angst vor Verurteilung

Während ich durch die Rebberge wanderte, kam mir eine Frau mit einem Hund entgegen. Wie es bei uns auf dem Land Sitte ist, grüssten wir uns freundlich im Vorbeigehen. Als sie schon einige Meter hinter mir war, rief sie mir nach: „Ich habe sie nicht gestohlen, die Winzerin hat sie mir gegeben!“
Ich verstand nicht, wandte mich um und schaute sie verdutzt an. Da sah ich die Weintraube in ihrer Hand.

Wie sehr fürchten doch die Menschen, be- und verurteilt zu werden! Also rechtfertigen sie sich ständig, heischen um Verständnis… und offenbaren dadurch ihre Schwäche.
Wir sind niemandem Rechenschaft schuldig, ausser uns selbst – stehen wir einfach zu uns, mit erhobenem Haupt, und kümmern wir uns nicht um die Meinung der anderen. Wir können es ihnen ohnehin nicht recht machen (siehe auch hier) – und wir müssen es auch nicht!

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