Man kann es nie allen recht machen

Die folgende jiddische Geschichte, die ich dem Book of Fables von Moshe Wallich entnommen habe, zeigt auf humorvolle Weise, warum wir so handeln sollen, wie wir es als richtig erachten, und uns vor den anderen nicht rechtfertigen brauchen (siehe meinen Text „Rechtfertigungen“).

Ein Mann besass einen guten, starken Esel. Eines Tages beschloss er, auf ihm zum Markt zu reiten um einzukaufen; seinen Knaben nahm er auch mit und hiess ihn neben dem Esel herlaufen.
Als sie unterwegs zwei Männern begegneteten, hörte der Eselreiter, wie der eine zum anderen sagte: „Welch schlechter Vater! Lässt seinen Jungen zu Fuss gehen, während er bequem auf dem Esel hockt!“
Der Vater fühlte sich als Unmensch. Er stieg vom Esel ab und liess seinen Sohn reiten, er selbst trottete neben ihm. Nach einer Weile begegneten sie zwei Frauen und er hörte die eine zur anderen sagen: „Wie respektlos von dem Kind, dass es seinen alten Vater zu Fuss gehen lässt und selbst auf dem Esel reitet!“
Der Mann dachte bei sich: „Der Esel ist jung und stark, er kann uns mühelos beide tragen.“ Und er stieg ebenfalls auf. Dann kamen ihnen zwei Reiter auf stolzen Pferden entgegen. Der eine sagte: „Sieh dir das an! Zu zweit hocken sie auf dem armen kleinen Esel; sie werden ihn bestimmt umbringen, wenn sie so weitermachen!“ Sie gaben die Sporen und stieben davon.
Der Vater sagte zu seinem Knaben: „Lass uns absteigen, der arme Esel hat genug geschuftet. Wir binden ihm jetzt die Füsse zusammen und wir beide tragen ihn an einer Stange.“ Das taten sie und setzten ihren Weg zum Markt fort. Als sie so dort eintrafen, zeigten die Leute mit dem Finger auf sie und begannen zu lachen: „Sind das Trottel! Tragen einen Esel an der Stange anstatt auf ihm zu reiten oder ihn vor einen Wagen zu spannen!“
Da fragte der Vater seinen Jungen: „Was muss man eigentlich tun, um es den Leuten recht zu machen?“

Wie man auch handelt, man kann es den Menschen nicht recht machen. Seht also zu, dass ihr tut, was ihr selbst für gut haltet, und habt keine Angst vor dem Urteil der anderen!

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